Heute vor genau 50 Jahren um Punkt 17 Uhr deutscher Zeit startete eine Saturn V von Rampe 39A am Kennedy Space Center: die Apollo-9-Mission hatte begonnen, eine der neben Apollo 7 & 10 weniger bekannten und dennoch immens wichtigen Flüge des Apollo-Programms. An Bord waren Kommandant James Alton McDivitt (damals 38 Jahre alt), Kommando-Modul-Pilot David Randolph Scott (36) und Mondlandefähren-Pilot Russell “Rusty” Louis Schweickart, (33). McDivitt und Scott waren schon mit Gemini 4 bzw. Gemini 8 im All gewesen, für Schweickart war es der erste Flug. An Bord hatte die Rakete neben dem schon bei Apollo 7 und 8 erfolgreich bemannt eingesetzten Apollo-Raumschiff (bestehend aus der Kapsel, im Fachjargon Kommando-Modul, und dem darunter befindlichen Service-Modul mit Antrieb und Energieversorgung) erstmals eine Mondlandefähre (Lunar Module, zu deutsch Lunarmodul oder Mondmodul).
Die Apollo-9-Mission
Neben dem neuen autarken Raumanzug A7L dessen Lebenserhaltungssystem im auf dem Rücken getragenen Tornister integriert war, sollte auf dem Flug nämlich hauptsächlich die Mondlandefähre erstmals im All getestet werden: Manövrierfähigkeit, Ab- und Andocken, Haupttriebwerk und Aufstiegstriebwerk – das kleinere Triebwerk der zweiten Stufe (Aufstiegsmodul) der Fähre, mit der die Astronauten vom Mond wieder zum Apollo-Raumschiff zurückkehren sollten, während die erste Stufe (Abstiegsmodul) auf dem Mond zurück bleiben würde.

Aufbau der Apollo-Mondlandefähre, bestehend aus dem unteren Abstiegsmodul (Descent Module) und dem darüber befindlichen Aufstiegsmodul (Ascent Module). Der Innenraum des Crew Compartment war klein und spartanisch ausgerüstet. Die ursprünglich geplanten Sitze und großen Panoramafenster waren gestrichen worden, um Gewicht zu sparen, das extrem teuer von der Erde zur Mondoberfläche und von dort wieder in den Mondorbit hätte transportiert werden müssen, man hätte dafür die ganze Saturn V neu designen müssen. Oberhalb der Leiter an einem der Standbeine befindet sich im Aufstiegsmodul die Ausstiegsluke (Ingress-Egress-Hatch). Bild: Wikimedia Commons, NASA Marshall Space Flight Center Collection, NASA-Standardlizenz.
Ursprünglich hätte die Landefähre schon bei Apollo 8 dabei sein sollen – ursprünglich hätte genau dieser Flug mit McDivitts Crew die Nummer 8 erhalten sollen und wäre nicht um den Mond geflogen. Auch Apollo 9 mit Frank Bormans Crew wäre nach der eigentlichen Planung noch nicht zum Mond geflogen, sondern nur weiter von der Erde weg. Als der Apollo-8-Flug mit McDivitts Mannschaft für Ende 1968 geplant wurde, meldete Grumman, der Hersteller des Lunarmoduls, jedoch Verzögerungen von 3 Monaten aufgrund technischer Probleme, und so musste kurzfristig umdisponiert worden. Die Sowjets drohten jederzeit eine Mondumkreisung durchzuführen und man wollte dem unbedingt zuvorkommen, indem man Apollo 8 nun ohne Mondlandefähre zum Mond sendete. Chefastronaut Deke Slayton nahm daraufhin die Kommandanten von Apollo 8 und 9, Frank Borman und James McDivitt, in Klausur und ließ sie untereinander ausmachen, wer mit seiner Besatzung (die fest zusammengehörig war, ebenso wie die jeweils zugeordnete Ersatzcrew) die Mondumkreisung und wer die Erprobung der Mondlandefähre durchführen wollte. Borman entschied sich für den Mond und McDivitt für die Mondlandefähre. Und so schrieben Borman, Lovell und Anders im Dezember 1968 Geschichte, während McDivitt, Scott und Schweickart heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind (genau wie Wally Shirra, Don Eisele und Walter Cunningham mit Apollo 7, dem ersten astronautischen Apollo-Flug in den Orbit zur Erprobung des Kommando- und Service-Moduls, der sogar mir hier durchgegangen ist …).
Die Apollo-9-Mission führte den folgenden Missionsplan durch:
- Start in den Orbit mit Brennschluss der dritten Stufe (S-IVB, die auch das Lunarmodul enthielt) nach 11 Minuten und 6 Sekunden.
- Abtrennung des Kommando- und Servicemoduls (Apollo-Raumschiff) nach 2 Stunden und 40 Minuten.
- Wenden des Apollo-Raumschiffs, das die Astronauten “Gumdrop” (Gummibonbon) zur gegenseitigen Funkansprache getauft hatten, und Andocken an die Mondlandefähre “Spider” nach 3 Stunden.
