Ende Juli 1971, es sind Sommerferien. Der Autor ist 7 Jahre alt und total raumfahrtbegeistert. Die Mutter bringt abends Hähnchen mit Pommes mit. In unserem 2 Jahre zuvor gekauften ersten Farbfernseher läuft die Übertragung von Apollo 15.
Bekanntlich bleiben Erinnerungen besonders gut haften, wenn sie mit einem traumatischen Ereignis verbunden sind. In meinem Fall fing es an mit Bauchweh, die kurz nach dem Hähnchen mit Pommes auftraten. Ich muss so geklagt haben, dass meine Mutter den Arzt rief, zu dem wir damals ein so gutes Verhältnis hatten, dass er zu uns nach Hause kam. Nach kurzer Anamese hieß es: Blinddarmentzündung, sofort ins Krankenhaus. Am nächsten Tag lag ich frisch operiert mit drei anderen Jungs in einem Zimmer auf Kinderstation. Es gab einen kleinen Fernseher oben an der Wand, zwei Fernsehsender, und ein Programm: Apollo 15 auf dem Mond!
Flieger-Crew mit Geologie-Ambitionen
Apollo 15 war die bis dato spannendste Mondlandung. Der spektakulärste Landeplatz in Reichweite der bis zu 1500 m breiten und 180-270 m tiefen Hadley Rille, in unmittelbarer Nähe des 4600 m hohen Mons Hadley (oder zu englisch Mount Hadley), der zu den Mond-Apenninen gehört, die das Mare Imbrium südöstlich flankieren. Der Anflug über den Berg erforderte einen steileren Abstieg der Mondfähre von 23° gegenüber den zuvor geflogenen 15°. Mit 77 kg die bis dahin größte Ausbeute an Gestein, darunter der “Genesis Rock”, der mit 4,1±0,1 Milliarden Jahren älteste bis dahin gefundene Fels (von dem man hoffte, er stamme von der Urkruste des Mondes). Drei Ausstiege von insgesamt mehr als 18 Stunden Dauer. Live Farb-TV von den Exkursionen, die sich bis zu 5 km weit von der Mondlandefähre entfernten und insgesamt fast 28 km zurückgelegte Strecke dank des Stars dieser Mission: des Mondautos “Lunar Roving Vehicle”. Das erste in-situ von Menschen gesteuerte Fahrzeug auf einem anderen Himmelskörper (der von der Erde aus ferngesteuerte sowjetische Mond-Rover Lunochod 1 war ein halbes Jahr zuvor am 17. November 1970 auf dem Mond gelandet; er hätte nach ursprünglichen Plänen ebenfalls vor Ort von einem Kosmonauten gesteuert werden sollen, aber dann kam alles anders).
Die Besatzung der Apollo-15-Mission bestand aus dem Kommandanten David R. Scott, 39 Jahre alt, ausgebildeter Air-Force-Testpilot und Astronaut der 3. Rekrutierungsgruppe 1963. Auf der Ewards Air Force Base war er mit einem mit Raketenantrieb und Steuerdüsen ausgestatteten NF-104a Starfighter bis in 30 km Höhe geflogen. Sein erster Raumflug war zusammen mit Neil Armstrong im März 1966 die Gemini 8, bei dem die Kapsel der beiden aufgrund eines Fehlers einer Steuerdüse in schnelle Rotation geraten war, die beide Astronauten an den Rand der Bewusstlosigkeit und des sicheren Todes gebracht hatte. Armstrong verhinderte das Schlimmste, brachte die Kapsel mit dem Wiedereintrittssystem wieder unter Kontrolle und brach den Flug ab. Scott flog danach als Pilot des Kommandomoduls auf Apollo 9, der Mission, die dem Test der Mondlandefähre im Erdorbit gewidmet war. Er gehörte zur Ersatz-Crew der Apollo-1-Besatzung, die beim Feuer 1967 verunglückt war, und war als Ersatz-Kommandant der Apollo 12 zugeteilt. Da die Ersatzcrews das Training der Primärcrew teilten, war er bestens für die Mission ausgebildet. Nun stand ihm als Veteranen die Führung der Primärcrew einer Mondlandung zu.
Mit ihm auf dem Mond landen sollte Mondfährenpilot James B. Irwin, 41 Jahre alt, ebenfalls ehemaliger Testpilot der Air Force in Edwards, wo er die YF-12, den Prototypen des legendären Mach-3-Aufklärers SR-71 Blackbird geflogen war. Bei einem von seinem Flugschüler verursachten Absturz, den beide überlebten, erlitt er eine Amnesie und verlor beinahe sein mehrfach gebrochenes Bein. Dennoch konnte er sich 1966 erfolgreich für die 5. Rekrutierungsgruppe der NASA bewerben. Er war als Ersatz-Mondfährenpilot der Apollo-12-Mission zugeteilt gewesen. Apollo 15 sollte sein erster und einziger Raumflug werden.
Dritter im Bunde war Kommandomodul-Pilot Alfred “Al” M. Worden, 39 Jahre alt und seinerseits Ex-Testpilot der Air Force und Fluglehrer in Edwards. Schon 1963 hatte er sich für die 3. Astronautengruppe beworben, kam aber wegen einer damals bevorstehenden Versetzung in die Testpilotenschule in Farnborough, England, nicht zu Zuge. 1965 versuchte er es erfolgreich wieder und kam 1966 mit Irwin (wie auch Swigert, Roosa, Mattingly, Duke, Haise und andere spätere Mondflieger) mit der 5. Gruppe zur NASA. Er gehörte zur Ersatzcrew von Apollo 12 und zur Unterstützungscrew von Apollo 9. Letztere war mit der Erstellung des Flugplans, der Missionspläne, Checklisten und Notfallmaßnahmen betraut. Auch für Worden würde Apollo 15 der erste und letzte Raumflug sein.
