Am 31. Juli 2019 hatte der iranische Technologie- und Kommunikationsminister Azari bekannt gegeben, dass der Iran Mitte August den Kommunikationssatelliten Nahid 1 (Nahid bedeutet “Venus”) mit einer iranischen Safir-1B-Rakete in einen niedrigen Erdorbit zu starten plane. Am 24. August zeigten Aufnahmen eines kommerziellen Satelliten, dass die Startvorbereitungen am Imam Khomeini Spaceport im Nordiran im Gange waren. Der Start wurde nicht verkündet, jedoch zeigten weitere Aufnahmen eines anderen kommerziellen Satelliten vom 29. August eine Rauchsäule über der Startrampe.
Best Grüße vom amerikanischen Präsidenten
Ein anonymer iranischer Techniker bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters noch am selben Tag einen Unfall bei dem die Rakete explodiert sei. Ursache sei ein “technisches Problem” gewesen. Über Verletzte oder Tote ist nichts bekannt. Einen Tag später twitterte Donald Trump mit ironischem Unterton, die USA seien an dem katastrophalen Unfall während der Startvorbereitungen nicht beteiligt gewesen und er wünsche dem Iran viel Glück bei der Suche nach der Ursache.
The United States of America was not involved in the catastrophic accident during final launch preparations for the Safir SLV Launch at Semnan Launch Site One in Iran. I wish Iran best wishes and good luck in determining what happened at Site One. pic.twitter.com/z0iDj2L0Y3
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) August 30, 2019
Dass eine iranische Rakete explodiert ist, ist nun noch nicht sonderlich ungewöhnlich. Dass US-Präsident Trump darüber hämisch twittert, auch nicht. Allerdings garnierte er den Tweet mit einem Bild, das einiges über die eingesetzte Spionagetechnik verrät – und das ist durchaus bemerkenswert!
Zur Orientierung und Einordnung der Anmerkungen im Bild hier ein paar Aufnahmen der iranischen Nachrichtenagentur Fars aus dem Jahr 2011.
Die Amateure gehen auf Spurensuche
Es dauerte nicht lange, bis die Twitter-Gemeinde begann, sich über den möglichen Ursprung der Aufnahme auszutauschen. Darunter befinden sich ausgemachte Experten. Die Bildschärfe und der schräge Blickwinkel legen nahe, dass es eine Drohnenaufnahme sein könnte. Ein Reflex in der Bildmitte deutet darauf hin, dass das Bild mit einer Handykamera vom Original abfotografiert wurde. Ein dunkler Balken oben in der Ecke soll wohl die Quelle verbergen. Eine nähere Untersuchung mit dem Bildanalyseprogramm Tungstène ergab, dass hier in der Tat eine Schwarzweißaufnahme abfotografiert wurde, denn das Bild hat überall den exakt gleichen Farbton; nur der abdeckende Balken nicht, der also nachträglich im kopierten Bild eingefügt worden war.
Eine Drohnenaufnahme wäre zwar denkbar, allerdings liegt der Khomeini Weltraumbahnhof 250 km südöstlich von Teheran ziemlich tief im Landesinneren und die iranische Flugabwehr ist auf der Hut. Der Iran hatte bereits 2011 und Anfang 2019 US-Drohnen abgeschossen. Natürlich könnte die Mission trotzdem erfolgreich gewesen sein.
Jedoch lieferten die Amateur-Satellitenbeobachter Cees Bassa (@cgbassa) und Dr. Marco Langbroek (@marco_Langbroek) alsbald eine alternative Erklärung: der Spionagesatellit USA-224 des National Reconnaissance Office NRO (also des nationalen Amts für militärische Aufklärung), der sich auf einer sonnensynchronen1 Bahn mit Perigäum (erdnächstem Punkt der Bahn) von 258 km und Apogäum (erdfernstem Punkt der Bahn) von 1010 km sowie 97,9° Neigung gegen den Äquator bewegt, passierte am 29. August um 9:43:50 UT (11:43:50 MESZ) den iranischen Weltraumbahnhof fast senkrecht in einer Entfernung von minimal nur 280 km.
