Geht die Welt bald unter? Sollte das CERN in Genf nun doch kein Weltverschlingendes Schwarzes Loch erzeugen, dann kommt dafür 2036 ein großer Asteroid und zerstört die Erde. Zumindest bekommt man diesen Eindruck, wenn man dieser Tage in die Zeitungen schaut. Seit der 13jährige Schüler Nico Marquardt die “Berechnungen der NASA korrigiert hat” (wie man überall lesen kann obwohl es nicht stimmt) ist “Apophis der Killerasteroid” wieder mal präsent wie nie zuvor. Asteroiden (und gar mögliche Kollisionen!) sind immer ein gefundenes Fressen für die Medien – und leider auch immer Quelle vieler Missverständnisse und Fehler. Zeit, um mal ein paar klärende Worte zu sagen…
Wie ist das nun mit den Asteroiden und dem Weltuntergang? Zuerst muss man sich von den Bildern lösen, die über Film und Fernsehen vermittelt werden. “Armageddon” mit Bruce Willis mag zwar ein netter Film sein – astronomisch gesehen stimmt aber fast nichts, was man dort zu sehen kommt. Und so ist es leider auch mit vielen anderen Kinofilmen und Fernsehbeiträgen.
Das fängt schon bei der Entdeckung an, die meistens immer irgendwie so abläuft: ein Astronom schaut durch sein Teleskop und sieht anscheinend einen unbekannten Asteroid. Daraufhin fängt er wie wild am Computer zu tippen an und bekommt sofort eine komplette 3D-Animation der Bahn des Asteroiden die – höchst dramatisch – in einer Kollision mit der Erde endet. Die Wirklichkeit ist natürlich ganz anders.
Wie entdeckt man Asteroiden?
Einmal durchs Teleskop schauen reicht da auf jeden Fall mal nicht (mit freiem Auge sowieso nicht, da muss man schon digitale Aufnahmen machen). Die erdnahen Asteroiden (Near-Earth-Asteroids oder NEAs) befinden sich grob gesagt alle zwischen den Bahnen von Venus und Mars – und brauchen daher auch zwischen einem halben und zwei Jahren um sich einmal um die Sonne zu bewegen. Wenn man den Himmel beobachtet, ist so ein Asteroid daher auch nur ein sehr kleiner, schwach leuchtender Lichtpunkt, der sich nicht merklich bewegt. Macht man aber 2 (oder mehr) Aufnahmen zu verschiedenen Zeitpunkten (am besten in verschiedenen Nächten) dann kann man die Aufnahmen vergleichen und schauen, ob sich einer der vielen hellen Punkte darauf ein kleines bisschen bewegt hat.
Das Bild oben (aus Wikimedia Commons) zeigt, wie so etwas aussieht. Jetzt hat man vermutlich einen Asteroiden gefunden und muss natürlich noch schauen, ob er bis dahin noch nicht bekannt ist und falls ja, seine Bahn berechnen. Im Allgemeinen sind die Leute, die nach Asteroiden suchen und diejenigen, die die Bahn dann berechnen unterschiedliche Personen. Die Beobachter senden ihre Daten an das also z.B. an die NASA Minor Planet Center der Internationalen Astronomischen Union. Von dort erhalten NASA oder die NEODys-Gruppe in Pisa die Beobachtungswerte und probieren daraus eine vernünftige Bahn zu extrahieren. Das Problem dabei ist immer das selbe: man hat nur einen sehr kleinen Ausschnitt der kompletten Bahn zu Verfügung. Und wie bei jeder Beobachtung sind die Daten natürlich mit Fehlern behaftet. Aus dem kleinen, durch die Beobachtung bekannten Bahnausschnitt muss man nun die komplette Umlaufbahn extrapolieren – und macht dabei gezwungenermaßen Fehler. Man bekommt also keinen exakten Orbit sondern eher einen mehr oder weniger dicken “Schlauch” der alle möglichen Umlaufbahnen repräsentiert.