Somit war dies eine reine Air Force Crew, ähnlich wie Apollo 12 eine reine NAVY-Crew gewesen war. Prangte auf dem Emblem der 12er-Mission ein Segelschiff, so waren es auf dem von Scott bei einem Modedesigner in Auftrag gegebenen Logo der 15er-Mission drei stilisierte Vögel in den Nationalfarben über den Bergen und der Hadley-Rille in der Landezone. Das Kommando-Modul erhielt gleichwohl den Namen eines Schiffs, der HMS Endeavour des Erkunders James Cook. Tatsächlich nahm man auch ein kleines Stückchen Holz des historischen Vorbilds mit auf den Flug. Demgegenüber erhielt die Mondlandefähre das eher eines Fliegers würdige Funkrufzeichen Falcon (also Falke).
Wie schon bei Apollo 13 konnte Jack Schmitt, der einzige Astronaut mit einem Doktortitel in Geologie, der zur Ersatzcrew der Apollo 15 gehörte, die Astronauten für Geologie begeistern, indem er ihnen Geologie-Kurse beim mitreißenden Professor Lee Silver vermittelte, bei dem er selbst studiert hatte. Während des 20-monatigen Trainings führten sie monatliche geologische Exkursionen nach Arizona, Hawaii und New Mexiko durch, wo sie zunehmend die Aktivitäten auf dem Mond simulierten: mit Rückentornister, vor der Brust montierter Kamera und Walkie-Talkie zur Kommunikation mit einem Geologen, dem sie ihre Fundstücke beschreiben mussten.
Worden überflog wie schon Roosa bei Apollo 14 die Trainingsgebiete im Jet und lernte sie von oben zu charakterisieren, wie er es später vom Kommandomodul aus tun würde, während seine Kollegen auf dem Mond weilten. Selbst der Leiter des Flugdirektorenteams Gerry Griffin nahm am Training teil – und überzeugte nach seinem ersten Geologie-Ausflug die anderen Flight Directors, es ihm gleich zu tun, um ein besseres Verständnis für die Jobs ihrer Jungs zu entwickeln. Scott bezeichnete sich am Ende als seriösen Amateur-Geologen. Er war willens, ein Maximum an Wissenschaft aus der Mission herauszuholen. Scott war auch beteiligt an der Auswahl der Landestelle, der er vor die Wahl gestellt den Vorzug zum Krater Marius gab. “Hadley hat mehr Vielfalt. Es gibt diese schwer greifbare Qualität [einer Landschaft], die den Entdeckergeist weckt, und ich fühlte, dass Hadley dieses gewisse Etwas hatte. Außerdem war die Gegend wunderschön, und wenn Dinge [auf den ersten Blick] gut aussehen, dann sind sie es meistens auch.” Die Hadley-Rille war vermutlich durch fließende Lava entstanden und in der Nähe des Gebirges war die Gegend einfach interessanter.
Hinflug ohne mit ganz wenigen Problemen
Apollo 15 war die erste von drei “J”-Missionen, der letzten Serie von Mondlandungen mit verlängerter Dauer und einem Exkursionsfahrzeug. Die ersten ferngesteuerten Testflüge der Saturn V begannen mit “A”, die weiteren Vorbereitungsflüge liefen unter “B”-“F”, die erste Mondlandung war eine “G”-Mission, und 12-14 waren “H”-Missionen mit Präzisionslandung und stärkerem Fokus auf wissenschaftliche Erkundung. Eigentlich hätte Apollo 15 auch eine H-Mission werden sollen, aber da die Apollo-20-Landung unter der Nixon-Regierung und zunehmendem öffentlichen Druck aufgrund der hohen Kosten gestrichen worden war, zog man die erste J-Mission vor, um den größtmöglichen Gewinn aus den verbliebenen Flügen und dem schon vorhanden Equipment zu ziehen, und übersprang die I-Mission, deren Schwerpunkt die Mondvermessung gewesen wäre.
Die verlängerte Missionsdauer machte zusätzliche Tanks für Sauerstoff, Wasser und mehr Treibstoff erforderlich. Auch der Mondrover, obwohl mit 209 kg eher ein Leichtgewicht, trug zum Gewicht der Mondfähre bei, die mit 16 Tonnen 1800 kg schwerer als ihre Vorgänger war. Daher musste auch die Saturn V etwas abspecken (z.B. sparte man 4 von 8 Retro-Raketen in der ersten Stufe ein, mit denen die erste Stufe nach der Stufentrennung vom Rest der Rakete weggestoßen wurde), man sparte Treibstoffreserven und modifizierte den Kurs und die Höhe des initialen Parkorbits um die Erde auf nur 166 km. Auch die Raumanzüge wurden modifiziert, z.B. mit einem schräg über den Körper verlaufenden Reißverschluss, der das An- und Ablegen in den beengten Verhältnissen des Mondmoduls erleichtern sollte (etwa um die bei einem dreitägigen Aufenthalt nicht vermeidbaren Toilettengänge zu ermöglichen; die bei Apollo 11 verwendeten Windeln waren hier keine Option mehr), sowie einem beweglicheren Hüftteil, welches das Einnehmen der Sitzposition auf dem Mondrover erleichtern sollte.
