Viele Wochen stand die Venus strahlend hell am Abendhimmel, seit sie im vergangenen Herbst auf der östlichen Seite ihrer Bahn hinter der Sonne hervorgekommen war. In nur wenigen Tagen schon ist es damit vorbei und der helle Abendstern überholt die Erde auf ihrer schnelleren Bahn um die Sonne und wechselt auf die westliche Seite der Sonne, bevor sie wieder als Morgenstern am Himmel erscheint.
Da sie zwischen Sonne und Erde steht, sehen wir sie im Moment als sehr schmale Sichel. Nur 3,5% der Venusfläche sind noch beleuchtet, mit abnehmender Tendenz. Trotzdem ist sie immer noch heller als -4. Größenklasse, nur von Mond und Sonne am Himmel übertroffen. Denn sie steht der Erde nun fast so nahe, wie sie ihr nur kommen kann, 0,3 Astronomische Einheiten oder 45 Millionen km. Deswegen erscheint sie jetzt auch besonders groß, 55 Bogensekunden, also fast eine Bogenminute, 1/60 eines Winkelgrads, 1/30 des scheinbaren Durchmessers des Mondes. Das ist in etwa die Grenze des Auflösungsvermögens des menschlichen Auges, d.h. theoretisch könnte man mit guten Augen erkennen, dass die Venus kein Punkt ist. Ein so strahlend helles Objekt blendet das Auge jedoch vor dunklem Hintergrund, so dass nur ein heller Klecks zu erkennen ist.
Die Sichel kann man ganz sicher nicht mit bloßem Auge erkennen, aber es reicht schon sehr moderate Optik, wie sie in vielen Haushalten vorhanden ist: ein Feldstecher. Ich hatte als Kind von vielleicht 6 Jahren ein ausziehbares “Piratenfernrohr” geschenkt bekommen mit vielleicht 10- oder 15-facher Vergrößerung, und es an einem Abend auf jenen hellen “Stern” gerichtet, der da am Himmel stand, und ihn als Sichel gesehen – das war für mich vollkommen unerwartet und total aufregend. Es war der Anstoß dafür, mit immer größeren Teleskopen immer tiefer ins Weltall blicken zu wollen.
Wer also ein Fernglas mit mindestens 7-facher Vergrößerung hat, sollte in den nächsten Tagen bei klarem Wetter den hellen Stern im Nordwesten anpeilen, der kurz nach Sonnenuntergang am noch blauen Himmel auftaucht. Man kann ihn schon gleich nach Sonnenuntergang suchen, im Feldstecher findet man die helle Venus sogar am Tage – was sich wegen der Nähe zur Sonne allerdings vor Sonnenuntergang strengstens verbietet! Denn die Sonne darf niemals versehentlich ins Blickfeld geraten, sonst drohen bleibende Augenschäden.
Nach Sonnenuntergang ist dieses Risiko nicht mehr gegeben. Die Venus steht mittlerweile bei Sonneuntergang nur noch gute 10° (ein handbreit bei ausgestrecktem Arm) über dem Horizont, d.h. es braucht unbedingt freie Sicht nach Nordwesten, z.B. von einem hohen Balkon oder Dach aus, in flacher Ebene, am Strand oder von einem Hügel aus. Idealerweise sucht Ihr Euch eine stabile Unterlage oder seitliche Stütze, gegen die Ihr das Fernglas bzw. Hand oder Arm stützen könnt, um eine ruhige Hand zu haben; ein Haus, Laternpfahl, Baum, Bank, Fahrrad, Auto, was gerade in Reichweite ist. Die Schärfe stellt Ihr separat für beide Augen ein, erst mit dem Rädchen in der Mitte für das linke Auge, dann am rechten Okular für das rechte. Wenn der Feldstecher zu sehr “schielt”, was viele tun, könnt Ihr über einemder Objektive die Kappe aufgesteckt lassen oder das Auge schließen, links oder rechts, wie’s am angenehmsten ist oder je nachdem welches das bessere Auge ist.
Gleich nebenan, nur 5° oder 2-3 fingerbreit links von Venus in Richtung 10 Uhr findet sich zur Zeit außerdem noch der Planet Merkur, der nur selten am Himmel zu sehen ist und mit -0,4 Größenklassen wesentlich lichtschwächer, etwa vergleichbar mit den hellsten Fixsternen (nach Sirius). Merkur ist mit 1,03 AE (155 Millionen Kilometer) sehr viel weiter als die Venus entfernt und zeigt im Feldstecher keinerlei Form oder gar Struktur. Im Teleskop sieht man zur Zeit einen “Halbmerkur”. Nur wenigen sehr guten Astrofotographen wie Sebastian Voltmer, von dem das Bild unten stammt, ist es gelungen, Details auf der Oberfläche des Planeten aufzulösen, die wir ansonsten nur mit Hilfe von Raumsonden erkunden können, wie Mariner 10, Messenger oder der europäischen Sonde BepiColombo, die gerade auf ihrem langen Weg zum sonnennächsten Planeten ist und ihn im Oktober kommenden Jahres passieren wird, bevor sie nach mehreren Swingbys erst im Dezember 2025 in eine Umlaufbahn um Merkur einschwenken soll. Merkur gewinnt zur Zeit noch an Höhe über dem Horizont. Mit Venus als Aufsuchhilfe ist er besonders leicht zu finden.
Also versucht Euch doch mal mit dem Fernglas an der Venus, ich habe die Sichel gestern problemlos im 10×50 gesehen. Aber wartet nicht zu lange, zwar wird die Sichel täglich spektakulärer, aber jeden Tag sinkt Venus zu Beginn der Dämmerung ein Stück tiefer Richtung Horizont und wird am Freitag wohl vom Himmel verschwunden sein. Merkur bleibt uns noch ca. eine Woche länger erhalten, dann versinkt der flinke Planet im Dunst bevor es dunkel genug für ihn wird, während es zunehmend später dunkel wird.
Am Mittwochabend gibt’s dann (voraussichtlich) als Nachschlag noch ein Raumfahrt-Highlight zu beobachten, darüber schreibe ich noch einen separaten Artikel.
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