Um die Bahn exakter zu machen, braucht man mehr Beobachtungen. Bei den meisten Asteroiden ist das nicht so dringend – solange man eine Bahn hat, die gut genug bekannt ist, um den Asteroiden später wieder zu finden, reicht das völlig aus. Aber manchmal kommt es vor das dieser “Schlauch” die Bahn der Erde kreuzt und zwar zu einem Zeitpunkt der zu einer Kollision führen würde. Das bedeutet noch nicht das der Asteroid auch mit der Erde zusammenstoßen wird! Das bedeutet nur, dass einige der möglichen Bahnen des Asteroiden zu einer Kollision führen könnten. Wenn so ein Objekt gefunden wird, dann beobachten natürlich sehr schnell sehr viele Leute diesen Asteroid und die Menge an neuen Beobachtungsdaten führt dazu, dass die Bahn besser berechnet werden kann, der “Schlauch” dünner wird, die Kollisionswahrscheinlichkeit sinkt und im Allgemeinen eine Kollision ausgeschlossen werden kann.
Bei “Apophis“, der Asteroid, der laut den Zeitungen darauf aus ist, die Erde zu zerstören, war das ein bisschen anders. Hier ist die Kollisionswahrscheinlichkeit
nach den ersten Nachbeobachtungen gestiegen! Der höchste Wert, der im Laufe der Berechnungen aufgetaucht ist, lag aber trotzdem nur bei 2.7% Trotzdem hat die NASA im Februar 2005 mit dem Radioteleskop in Arecibo nochmal ganz genau nachgemessen und die Bahn soweit festgelegt um feststellen zu können, dass der Asteroid am 13. April 2029 in einer Entfernung von 29470 km an der Erde vorbeifliegen wird. Das ist astronomisch gesehen zwar (sehr) knapp – aber 30000 km sind nichts, wobei man sich Sorgen machen müsste.
Das hat aber (u.A.) die Bild-Zeitung knapp ein halbes Jahr später nicht davon abgehalten, wieder mal eine Weltuntergangsschlagzeile zu veröffentlichen (siehe Bild rechts, Bild-Zeitung vom 18. August 2005)
Aber was machen wir, wenn der Asteroid doch kommt?
Mit Atomraketen beschießen? Hinfliegen und á la Bruce Willis in die Luft sprengen? Das kommt zwar im Kino recht gut – aber in der Wirklichkeit hilft so etwas kaum. Die meisten Methoden, die man in Film und Fernsehen zu sehen bekommt, zielen darauf ab, den Asteroid zu zerstören. Aber wenn es nicht zufällig ein sehr kleiner Asteroid ist (vor dem wir dann sowieso wenig Angst haben bräuchten) dann wird sich der von ein paar kleinen Bomben nicht sonderlich beeindruckt zeigen. Und ein großer Asteroid bricht höchstens auseinander und wir haben nicht einen sondern mehrere Einschläge was die Sache auch nicht sonderlich besser macht. Außerdem lässt sich das Ergebnis so einer Explosion schwer vorhersagen, ohne genau zu wissen aus was der Asteroid besteht (und das weiß man im Allgemeinen nicht).