Saturn V, Seriennummer SA-510, hob pünktlich zu Beginn ihres Startfensters am 26. Juli 1971 um 15:34 MESZ ab (bzw. 14:34 in der damals gültigen deutschen MEZ), um zum richtigen Sonnenstand an der Hadley-Rille einzutreffen. Im Laufe der dreitägigen Exkursionen würde sich bei steigender Sonnenhöhe der Boden von 10°C auf 70°C aufheizen, um nach weiteren drei Tagen bei fast 120°C zu kulminieren. Daher musste der Start am 26. oder spätestens 27. Juli stattfinden, um nicht auf die nächste Mondphase verschoben zu werden. Diesmal gab es keine besonderen Vorkommnisse beim Start, keine Blitzeinschläge, keine übermäßigen Pogo-Oszillationen, keine Verzögerung durch widriges Wetter. Lediglich sorgte ein unplanmäßig langsames Absinken des Schubs der ersten Stufe, das 4 Sekunden dauerte, sowie die nur 4 verbliebenen Retroraketen bei der Trennung der Stufen dafür, dass die 1. Stufe nicht ausreichend Abstand von der zweiten hatte, als diese ihre Triebwerke zündete, welche das Telemetrie-Paket der ersten Stufe toasteten. Dies spielte jedoch für die eigentliche Mission keine Rolle. Das Andocken des Kommandomoduls an die Mondlandefähre machte anders als bei Apollo 14 diesmal ebenfalls keine Probleme. Lediglich meldete eine Lampe, die das Feuern des Haupttriebwerks des Apollo-Raumschiffs signalisierte, dass das abgestellte Triebwerk angeblich liefe – wie sich erst nach der Rückkehr der Kapsel herausstellte, war ein Kurzschluss durch einen winzigen Drahtsplitter in einem Schalter die Ursache. Ansonsten funktionierte das Triebwerk einwandfrei. Die Astronauten schalteten vorsichtshalber die Sicherung des Steuermoduls ab, wenn Sie es nicht benötigten.
Bei der Inspektion der Mondlandefähre fanden Scott und Irwin dann allerdings, dass das Deckglas einer Höhen- und Sinkratenanzeige zerbrochen war und Glassplitter in der Mondlandefähre umher schwebten. Die Anzeige hatte damit zugleich ihre Heliumgasfüllung verloren. Dies würde laut Bodenkontrolle die Funktion nicht beeinträchtigen, aber um zu vermeiden, dass sie Glassplitter einatmeten, mussten Scott und Irwin die Splitter mit einem kleinen Staubsauger aus der Luft absaugen und die verbliebenen Scherben in der Anzeige mit Klebeband heraus ziehen.
Am 29. Juli um 21:05 MEZ schoss das Haupttriebwerk der Endeavour mit einem 6:38-minütigen Bremsmanöver auf der Rückseite des Mondes den Apollo-Stack aus Kommando-, Service und Mondmodul in die Mondumlaufbahn ein. Anhand des verzögerten Erscheinens des Apollo-Raumschiffs aus dem Funkschatten des Mondes konnte die Bodenkontrolle in Houston schon vor der Wiederaufnahme des Funkkontakts erkennen, dass das Manöver gelungen war. Statt über das Bremsmanöver zu berichten, schwelgte Scott in Begeisterung über die Mondlandschaft, was den auf ein Fernsehinterview wartenden Apollo-14-Kommandanten Shepard dazu verleitete, zu grummeln “Zur Hölle mit diesem Mist, gib uns endlich die Details des Bremsmanövers…!”
Zwei Mondumkreisungen und 4 Stunden später wurde das Haupttriebwerk nochmals für 25 Sekunden gestartet, um den mondnächsten Punkt der Bahn zum Aussetzen der Mondlandefähre von 106,9 km auf 17,8 km abzusenken (mit einem mondfernsten Punkt von 108,3 km), so dass die schwere Mondfähre weniger Treibstoff für den Abstieg benötigen würde. Durch eine ungleiche Massenverteilung im Inneren des Mondes wurde die Bahn elliptischer während die Astronauten schliefen, und der mondnächste Punkt fiel auf nur 14,1 km, was Worden am nächsten Morgen korrigieren und den mondnächsten Punkt der Bahn mit den Steuerdüsen der Endeavour wieder auf 16,8 km anheben musste.
Der schiefe Turm von Hadley
Das Abdocken war für den 30. Juli um 18:48 MEZ geplant, aber beim Auslösebefehl tat sich zunächst nichts. Erst nachdem Worden den Sitz des Steckers einer Versorgungsleitung im Tunnel zwischen Kommando- und Mondmodul überprüft und erneuert hatte, gelang das Abdocken mit 25 Minuten Verspätung. Um 19:13 dockte der Falke ab und Worden ließ die Endeavour wieder auf über 100 km aufsteigen, um von nun an den Mond mit Kameras, Spektrometern und einer Magnetfeldsonde des in einer Seitenbucht des Apollo-Raumschiffs eingebauten Science Instrumentation Module (SIM) zu beobachten. Scott und Irwin stiegen derweil mit der Falcon ab, zunächst rücklings ohne Bodensicht. Houston teilte ihnen mit, dass sie (wohl aufgrund der durch das verpätete Abdocken veränderten Bahn) etwa 900 m zu weit südlich seien und der Computer den Kurs korrigieren würde. Als sich die Mondfähre planmäßig aufrichtete, sahen die beiden endlich den Boden, waren jedoch zunächst desorientiert, weil sie anders als in den Landesimulationen die Hadley-Rille nicht vor sich sehen konnten. Statt dessen sahen sie rechts von sich den 3400 m hohen Mount Hadley Delta, über dem sie sich zu dieser Zeit eigentlich gewähnt hatten, der jedoch bereits ihre Höhe überragte – in den Simulationen mit einem Modell der Oberfläche, über das eine Kamera geführt wurde, war ihnen die Seitensicht nie präsentiert worden. Scott befürchtete, sie hätten das Landegebiet schon hinter sich gelassen. Schließlich tauchte die Hadley-Rille doch noch auf und sie wussten, dass sie richtig waren. 2000 m über der Oberfläche wurde das Endanflugprogramm gestartet und Scott begann, den angezeigten Landeort manuell zu korrigieren, um die Fähre an einem sicheren Ort im Zielbereich niedergehen zu lassen. Die letzten 120 m Höhe steuerte Scott dann komplett manuell, weil er so bereits in die Steuerung eingebunden war und im Notfall schneller reagieren konnte, wie er in einem späteren Interview verriet, als wenn er der Automatik erst im Notfall die Steuerung hätte entreißen müssen.