- Herausziehen der Mondlandefähre aus der S-IVB nach 4 Stunden – die S-IVB startete danach noch einmal ihr Triebwerk und wurde in eine Umlaufbahn um die Sonne geschossen, wo sie heute noch umher treibt.
- Zwischen der 6. Stunde und der 55. am dritten Missionstag 5 Tests der Manövierbarkeit des Apollo-Raumschiffs mit der angedockten Mondlandefähre, wobei sie von 239 km bis auf 500 km Apogäumshöhe (maximale Erdentfernung) aufstieg und dann wieder auf 239 km Apogäum herunter kam.
- Am dritten Tag (6. März) Öffnen der Luke der Mondlandefähre, Umsteigen von Kommandant und Lunarmodul-Pilot in die Fähre und Check aller Systeme.
- Am vierten Tag eine simultane “extravehikuläre Aktivität” (EVA), d.h. Außenbordeinsätze von Scott und Schweickart, wobei Scott aus der offenen Luke des Kommandomoduls Schweickart dabei filmte, wie er mit dem neuen Apollo-Raumanzug die Landefähre komplett verließ und dessen Lebenserhaltungssystem erprobte. Der Ausstieg von Schweickart dauerte einen vollen Erdorbit von rund 90 Minuten, um den Raumanzug sowohl unter Sonnenbestrahlung als auch in der Weltraumkälte des Erdschattens zu erproben. Eigentlich hätte er sogar mehr als 2 Stunden dauern sollen und man hätte erproben wollen, ob man notfalls über den Weltraum in das Kommandomodul hätte umsteigen können, aber Schweickart erlitt eine Attacke der Raumkrankheit, so dass der Außenbordeinsatz abgebrochen werden musste. Man wollte das Risiko vermeiden, dass er sich möglicherweise in den Raumanzug erbrach und danach nicht mehr hätte atmen können.
- Am fünften Tag stiegen dann Kommandant McDivitt und Lunarmodul-Pilot Schweickart in die Mondlandefähre um, dockten sie vom Kommandomodul ab und führten zunächst in der Nähe des Apollo-Mutterschiffs einige elementare Translations- und Rollmanöver durch, um zu erproben, wie zuverlässig sich die Fähre steuern ließ.
- Eine Stunde später starteten sie das Abstiegstriebwerk (Descent Propulsion System, DPS) der Landefähre für 18,6 Sekunden und ein weiteres Mal eine Stunde danach für 22,2 s, um den Abstieg auf den Mond zu simulieren (hierbei wurde allerdings die Umlaufbahn der Landefähre nicht abgesenkt, sondern um 18 km (10 nautische Meilen) angehoben und zirkularisiert). Es reichten für den Test nur kurze Brenndauern, weil man im Mondorbit aus nur knapp 100 km Höhe (60 Nautische Meilen) über der Oberfläche den Perilune (mondnächster Punkt der Bahn) lediglich um eben jene 100 km abzusenken brauchte, um die Bahn mit der Mondoberfläche kollidieren zu lassen. Der Test des längeren Bremsmanövers zur Verzögerung der Fähre bis zum Stillstand (damit man nicht auf dem Mond einschlug!) blieb der folgenden Mission Apollo 10 vorbehalten – direkt am Mond, wo sich dies am besten testen ließ.
- Die Landefähre entfernte sich daraufhin bis auf 179 km vom Apollo-Raumschiff. Eine halbe Stunde nach dem Zirkularisierungsmanöver wurde die Abstiegsstufe dann abgetrennt und mit dem Triebwerk der Aufstiegsstufe das Perigäum wieder um 10 nautische Meilen gesenkt. Mit zwei weiteren Manövern 45 Minuten und 105 Minuten danach wurde die Fähre dann endgültig wieder auf die Bahn und zuletzt in die Nähe des Apollo-Raumschiffs gebracht, wo sie nach insgesamt 6 Stunden und 37 Minuten des Getrenntseins wieder aneinander andockten. Es war das erste Mal, dass Menschen in einem Raumschiff unterwegs waren, mit dem sie nicht zur Erde hätten zurückkehren können. Im Falle eines Versagens eines der Triebwerke der Mondfähre hätte das Apollo-Raumschiff zum Lunarmodul hin fliegen müssen, um die beiden Insassen zu retten.
- Schließlich wurde die Aufstiegsstufe unbemannt abgetrennt und ihr Triebwerk 5 Minuten und 50 Sekunden lang bis zum Ausgehen des Treibstoffs ferngezündet gefeuert, und zwar auf einer Umlaufbahn um die Erde mit einem Apogäum in 6934 km Höhe mit einem Geschwindigkeitszuwachs von 1643,2 m/s – genug, um später von der Mondoberfläche in den niedrigen Orbit mit rund 1600 m/s Orbitalgeschwindigkeit aufzusteigen. Der erdnächste Punkt der Bahn lag weiterhin in nur 230 km Höhe, wo noch genug Atmosphäre vorhanden ist, dass ein Raumfahrzeug dort nicht unbegrenzt kreisen kann, so dass sie 1981 schließlich in der Erdatmosphäre verglühte (die im niedrigen Orbit verbliebene Abstiegsstufe stürzte hingegen schon nach wenigen Wochen ab).