Viel besser und zielführender ist es, die Bahn des Asteroiden so zu ändern, dass er erst gar nicht mit der Erde kollidiert! Und wenn man das früh genug macht, reicht schon eine minimale Änderung um die Bahn entsprechend zu ändern. Um das zu machen gibt es auch schon verschiedene Pläne: man könnte beispielsweise ein großes Sonnensegel am Asteroid verankern. Oder ein Raketentriebwerk. Es gibt auch Vorschläge, den Strahlungsdruck der Sonne auszunutzen (die schwache Kraft, die durch das absorbierte und dann wieder emittierte/reflektierte Licht der Sonne entsteht). Wenn z.B. eine Hälfte des Asteroiden mit einer besonderen Farbe “bemalt” wird, könnte das seine Bahn minimal ändern. Es wurde sogar schon vorgeschlagen, einfach ein sehr massives Raumschiff (Raumsonde) in die Nähe des Asteroiden zu schicken. Die von diesem Raumschiff auf den Asteroiden ausgeübte Gravitationskraft wäre dann unter Umständen schon ausreichend, den Asteroid entsprechend abzulenken (Aber fürs Kino wäre das natürlich unpassend: Bruce Willis fliegt zum Asteroid und tut: nichts 😉 )
Das allerwichtigste ist also so früh wie möglich darüber Bescheid zu wissen, ob ein Asteroid eventuell mit der Erde kollidiert oder nicht. Ist das der Fall, dann haben wir vielleicht die Möglichkeit, etwas dagegen zu tun (Übrigens eine einzigartige Situation: Kollisionen mit Asteroiden sind die einzigen Naturkatastrophen bei denen der Mensch heute theoretisch die Möglichkeit hat, sie aktiv zu verhindern). Es ist daher nicht verwunderlich, dass es mittlerweile sehr viele großangelegte Beobachtungsprogramme gibt, die systematisch den Himmel nach noch unbekannten erdnahen Asteroiden absuchen. Aber auch sehr viele Amateurastronomen beschäftigen sich mit der Suche nach Asteroiden und leisten hier wichtige und unverzichtbare Arbeit!
Aber wie ist das nun mit Apophis, der NASA und dem 13jährigen Schüler?
Wie ich schon oben geschrieben habe, war Apophis der bisher “gefährlichste” Asteroid. Mit einer zwischenzeitlichen Kollisionswahrscheinlichkeit von 2.7% erreichte er die Stufe 4 der “Turiner Skala”. Das ist eine Skala, die Kollisionswahrscheinlichkeit und Zerstörungskraft eines Asteroiden berücksichtigt. Ein Wert von “4” gehört zur Klasse der “Ereignisse, die eine genaue Beobachtung von Astronomen erfordern” und entspricht einer “Annäherung, für die die Kollisionswahrscheinlichkeit über 1% liegt. Die Kollision würde regionale Zerstörung verursachen.” Also selbst bei einer tatsächlichen Kollision würde die Welt nicht untergehen. Die Astronomen haben dieses Ereignis genauer beobachtet und festgestellt, dass 2028 keine Gefahr besteht. Dementsprechend hat Apophis jetzt auch einen Wert von “0” auf der Turiner Skala (“Ereignisse, die höchstwahrscheinlich keine Konsequenzen haben”).
Aber 2036 bzw. 2037 kommt der Asteroid der Erde wieder sehr nahe. Und hier ist die Berechnung schon schwieriger. Erstmal deswegen, weil dieser Zeitpunkt weiter in der Zukunft liegt und die Fehler deswegen größer werden – und zweitens, weil die Gravitationskraft der Erde die Bahn des Asteroiden bei der nahen Begegnung im Jahr 2028 beeinflussen wird. Und wie genau diese Beeinflussung aussehen wird, lässt sich nur schwer vorhersagen. Bisherige Berechnungen gehen von einer Kollisionswahrscheinlichkeit von 0.0022% (1:45000) für das Jahr 2036 aus. Also wieder nichts, worum man sich allzu große Sorgen machen müsste. Sicherheitshalber plant die NASA aber trotzdem, den nahen Vorbeiflug im Jahr 2028 dafür zu nutzen, eine Raumsonde zu Apophis zu schicken um so die Bahn des Asteroiden exakt genug bestimmen und genau sagen zu können, was 2036 passieren wird (Es gibt sogar vage Pläne, eine bemannte Mission dorthin zu schicken: die Orion Asteroid Mission. Aber das glaube ich erst, wenn ich es sehe 😉 ).