Das Triebwerk wirbelte sehr viel Staub auf und die letzten 40 Sekunden flog er beinahe blind, nur Irwins Angaben der Radarhöhenmessung und lateralen Geschwindigkeit folgend. Als die erste der unter den Landetellern angebrachten Kontaktsonden Bodenkontakt signalisierten, schaltete er sofort das Triebwerk ab. Die Landefähre hatte eine im Vergleich zu den früheren Geräten um 25 cm verlängerte Austrittsdüse, um mehr Schub aufzubringen, und man fürchtete, dass aufgewirbeltes Material in das Triebwerk geraten und eine Explosion verursachen könnte. Tatsächlich landete der Falke an einem stark geneigten Kraterrand, und so fiel die Fähre die letzten 1,3 Meter frei und knallte mit über 7 km/h auf den Boden, doppelt so schnell wie alle Landungen zuvor. “Bam!” rief Irwin. In seiner Autobiographie schrieb er später, dass dies die härteste Landung gewesen sei, die er je mitgemacht habe. Sie war aber noch im zulässigen Bereich von 11 km/h senkrecht und 4,3 km/h waagerecht. “Okay, Houston, der Falke steht in der Hadley-Ebene,” meldete Scott über Funk. Allerdings stand er um 10° schief und ein Bein der Fähre reichte über dem Kraterrand hinaus ins Leere. 5° mehr und man hätte sofort rückstarten müssen, da das Risiko eines Umkippens der Fähre zu groß gewesen wäre. In der Bodenkontrolle witzelte man später über den “schiefen Turm von Pisa” (zumal Scott sich später an Galileos Fallexperimenten versuchen wollte, die der italiensche Gelehrte an genau jenem Turm zu Pisa durchgeführt hatte).
Wie sie erst später feststellten, hatte die Düse durch Annäherung an den Kraterrand und daraus resultierendem Überdruck einen Knick bekommen, aber für den Aufstieg würden sie das Triebwerk der Aufstiegsstufe nutzen, so dass keine Gefahr bestand.
Nach der Landung und dem Check aller Systeme (unter anderem der Dichtigkeit der zerbrechlichen Mondlandefähre) stand nun eigentlich eine Ruhephase und mehrere Stunden Schlaf auf dem Missionsplan, da sie für den geplanten 7-Stunden-Ausflug ausgeruht sein sollten. Scott wollte sich aber unbedingt schon umsehen, um die genaue Landestelle zu verorten und besser für den ersten Ausstieg am nächsten Tag vorbereitet zu sein. In der Geologie-Ausbildung hatte er gelernt, dass man sich zunächst am besten einen Überblick über das zu erkundende Gelände von einem erhöhten Punkt verschafft, und da kam ihm gerade recht, dass die Landefähre an der Oberseite eine Luke besaß, durch die auch der Zugang aus der Kommandokapsel erfolgte. Diese bot zudem eine Auflagemöglichkeit für das erstmals mitgeführte 500-mm-Objektiv (bei den Hasselblad-Vollformat-Kameras entsprach die Vergrößerung derjenigen einer 300-mm-Linse beim normalen 24×36 mm Kleinbildformat). So überredete er die Bodenkontrolle zu einer “Stand-up EVA” – so wurden “Ausstiege” genannt, bei denen die Füße des Astronauten im Gefährt blieben und nur ein Teil des Körpers im Freien war. Standup-EVAs waren zuerst bei Gemini in der Erdumlaufbahn durchgeführt worden und bei Apollo 9 hatte Scott selbst bei einer Standup-EVA Rusty Schweickart gefilmt, wie er den neuen Apollo-Raumanzug außerhalb des Raumschiffs testete.
Nach einiger Überzeugungsarbeit, warum es sinvoll war, eine zusätzliche Kabinenfüllung an Sauerstoff der Mondlandefähre für das Unterfangen zu opfern, bekam Scott grünes Licht. Eine Stunde nach der Landung zogen die beiden Astronauten Helme und Handschuhe an, schlossen die Versorgungsleitungen der Fähre für Luft und Wasser an ihre Anzüge an und ließen die Kabinenatmosphäre ab – es gab keine Luftschleuse in der kleinen Landefähre, sie musste komplett evakuiert werden, um die Luke zu öffnen. Wenn er sich auf die Abdeckung des Aufstiegtriebwerks stellte, konnte Scott die Luke erreichen, sich hochziehen und auf die Ellenbögen abgestützt den Körper ohne Bodenkontakt fixieren. Unter 1/6 der Erdschwerkraft wog er mit Anzug (zusammen 135 kg) nur soviel wie 23 kg auf der Erde. “Junge, welch ein Anblick”, entfuhr es ihm. Er konnte zahlreiche Landmarken aus dem Training identifizieren und machte 22 Fotos für ein großes Panorama mit einer 60-mm-Linse, sowie einige Detailaufnahmen mit dem 500er-Objektiv. Er beschrieb den Geologen in Houston, was er sah, und zerstreute jeden Zweifel, dass es mit dem Mondrover Probleme geben würde, das Gelände zu durchqueren. Es war flach und es gab dort nur wenige Felsen und Geröll. Nach einer halben Stunde beendete er die Standup-EVA.
Anders als bei den Missionen zuvor durften die Astronauten erstmals für die Nachtruhe ihre Raumanzüge ablegen (und sogar die biomedizinischen Sensoren ablegen). Man hatte mehr Vertrauen in die Technik gewonnen und Scott meinte, schon den augezogenen Helm und die Handschuhe anlegen zu müssen hätte sie im Ernstfall aus Zeitmangel den Hals gekostet, da konnte man auch gleich den ganzen Anzug ausziehen und in Unterwäsche deutlich besser in der Hängematte schlafen. Der Anzug konnte zudem nach den EVAs durch die interne Belüftung innen getrocknet werden. Trotz der Neigung der Mondfähre schliefen die Astronauten nach eigenen Worten bei 1/6 Erdschwerkraft komfortabel in ihren Hängematten (ganz im Gegensatz zu den Simulationen auf der Erde).
