Viele, viele Monde!
In den sechzigern Jahren spekulierte Thomas Gold, dass die Erde früher vielleicht viel mehr Monde gehabt hatte. Für einen Himmelskörper ist es viel einfacher, kleinere Objekte einzufangen als große. Wenn die frühe Erde also früher vielleicht mehrere kleine Himmelskörper als Monde eingefangen hätte, dann hätten die im Laufe der Zeit miteinander kollidieren können und einen großen Mond bilden können. Dann stellt sich aber die Frage, warum nur die Erde so einen großen Mond hat? Warum ist dieser Prozess nicht bei anderen Planeten genauso abgelaufen – beispielsweise bei der Venus die der Erde in Größe und Zusammensetzung sehr ähnlich ist? Auch die chemische Zusammensetzung des Mondes lässt sich mit dieser Theorie nicht wirklich erklären.
Der große Knall
Nach so vielen Theorien die alle nicht funktionieren wird es langsam mal Zeit für eine die funktioniert. Das geschah 1975: da veröffentlichten William Hartmann und Donald Davis den Artikel “Satellite-Sized Planetesimals and Lunar Origins” in der Fachzeitschrift Icarus (Band 24, Seite 504). In diesem Artikel stellten sie die Hypothese auf, dass die frühe Erde mit einem anderen Protoplaneten kollidierte. Zu der Zeit, als die Planeten in unserem Sonnensystem entstanden, kann es nämlich durchaus noch mehr große Himmelskörper gegeben haben als jetzt. Damals war das Sonnensystem voll von Planetesimalen – manche sehr groß, viele sehr klein. Kollisionen waren an der Tagesordnung und führten dazu, dass sich aus den Planetesimalen die heutigen Planeten zusammensetzten. Viele dieser Planetesimale wurden durch die nahen Begegnungen auch aus dem Sonnensystem geschleudert oder stürzten in die Sonne. Und eines dieser Planetesimale – etwa so groß wie der Mars – soll mit der Proto-Erde zusammengestoßen sein. Heute hat man diesem Objekt den Namen Theia (nach der Mutter der Mondgöttin Selene) gegeben.
Diese Kollision erfolgte nicht frontal sondern streifend – dabei wurde viel Material aus dem Erdmantel und dem Mantel von Theia weggeschleudert und sammelte sich in einer Umlaufbahn um die Erde. Innerhalb sehr kurzer Zeit bildete sich aus diesem Material ein Proto-Mond der im Laufe der nächsten etwa zehntausend Jahre das restliche Material einsammelte und zu seiner heutigen Größe anwuchs. Der Mond war zu dieser Zeit noch sehr viel näher an der Erde (der Abstand betrug nicht knapp 400000 km wie heute sondern nur etwa 60000 km). Die Gezeitenkräfte waren deswegen auch enorm stark und die daraus resultierende Gezeitenreibung bremste die Rotation von Erde und Mond um ihren gemeinsamen Schwerpunkt schnell ab und beide entfernten sich voneinander.
Das ist die Theorie, die heute als die wahrscheinlichste angesehen wird. Es hat zwar einige Zeit gedauert, bis sie sich durchgesetzt hat (der Umschwung kam erst 1984 bei einer Konferenz in Hawaii). Die Theorie erklärt, warum das Material des Mondgesteins so sehr dem des Erdmantels ähnelt – denn nach dieser Theorie besteht der Mond zu einem großen Teil eben genau aus dem Material des Erdmantels! Die Theorie erklärt auch die geringe Dichte des Mondes – da der Mond fast nur aus Mantelmaterial besteht muss seine mittlere Dichte geringer sein als die der Erde die ja im inneren einen großen Kern aus Eisen hat. Viele Details müssen zwar noch geklärt werden (Kollisionen dieser Art lassen sich auch heute noch nicht so einfach am Computer simulieren und viele Fragen bezüglich des genauen Ablaufs der Kollision sind noch ungeklärt) – aber im Gegensatz zu allen anderen Theorien gibt es hier zumindest keine groben Widersprüche zu den Beobachtungsdaten!
Um endgültige Gewissheit zu bekommen braucht man mehr Daten! Man müsste auf dem Mond – so wie auf der Erde – geologische Untersuchungen und Bohrungen durchführen. Dazu muss man natürlich wieder Menschen auf den Mond bringen. ESA und NASA planen das – aber wann genau es so weit sein wird, ist noch absolut ungewiss.
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