Gestern ging nun die Meldung um die Welt, das ein 13jähriger Schüler aus Potsdam etwas herausgefunden hat, was die NASA bisher übersah und eine neue Kollisionswahrscheinlichkeit berechnet hat die mit 1:450 deutlich höher war als bisher. Und die NASA hatte ihm angeblich sogar recht gegeben! (Für einen Überblick dazu verweise ich auf den Neurons-Beitrag hier bei ScienceBlogs). Das erste Missverständnis in den Medien war die Sache mit der Kollisionswahrscheinlichkeit. Das, was der Schüler (Nico Marquardt) anscheinend getan hat, war die Satelliten zu berücksichtigen, die um die Erde kreisen. Auch wenn der Asteroid vielleicht nicht der Erde nahe kommt; einige Satelliten wären eventuell in seiner Reichweite. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Apophis 2028 mit einem Satelliten kollidiert, hat Nico nun mit 1:450 berechnet. Die Schlussfolgerung daraus: die minimale Bahnänderung, die der Asteroid durch die Kollision erfährt könnte dazu führen, dass er 2036 eben doch mit der Erde kollidiert. Für diese Arbeit bekam er sogar einen Sonderpreis beim Bundeswettbewerb von “Jugend forscht”. Allerdings hat die Sache mehrere Haken. Erstmal ist fraglich, ob der Satellit überhaupt irgendeinen relevanten Einfluss auf den (immerhin 300 Meter großen) Asteroid hat. Uns selbst wenn, dann könnte er dadurch auch auf eine Bahn gelenkt werden, die noch weiter an der Erde vorbei führt als die ursprüngliche. Wie genau Nico auf den Wert von 1:450 gekommen ist, weiß ich leider noch nicht. Aber auch da kann irgendwas nicht stimmen. Daniel Fischer hat Don Yeomans (bei der NASA zuständig für die erdnahen Asteroiden) nach der ganzen Geschichte gefragt und folgende Antwort bekommen:
“We have not corresponded with this young man and this story is absurd, a hoax or both. During its 2029 Earth close approach, Apophis will approach the Earth to about 38,900 km, well inside the geosynchronous distance at 42,240 km. However, the asteroid will cross the equatorial belt at a distance of 51,000 km – well outside the geosynchronous distance. Since the uncertainty on Apophis’ position during the Earth close approach is about 1500 km, Apophis cannot approach an Earth satellite”
Es gab also keine Gespräche zwischen der NASA und dem Schüler und es besteht auch keine Möglichkeit, das der Asteroid mit einem Satelliten kollidiert. Auch Frank Spahn, Astronom an der Uni Potsdam der Nico bei einigen astronomischen Fragen geholfen hatte, wurde von den Medien äußerst falsch zitiert. Als er von N24 interviewt wurde, hat er darauf hingewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit so einer Kollision sehr gering ist und das die NASA-Berechnungen nicht korrigiet wurden. Aber der N24-Bericht hatte das dann unterschlagen und titelt mit “Teenager übertrumpft NASA” (mehr zu der ganzen Geschichte findet sich in Daniel Fischers Blog).
Hier ist wohl einiges schief gelaufen… Medien, die sich gleich auf die Weltuntergangsschlagezeile und die “Blamage” der NASA stürzen, ohne nachzufragen und ein interessierter Schüler, der vielleicht schlecht beraten wurde. Trotzdem ist das Engagement von Nico zu bewundern: nicht jeder 13jährige beschäftigt sich mit diesen Themen und ist vor allem fähig, sich sinnvoll damit auseinanderzusetzen! Auch wenn nun nicht alles so gelaufen ist, wie geplant bleibt zu hoffen, das Nico sich weiterhin mit Astronomie beschäftigt und sich seinen Wunsch, Astrophysiker zu werden, erfüllt!
Was Apophis angeht, können wir uns erstmal in Ruhe zurücklehnen und auf ein paar astronomisch sehr interessante Ergebnisse in 20 Jahre warten. Das bedeutet aber nicht, das niemals ein Asteroid mit der Erde kollidieren wird! (Aber dazu mehr in einem zukünftigen Beitrag)
Kommentare (44)