Mit dem Dünenbuggy durch die Kraterlandschaft
Am nächsten Morgen wurden die Astronauten eine Stunde früher geweckt, weil ein Sauerstofftank der Abstiegsstufe Druck verloren hatte. Die Astronauten mussten zuerst die Telemetrie vom während der Ruhephase ausgewählten Datenspar-Modus auf hohe Datenrate umschalten, damit Houston erkennen konnte, wo der Sauerstoff verloren gegangen war. Es gab ein Urin-Ablasssystem, bei dem die Astronauten in einen Zylinder urinieren konnten, dessen Ablassschlauch über ein Ventil in einen Auffangbehälter draußen führte, welcher nach außen absichtlich nicht luftdicht war, um Überdruck nach außen statt in die Kabine austreten zu lassen. Obwohl innen eine Kappe auf den Zylinder geschraubt war, war wegen des Ventils, das Scott offenbar nach der letzten Benutzung versehentlich offen gelassen hatte, Sauerstoff entwichen, insgesamt 3,6 von 43 kg. Die Hälfte der 43 kg waren jedoch Reserve und so war die Missionsdauer nicht beeinträchtigt.
Nach dem Frühstück legten die beiden erneut ihre Raumanzüge und die Tornister mit den portablen Lebenserhaltungssystemen (Portable Life Support System, PLSS) für die erste “echte” EVA an. Dem Kommandanten Scott stand der Ausstieg als erstem zu. Scott versuchte sich, Armstrong nacheifernd, an Philosophie und sagte
As I stand out here in the wonders of the unknown at Hadley, I sort of realize there’s a fundamental truth to our nature: Man must explore. And this is exploration at its greatest!
Während ich hier draußen inmitten der Wunder des Unbekannten am Mount Hadley stehe, wird mir bewusst, dass es eine fundamentale Eigenschaft unserer Natur gibt: Der Mensch muss entdecken. Und das hier ist die größte Entdeckungsreise überhaupt!
Nach dem üblichen Sammeln einer Notfall-Bodenprobe und dem Aufstellen der Fernsehkamera war die erste Aufgabe das Aussetzen des Mondrovers, der zusammengeklappt zu einem 1,5 m × 1,5 m × 0,5 m Paket zusammengefaltet hinter einer Klappe in der Landefähre verstaut war. Dies gelang leidlich mit leichten Problemen aufgrund der Neigung der Mondfähre. Scott stand die Ehre zu, das Gerät in Betrieb zu nehmen und er fuhr damit eine Runde um die Landefähre, wobei er bemerkte, dass die Fronträder nicht lenkten. Das Mondauto lenkte mit allen 4 Rädern, und so war es dennoch ausreichend manövrierfähig. Mit 4 elektrischen Motoren zu je 1/4 PS konnte es bis zu 500 kg an Ausrüstung, Proben und Astronauten tragen, und selbst nur gute 200 kg aufbringen – in Summe 700 kg, die auf dem Mond nur ein Sechstel des Erdgewichts hatten. Es erreichte 10-12 km/h, was im Mondgelände recht flott war und den Astronauten auf ihren Ausflügen ein kleines Rodeo bescherte.
Der erste Ausflug führte sie direkt zur Hadley Rille, deren Verlauf sie dann zu einem “Elbow” genannten Krater folgten, der an der Außenseite einer scharfen Biegung der Rille lag, die ihm seinen Namen gegeben hatte. Es waren ungefähr 4 km Strecke, wobei sie noch nicht genau wussten, wie weit es war, da sie ihren genauen Landepunkt noch nicht kannten – den herauszufinden war eine der Aufgaben des ersten Ausflugs. Zur Navigation verwendeten sie ein Odometer (Streckenmesser) und einen Kreiselkompass – ein Magnetfeld zur Verwendung eines gewöhnlichen Magnetkompasses hat der Mond nicht -, mit deren Hilfe man nach Erreichen einer bekannten Landmarke rückschließen konnte, wo der Falcon stand. Und wenn man der Hadley-Rille folgte, war der Elbow-Krater kaum zu verfehlen. Die Astronauten machten auf dem Hinweg keinen Halt, und das hatte seinen Grund: auf dem Mond gab es keinen Pannenservice. Sollte das Fahrzeug unterwegs schlapp machen, mussten sie genug Sauerstoff haben, um zu Fuß zurück zur Mondlandefähre zu gelangen. Daher entfernten sie sich am weitesten vom Falcon, als ihre Sauerstofftanks noch fast voll waren.
Am Elbow-Krater hielten sie an und Scott richtete die S-Band-Antenne des Rovers auf die Erde aus. Am Rover war eine von der Erde ferngesteuerte Farbfernsehkamera angebracht, und so konnten die Fernsehzuschauer erstmals die Ausflüge der Astronauten live und aus der Nähe mitverfolgen – das machte die Mission so faszinierend. Insbesondere für einen 7-Jährigen auf Kinderstation.
Scott nahm Proben in verschiedenen Abständen entlang einer radialen Linie zum Krater, wobei er jeden Fund vor dem Einsammeln fotografisch und mit einer auf einem Dreibein montierten Kalibrierpalette und -maßstab (Gnomon genannt) im Bild dokumentierte. Danach sollten sie eigentlich 500 m weiter zum 3 km durchmessenden Krater St. George an der Flanke des Hadley-Delta-Berges fahren, dem eigentlichen Ziel der ersten EVA, um in dessen Umgebung nach Auswurfmaterial zu suchen. Da sie jedoch keine Ejekta bei der Annäherung sahen, planten sie um und fanden einen 1,5 m durchmessenden Felsen, von dem sie eine Probe mit dem Hammer lösten, nachdem es ihnen zuvor nicht gelungen war, ihn beiseite zu rollen, um eine Probe des geschützten Bodens unter dem Felsen zu nehmen.