- Vom sechsten bis neunten Missionstag wurden noch weitere Manöver mit dem Apollo-Raumschiff geflogen und viele Erdaufnahmen gemacht. Somit wurde die volle Missionsdauer eines Mondflugs mit mehrtägigem Aufenthalt auf der Mondoberfläche simuliert.
- Am zehnten Tag, dem 13. März, wurde dann, wegen schlechten Wetters im Landegebiet einen Orbit später als ursprünglich geplant, das Triebwerk des Service-Moduls zum Deorbit-Manöver gefeuert und die Kapsel von diesem getrennt. Das Kommandomodul wasserte eine halbe Stunde später um 18:00:54h MEZ im Atlantik östlich der Bahamas, wo die Crew und die Kapsel vom Zerstörer USS Guadalcanal geborgen wurde.
Bis auf den verkürzten Außenbordeinsatz von Schweickart, der aber die wichtigsten Ergebnisse über den Raumanzug erbrachte, waren alle geplanten Missionsziele voll erfüllt worden. Alle Systeme hatten sich bewährt und ihre Funktionsfähigkeit demonstriert. Damit war nun der Weg frei für Apollo-10, die Generalprobe für die Mondlandung im Mai 1969, über die ich zu gegebener Zeit berichten werde.
Was wurde aus den Astronauten?
McDivitt, der heute noch lebt, flog danach nicht mehr in den Weltraum sondern wurde zunächst Projektmanager für die Apollo-Landemissionen und redesignte mit seinem Team die Mondlandefähre. Von August 1969 bis Juni 1972 war der Brigadegeneral der US Air Force Programmmanager für Apollo 12 bis 16. Einen Programmdirektor-Job im Shuttle-Programm lehnte er ab und ging statt dessen in die Industrie, wo er zunächst Vizepräsident eines Gasversorgungsunternehmens wurde und später Leiter eines Unternehmens, das Eisenbahnwaggons baute.
Scott, der ebenfalls noch lebt, wurde der Ersatzcrew von Apollo 12 zugeteilt und flog als Kommandant von Apollo 15 auf die Mondoberfläche, wo er mit dem Mondauto Exkursionen fuhr. Später flog auf, dass er heimlich Briefmarken mit auf den Mond genommen hatte, die er verkaufen wollte, und fiel bei Slayton in Ungnade – er flog kein weiteres Mal in den Weltraum. Jedoch arbeitete er mit in der Vorbereitung des Apollo-Sojus-Projekts und wurde 1975 Direktor eines NASA-Forschungszentrums, wofür er seinen Militärdienst aufgab. 1977 gründete er eine eigene Beraterfirma, die für die NASA Aufträge im Rahmen des Shuttle-Programms durchführte.
Schweickart wurde wegen seiner Weltraumkrankheitsattacke keiner Mondmission mehr zugeteilt, sondern war Teil einer Skylab-Ersatzmannschaft, die selbst nie zum Einsatz kam. Er wechselte 1974 in eine Abteilung, die sich mit Erderkundungssatelliten für den landwirtschaftlichen Einsatz beschäftigte, bevor er 1977 zunächst Berater der kalifornischen Regierung wurde und 2 Jahre später in die Telekommunikationsindustrie wechselte. Auch Schweickart lebt noch als rüstiger Pensionär.
Das Apollo-9-Fotoalbum
Apollo 9 brachte 1373 Bilder aus dem Orbit zurück, von denen viele noch in den mittlerweile zum Teil online erreichbaren Archiven abrufbar sind. Ich habe 35 Bilder ausgesucht, die in der folgenden Fotostrecke zu bewundern sind; diesmal trotz meiner bescheidenen Programmierfähigkeiten und den noch bescheideneren Inkompatibilitäten der Scienceblogs-Plattform ordentlich durchzublättern und mit Doppelklick geht das Bild auch in voller Größe in einem eigenen Fenster auf (der Versuch, es im gleichen Fenster zu öffnen, warf einen leider beim Rückwärts-Button des Browsers jedesmal wieder auf das erste Bild zurück). Ich hoffe, die Bilder gefallen Euch. Unter den Bildern und in den Referenzen Links zu den Archiven, wo noch mehr davon liegt, allerdings meist Scans der Negative im fehlfarbenen matten Rohformat; die Bilder hier habe ich etwas aufgepeppt.
Referenzen
- en.wikipedia.org, "Apollo 9"
- de.wikipedia.org, "Apollo 9"
- en.wikipedia.org, "James Mc Divitt"
- en.wikipedia.org, "David Scott"
- en.wikipedia.org, "Rusty Schweickart"
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo-9, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo 9 Magazine 19/A, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo 9 Magazine 20/E, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo 9 Magazine 21/B, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo 9 Magazine 22/C, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo 9 Magazine 23/D, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Apollo 9 Magazine 24/F, Flickr
- NASA Lyndon B. Johnson Space Center, Gateway to Astronaut Photography of Earth, NASA International Space Station Program, Johnson Space Center Earth Science & Remote Sensing Unit, ARES Division, Exploration Integration Science Directorate
Kommentare (36)