Der Neigungswinkel der Blickrichtung zur Erdoberfläche, der sich aus der kreisrunden Form der Startplattform leicht ermitteln lässt, beträgt ca. 46° und die Blickrichtung ist nach Norden gerichtet (aus 196° Azimuth; 180° wäre genau aus südlicher Richtung), wie sich an den Schatten der Service-Türme ablesen lässt. Dieser Winkel wurde um 9:44:20 UT erreicht, als die Entfernung 382 km betrug. Der Überflug passt perfekt zur Blickrichtung und zum Schattenwurf zur entsprechenden Uhrzeit! Damit war in der Twittergemeinde akzeptiert, dass es sich um eine Satellitenaufnahme handeln müsse.
Ein alter Bekannter
Unter anderem aus von Edward Snowden geleakten Dokumenten war bekannt, dass es sich bei USA-224 um einen KH-11 KENNEN Spionagesatelliten der Generation Block IV (“Advanced Crystal”) handelt, die so geheim sind, dass es nur Vermutungen über ihr genaues Aussehen gibt. Sie dürften demnach im Design dem Hubble-Weltraumteleskop ähneln, denn sie werden in ähnlichen Containern transportiert. Sie hätten dann mit 19,5 m Länge und 3 m Durchmesser etwa die Größe eines Busses. Der Hauptspiegel durchmisst nach offiziellen Verlautbarungen des Verteidigungsministeriums 2,4 m – genau wie der des Hubble-Weltraumteleskops und des in Entwicklung befindlichen WFIRST-Weltraumteleskops der NASA. Letzteres baut auf einem von der NRO ausrangierten, aber unbenutzten Spionagesatelliten auf, bei dem es sich möglicherweise um eine ältere FIA-O (Future Imagery Architecture-Optical) genannte Serie aus den späten 1970ern handelt. Zwei solcher Satelliten waren 2012 vom NRO an die NASA verschenkt worden, allerdings aller Instrumente und Elektronik beraubt, da diese der Geheimhaltung unterliegen (aus diesem Grund kostet WFIRST bis zum Start trotzdem noch 2 Milliarden Dollar).
USA-224 war am 20. Januar 2011 von der Vandenberg US-Air-Force-Basis aus gestartet worden und wird seitdem von Amateur-Satellitenbeobachtern verfolgt, so dass die Bahnelemente trotz militärischer Geheimhaltung bekannt sind. Die Winkelauflösung der Satelliten und damit die kleinstmögliche noch erkennbare Struktur auf der Erdoberfläche ist ebenfalls geheim. Neben der Größe der Optik spielt hierbei auch die verwendete Kamera und Lichtwellenlänge eine Rolle.
Dank Trumps Tweet konnten die Amateure nun jedoch eine Abschätzung liefern: auf Aufnahmen kommerzieller Satelliten, wie sie z.B. auf Google Earth zu finden sind, lässt sich der Durchmesser der kreisrunden Startplattform vermessen. Misst man dann die Zahl der Pixel auf Trumps Foto, so ergibt sich eine Obergrenze von 10 cm pro Pixel, gegeben durch die Auflösung von Trumps Kamera. Das Original könnte noch feiner aufgelöst sein.
Dieser Wert gilt für die ermittelte Entfernung von 382 km. Bei größtmöglicher Annäherung im Perigäum, also rund 250 km, ergäbe sich somit eine Auflösung von 6-7 Zentimetern. Dies entspräche der Leistung eines 2,7 m durchmessenden Spiegels, aber in Anbetracht von Messfehlern und der unbekannten Wellenlänge könnte die Auflösung durchaus mit einem 2,4-m-Spiegel kompatibel sein.
Wieso verrät Trump Militärgeheimnisse?