Danach kehrten sie mit mehreren Zwischenstops zur Mondlandefähre zurück. Hier stand noch aus, das von den vorangegangenen Missionen wohlbekannte ALSEP-Experimentenpaket aufzustellen. Neben einem vergrößerten Retroreflektor zur Entfernungsmessung per Laserstrahl von der Erde aus war erstmals eine Wärmeflusssonde (Heat Flow Experiment, HFE) dabei, deren beide Sensoren der Astronaut mit einem Bohrer 2,5 m tief im Boden versenken sollte, und die dann die Temperaturdifferenz zwischen Untergrund und Oberfläche messen sollten. Auf diese Weise wollte man herausfinden, ob aus einem potenziell heißen Mondinneren Wärme nach außen strömt. Die ersten 40 cm fielen Scott leicht, aber dann tat sich der elektrische Bohrer zunehmend schwerer. Scott schaffte es nicht, den Bohrer tiefer als 1,6 m in den Boden zu versenken, und danach bekam er den durch das hohe Drehmoment festgezogenen Bohrantrieb nur mit Hilfe eines Schraubenschlüssels von der Bohrstange gelöst. Das zweite Loch wurde gar nur einen Meter tief. Schließlich gab Houston die Anweisung, das Bohrloch Bohrloch sein zu lassen und nach 6 ½ Stunden die erste EVA zu beenden. Irwin war zudem dehydriert, da sein Trinkbeutel nicht funktioniert hatte und er über 7 Stunden lang keine Flüssigkeit mehr aufgenommen hatte.
Der Fels des Methusalem
Ziel der zweiten EVA am folgenden 1. August war wieder der Fuß von Mount Hadley Delta, diesmal geradewegs zum Berg auf einem weiter östlich liegenden Kurs, fast 5 km weit von der Landefähre entfernt und auf 100 Höhenmeter den 10° geneigten Hang des Berges hinauf. Sehr zur Überraschung von Scott funktionierte diesmal die Frontlenkung des Mondautos wieder. Am Ziel angekommen nahmen sie mehrere Proben, meist Kompressionsgesteine (Brekzien). Beim nächsten Stopp am Berghang fand Scott dann einen auffällig weißen Stein mit hohem kristallinen Anteil. In Geologie geschult wusste er, dass es sich um einen Anorthositen mit einem hohen Anteil an Plagioklase, einem Feldspat, handelte. Aus genau solchem Gestein sollte die ursprüngliche Mondkruste bestehen, deswegen fielen Scott und Irwin in helle Begeisterung.
“Oh Mann!” “Oh Junge!” “Sieh dir das an.” “Sieh dir das Glitzern an!” “Aaah!” “Rate mal, was wir gerade gefunden haben! Ich glaube das, weswegen wir hierher gekommen sind.”
Probe Nr. 15414 hatte bald schon von der Presse ihren Spitznamen weg: der “Genesis-Fels“. Leider zeigte sich später bei Analysen auf der Erde, dass es kein ursprüngliches Krustengestein und mit 4,1 Milliarden 400 Millionen Jahre jünger als der Mond war. Trotzdem war es bis dato das älteste gefundene Mondgestein und älter als alle Gesteine der Erde.
Langsam wurde die Zeit für einen möglichen Rückmarsch knapp und die Bodenkontrolle wies die Astronauten an, schnell noch ein paar kleine Proben einzusammeln und dann den Rückmarsch anzutreten. Sie fischten mit einem Mini-Rechen zahlreiche kleine Kiesel aus dem Regolith und Irwin schlug mit dem Hammer noch einen großen Splitter von einem Fels ab, bevor sie die Rückfahrt antraten.
Bei der Landefähre angekommen sollte Scott noch einmal versuchen, das Wärmeflussexperiment im Boden zu versenken. Wieder kam er kaum einen Meter tief. Spätere Analysen ergaben, dass das Design der Bohrer-Bits fehlerhaft war.
Mit einem anderen Bohrer hatte er zunächst mehr Glück: Zur Sammlung einer Tiefenprobe, in der die chronologische Schichtung uralter Bodenschichten, geschützt vor UV- und Partikelstrahlung, dokumentiert werden sollte, konnte er den Bohrkern bis in 2,4 m Tiefe versenken. Allerdings gelang es ihm danach nicht, den Bohrkern wieder an die Oberfläche zu holen – nach 20 cm steckte er im Boden fest. So gab er zunächst auf und verschob weitere Versuche auf den nächsten Tag.
Letzter Punkt im Missionsplan war das Aufstellen der US-Fahne. Es gibt ein wunderschönes Bild (Nr. 17 der Galerie am Ende des Artikels), das bei mir an der Wand hängt, vom neben der Fahne salutierenden Irwin mit dem Rover und der Mondlandefähre im Hintergrund vor dem 4600 m hohen Mount Hadley, der auf dem Bild so aussieht, als sei er nur 20 Meter hoch, gleich hinter der Fähre. Auf dem luftlosen Mond geht jedes Gefühl für räumliche Tiefe verloren.
Nach 7 Stunden und 12 Minuten endete somit die zweite EVA.
Mr. Galileo was correct!
Bei der dritten und letzten EVA am 2. August sollte nach dem ursprünglichen Plan die Fahrt zu einer “Nord-Komplex” genannten Hügelgruppe nördlich der Landestelle führen, aber die Bodenkontrolle in Houston hatte über Nacht, sehr zum Missfallen von Scott, entschieden, dieses Ziel zu streichen, um mehr Zeit zum Bergen des Bohrkerns zu haben. Scott akzeptierte jedoch die Entscheidung des wissenschaftlichen Teams, dass der Bohrkern wichtiger als der Nordkomplex war.
Mit vereinten Kräften machten sie sich daran, den Bohrkern aus dem Boden zu ziehen. Der Bohrantrieb hatte T-förmig zwei Griffe im rechten Winkel zur Bohrstange, unter die sich beide Astronauten mit den Armbeugen einhakten und den Bohrer dann gemeinsam nach oben zogen. Nach einem Stück brachten sie ihre Schultern unter die Griffe. “Zusammen: 1, 2,…” “Wann” “Bei 3! 1, 2, 3! 1, 2, 3!” Viel Erfolg hatten sie nicht. Also beschlossen sie, den Bohrer einzuschalten. Der bohrte prompt weiter in die Tiefe. “Das hat mich gleich runtergezogen”, lachte Scott, “War eine gute Idee, funktioniert aber auch nicht.” Und an Capcom Joseph P. Allen in der Bodenkontrolle gerichtet “Was passiert, Joe, ist: wenn ich den Bohrer einschalte, bohrt der Bohrer, wie alle Bohrer es tun.” Nach weiteren Versuchen mit etwas Zug zur Seite bekamen sie dann doch die erste Stange aus dem Boden, schraubten den Bohrer ab und an die nächste Stange. Scott schätzte später, dass sie mit ihren Schultern zusammen mindestens 200 kg an Zugkraft aufbrachten – und zogen so den Bohrkern nach 9 Minuten endlich aus Boden. Beide waren geschafft und schnappten nach Luft. Danach sollten sie mit Hilfe einer am Rover angebrachten Schraubzwinge die Kernprobe festklemmen und in kleinere Stücke zerbrechen, aber die Schraubzwinge war falsch herum eingebaut worden und nicht benutzbar. Scott war sauer: “Wie viele Stunden sollen wir noch mit dieser Probe verbringen, Joe?” So verpackten sie die Probe dann im Ganzen. Wie sich auf der Erde herausstellte, enthielt sie 50 verschiedene Schichten in chronologischer Reihenfolge, und war (zusammen mit gleichartigen Proben von Apollo 16 und 17) eine der wertvollsten Proben des gesamten Apolloprogramms.
Schließlich fuhren sie mit dem Rover geradewegs nach Westen zur Hadley-Rille, wo sie nach einem Stück freigelegten Grundgesteins an seinem Entstehungsort suchen sollten; die bisherigen Missionen hatten nur Basaltgestein mitgebracht, das durch Einschläge an den Fundort befördert worden war. An der Kante der Rille fanden sie einen solchen Fels und nahmen ein Stück davon mit. Bei einem weiteren Stopp blieb nur noch Zeit für ein paar Fotos, und dann mussten sie von ihrem kurzen, nicht einmal zwei Kilometer weiten Trip wieder umkehren. Scott musste nämlich noch zwei Dinge erledigen: mit einer extra mitgebrachten Stempel-Garnitur der US-Post einen Briefumschlag mit zwei Marken entwerten, sowie ein kleines Experiment vor der Kamera ausführen, das zu einer der ikonischsten Szenen des Mondlandeprogramms werden sollte:
Nun, in meiner linken Hand habe ich eine Feder, in meiner rechten Hand einen Hammer. Und ich glaube, einer der Gründe, warum wir heute hier sind, ist ein Herr namens Galileo, der vor langer Zeit eine ziemlich bedeutende Entdeckung über fallende Objekte in Gravitationsfeldern gemacht hat. Und wir dachten, wo wäre ein geeigneterer Ort als der Mond, um seine Erkenntnisse zu überprüfen? Und so dachten wir, wir versuchen es hier für euch. Die Feder ist, wie es sich gehört, eine Falkenfeder, stellvertretend für unseren Falken. Ich lasse die beiden jetzt fallen und hoffe, dass sie gleichzeitig auf dem Boden ankommen.
Hammer und Feder fallen und landen mangels einer Atmosphäre, die die Feder hätte bremsen können, nebeneinander auf dem Boden.
Na, wie war das? Was beweist, dass Herr Galileo mit seinen Erkenntnissen richtig lag.
Die in einer Diskussionsrunde des Astronautenteams geborene Idee zu dem Experiment stammte übrigens vom Capcom Joseph Allen, einem Astronauten, der erst viel später in der Space-Shuttle-Ära zu seinen 3 Raumflügen kam.
Danach fuhr Scott den Rover ein Stück weg von der Landefähre und brachte die Kamera in Position, um den Rückstart der Aufstiegsstufe der Mondlandefähre von der Erde aus filmen zu lassen. Dabei hinterließ er ohne Wissen der Bodenstation eine kleine Astronauten-Statuette aus Aluminium und eine metallene Gedenktafel mit den zu diesem Zeitpunkt öffentlich bekannten 14 verstorbenen Raumfahrern beider Raumfahrtnationen auf dem Mondboden, sowie eine Bibel auf dem Rover. Die Existenz der Skulptur, bis heute der einzige Kunstgegenstand auf dem Mond, verkündete Scott nach der Landung auf einer Pressekonferenz. Das National Air and Space Museum verlangte daraufhin, dass der belgische Künstler Paul Van Hoeydonck ein Replikat anfertigen sollte, dass der Öffentlichkeit zugänglich ausgestellt werden sollte. Van Hoeydonck stellte schließlich sogar 1903 nummerierte Repliken her.
Am 2. August um 18:11 MEZ startete der Falcon nach 66 Stunden und 55 Minuten auf der Mondoberfläche zurück in die Mondumlaufbahn, um dort mit der Endeavour zu docken, in der Worden unterdessen mit dem Science Instrumentation Module (SIM) zahlreiche Beobachtungen und Messungen angestellt hatte, unter anderem mit einem Laser-Entfernungsmesser, Gammastrahlen-Spektrometer, einer Röntgenkamera und optischen Kameras, die teilweise der Spionagetechnik entstammten. Das Andocken machte keine Probleme, nur das Abdocken des leeren Falcon, weil es zunächst nicht gelang, die Luke luftdicht zu schließen. 3½ Stunden nach dem Ausladen der Fracht konnte der Falcon schließlich abgedockt werden und er schlug planmäßig 2 Stunden später auf der Mondoberfläche auf, was die Seismometer von Apollo 12, 14 und 15 registrierten.