Damit passen die aus Trumps Tweet abgeleiteten Parameter zu der vermuteten Leistungsfähigkeit der KH-11-Satelliten. Nun ist es eine Sache, dass die vorher schon bekannten oder vermuteten Parameter aus teils illegalen Quellen stammen – schließlich wird Snowden dafür von den USA verfolgt. Dass der amtierende US-Präsident geheime Unterlagen auf Twitter verbreitet, die diese Angaben bestätigen, hat dann noch einmal eine ganz andere Qualität. Die Aufnahme dürfte ihm bei einem Briefing des Verteidigungsministeriums vorgelegt worden sein. Hatte er sie in Absprache mit dem Ministerium veröffentlicht, oder aus eigenem Antrieb? Politische Experten sind überzeugt [2,4], dass das Verteidigungsministerium hier seine Zustimmung zur Veröffentlichung gab, zumal die Quelle oben links geschwärzt ist. Wie hier gelesen war das allerdings keine besonders gute Idee. Vielleicht hatte man im Ministerium die möglichen Folgen unterschätzt. Oder Trump hatte doch auf eigene Faust gehandelt – wundern täte es nicht.
Schließlich gibt Trumps sarkastischer Ton Rätsel auf – seinem selbsternannten Todfeind viel Glück bei der Aufklärung des Unglücks zu wünschen, mit dem die USA – angeblich – nichts zu tun hätten. Ehrlich meinen wird er dies wohl kaum. Bestenfalls macht er sich lustig über den Fehlschlag. Ziemlich unfair, angesichts der Fehlstarts, die sich die Amerikaner zu Beginn ihres Weltraumprogramms geleistet hatten:
(hier nett zusammengeschnitten im Film “The Right Stuff”, zu deutsch “Der Stoff aus dem die Helden sind”, aus dem Jahre 1983).
Sicherlich ist seine Botschaft an den Iran “Wir haben Euch im Blick!” Der US-Aufklärung entgeht nichts, weder zivile noch militärische Weltraumaktivitäten. Wollte Trump am Ende gar damit prahlen, dass die Amerikaner den Start (oder andere?) sehr wohl sabotiert hatten? Dafür gibt es natürlich keinerlei Beweise. Fakt ist lediglich, dass der Iran in diesem Jahr nun bereits den dritten Fehlstart bzw. Unfall zu verzeichnen hat (am 15. Januar den Startversuch der Simorgh-Mission und am 5. Februar den Start einer weiteren Safir 1B-Rakete). Die wahren Ursachen der Fehlschläge bleiben vermutlich für immer verborgen. Falls Trump sich nicht vertwittert.
Referenzen
[1] Daniel Marín, “Trump, el satélite espía Crystal y el cohete Safir iraní“, Eureka-Blog, 31. August 2019.
[2] Geoff Brumfiel, “Trump Tweets Sensitive Surveillance Image Of Iran“, NPR News, 30. August 2019.
[3] Stephen Clark, “Surveillance photos reveal apparent explosion on Iranian launch pad“, Spaceflight Now, 30. August 2019.
[4] Clark Mindock, “Trump accused of tweeting image from secret intelligence briefing as he says US not involved in Iran satellite launch failure“, The Independent, 31. August 2019.
[5] Donald Trump, Tweet, Twitter.com, 30. August 2019.
[6] Cees Bassa, @cgbassa, Thread, Twitter.com, 31. August 2019.
[7] Dr. Marco Langbroek, @Marco_Langbroek, Thread, Twitter.com, 31. August 2019.
[8] Sam Meyer, @Ranger_Smeyer, Thread, Twitter.com, 31. August 2019.
1 Eine sonnensynchrone Bahn passiert dieselben Orte auf der Erde immer zu den gleichen Tageszeiten und Beleuchtungsrichtungen. Die Bahnebene des Satelliten präzediert dabei täglich um genau denselben Winkel von knapp einem Grad, den sich die Sonne pro Tag relativ zu den Sternen am Himmel weiterbewegt. Die Präzession wird durch die Abplattung der Erde verursucht, und wählt man die Bahnneigung bei ca. 96°-98°, so kann man die gewünschte Präzession erreichen. Die Bahn verläuft also beinahe über die Pole der Erde.
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