Die Endeavour verblieb noch weitere 2 Tage für Beobachtungen im Mondorbit, wobei auch ein kleiner Satellit ausgesetzt wurde, der den Mond 1½ Jahre umkreisen sollte. Am 4. August um 22:22h begann dann der Rückmarsch zur Erde.
Auf dem Rückflug gab es am 5. August ein weiteres Novum des Apollo-Programms: Worden führte 317.000 km von der Erde entfernt eine “Deep Space EVA” durch, einen Ausstieg aus der Apollo-Kapsel, um Filmkassetten der Kameras aus dem SIM zu holen. Auch bei Apollo 16 und 17 sollte es solche EVAs im freien Weltraum geben, bis heute die einzigen ihrer Art.
Am 6. August konnten die Astronauten sogar eine Mondfinsternis beobachten und fotografieren. Der Anblick der Erde während der Finsternis vom Mond aus wäre sicherlich spektakulär gewesen, aber da die Finsternis etwa am Mondmittag bei der höchsten Temperatur an der Hadley-Rille stattfand, wäre ein Aufenthalt zu dieser Zeit dort nicht möglich gewesen.
Am 7. August um 21:33h MEZ trat die Kapsel schließlich in die Erdatmosphäre ein. 9 Minuten später öffneten sich die Fallschirme, wobei es einen Schreckmoment gab, weil einer der drei Fallschirme kollabierte, anstatt sich zu öffnen. Jedoch reichten zwei Schirme aus, um die Kapsel sicher im Pazifik niedergehen zu lassen.
Die Mission war der bis dahin erfolgreichste Apollo-Flug und in jeder Hinsicht ein voller Erfolg. 77 kg Gestein, darunter die bis zu diesem Zeitpunkt bedeutendsten Proben mit dem Bohrkern und dem Genesis-Felsen. Es entstanden wunderbare Fotos und Videos. Dank der TV-Kamera auf dem Rover war der Fernsehzuschauer jederzeit als 3. Astronaut virtuell mit auf Exkursion, wodurch das öffentliche Interesse an den Mondlandungen wieder zunahm.
Dennoch bekam die Mission posthum einen bitteren Nachgeschmack. Neben dem außerhalb der Mondfähre entwerteten Briefumschlag führten die Astronauten 242 Briefumschläge in der Endeavour mit sich, die nicht auf die Mondoberfläche mitgenommen und erst nach der Landung auf dem Bergungsschiff USS Okinawa in dessen Poststelle abgestempelt worden waren.
Im Oktober 1971 traf dann eine Anfrage bei der NASA ein, ob ein zum Verkauf angebotener Umschlag authentisch sei, und dabei handelte es sich um keinen der offiziellen 243 Umschläge. So flog auf, dass die Crew 100 Briefumschläge des deutschen Briefmarkenherstellers Hermann Sieger (und 298 weitere auf eigene Faust) ohne Wissen und Zustimmung der NASA mit auf den Mond genommen hatten und sie zusammen mit dem genehmigten auf der USS Okinawa hatten abstempeln lassen. Für diesen “Gefallen” sollte jeder von ihnen von Sieger $7000 Schmiergeld in Form von Sparbüchern erhalten. Sie hatten dem Deal allerdings nur unter der Voraussetzung zugestimmt, dass die Umschläge ausschließlich privat weitergegeben und nicht etwa frei verkauft werden sollten. Genau das Letztere tat jedoch Sieger, der sie für 4850 DM das Stück zum Verkauf anbot. Zwar nahmen die Astronauten, als sie davon erfuhren, das Geld nicht an und forderten die nicht verkauften Umschläge zurück. Dennoch mahnte die NASA die drei Astronauten ab und entband sie von allen zukünftigen Missionen als aktive oder Backup-Crews (sie waren als Backup-Crew für Apollo 17 geplant gewesen). Zwar war es den Astronauten erlaubt, eine gewisse Menge an Privatgegenständen mitzunehmen. Nur dürften sie aus der Mission keinen ungenehmigten Profit schlagen. Damit war ihre aktive Astronauten-Karriere schlagartig beendet. Zivil- oder militärrechtlich belangt oder aus NASA-Diensten entlassen wurden sie indes nicht.
Scott wurde sogar noch Leiter des Dryden Flight Research Centers in Edwards. Worden wechselte nach Kalifornien ans Ames Forschungszentrum der NASA und wurde dort Bereichsleiter. Und Irwin verließ 1972 die NASA, wurde – stark beeindruckt von seinen Erlebnissen auf dem Mond – evangelikaler Prediger und suchte am Berg Ararat mehrfach (erfolglos) nach der Arche Noah.
Zum Ende der Mission wurde auch der 7-jährige Junge aus dem Krankenhaus entlassen. Die Mission wie auch die Blinddarmoperation haben einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen, der dafür sorgte, dass er sich für Naturwissenschaften begeisterte. Und über 10 Jahre kein Hähnchen mehr anrühren mochte…
Apollo-15-Galerie
Wie bei allen Apollo-Artikeln habe ich auch diesmal wieder eine Gallerie der schönsten Bilder zusammengestellt. Mit den Pfeilen oben links und rechts kann man blättern, ein Klick auf das Bild öffnet es in voller Größe in einem neuen Fenster.
Referenzen
- en.wikipedia.org, "Apollo 15"
- en.wikipedia.org, "Apollo 15 postal covers incident"
- en.wikipedia.org, "Apollo 15 operations on the Lunar surface"
- en.wikipedia.org, "Journey of Apollo 15 to the Moon"
- en.wikipedia.org, "David Scott"
- en.wikipedia.org, "James Irwin"
- en.wikipedia.org, "Alfred Worden"
- history.nasa.gov, "Apollo 15 Timeline"
- David Woods and Frank O'Brien, "Apollo 15 flight Journal", NASA History Division, 26. August 2020
- Eric M. Jones, "Apollo 15 Lunar Surface Journal", NASA History Division, 1995/2017
- Kipp Teague, "Apollo Image Gallery", The Project Apollo Archive, 2021
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-15, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Project Apollo Archive, Flickr
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