ÜbermorgenBald Am 10. September wird der Large Hadron Collider (LHC) am europäischen Kernforschungszentrum (CERN) in Betrieb genommen. Es gab wohl selten eine Maschine die soviel Aufsehen erregt hat und über die soviel falsche Vorstellungen in Umlauf sind:
Es werden schwarze Löcher entstehen die die Welt verschlingen behaupten manche. Die Wissenschaftler wissen überhaupt nicht, was sie tun und spielen leichtfertig mit dem Leben der Menschheit meinen andere. (Und manche Leute behaupten sogar, dass alles sei eine riesige Verschwörung um satanische Ausserirdische auf die Erde zu locken).
Der Large Hadron Collider ist erstmal “nur” ein Teilchenbeschleuniger. Allerdings der größte und stärkste der bisher gebaut wurde. Damit sollen Protonen so schnell wie nie zuvor beschleunigt und zur Kollision gebracht werden. Aus diesen Versuchen erhoffen sich die Teilchenphysiker wichtige Erkenntnisse über die grundlegenden Bausteine unseres Universums. Man hofft auf die Entdeckung des sg. “Higgs-Bosons” – eines der letzten noch nicht gefundenen Elementarteilchens des Standardmodells (das Bild rechts zeigt eine simulierte Kollision bei der ein Higgs-Teilchen entsteht). Auch andere Theorien – wie z.B. die Supersymmetrie – hofft man am LHC experimentell bestätigen (oder widerlegen zu können). Eventuell kann man am LHC erstmals dunkle Materie nachweisen. Und vielleicht wird es sogar erstmals möglich sein, zu bestätigen dass unser Universum eigentlich mehr als nur 4 Dimensionen hat! Übrigens ist es kein Ziel der Forschung am LHC, schwarze Löcher zu erzeugen, wie an vielen Stellen behauptet wird.
Es gibt also genug Gründe sich über die baldige Aktivierung des LHC zu freuen. Viele Menschen haben allerdings Angst davor – was auf die teils absurde Panikmache vor einem eventuellen Weltuntergang zurückzuführen ist die seit Monaten im Internet und den Medien stattfindet. In Deutschland ist hier vor allem Professor Otto Rössler von der Universität Tübingen verantwortlich.
Rössler kritisiert die Inbetriebnahme des LHC schon seit langen und meint, eine neue Interpretation von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie gefunden zu haben. Laut dieser Theorie könnten schwarze Löcher die am LHC entstehen die Erde innerhalb der nächsten 50 Jahre komplett verschlingen. So eine sensationelle Behauptung macht natürlich schnell die Runde – und gerade Leute die wenig Ahnung von Wissenschaft haben fällt es hier schwer zu entscheiden, wer Recht hat. Und die (leider) vielen technik- und wissenschaftsfeindlichen Menschen in aller Welt springen auf solche Äußerungen natürlich schnell an und verbreiten sie weiter.
Hier bei ScienceBlogs wurde schon öfter über dieses Thema geschrieben (Hier, hier oder hier) Und jedem, der sich einigermassen vernünftig mit dieser Problematik auseinandersetzt sollte eigentlich mittlerweile klar sein, dass vom LHC keine Gefahr ausgeht.
Vergangene Woche hat sich aber auch noch das Komitee für ElementarTeilchenphysik (KET) (der Zusammenschluß und die offizielle Vertretung aller deutschen Teilchenphysiker) zu Wort gemeldet und ausführlich zu Rössler Theorien Stellung genommen.
Professor Rössler selbst ist übrigens kein Physiker – sondern Chemiker. Also wundert es auch nicht, wenn sich seine Interpretation der Relativitätstheorie als fehlerhaft herausstellt:
Nach
Stellungnahmen von internationalen Experten auf dem Gebiet von Albert
Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, wie Prof. Dr. Hermann
Nicolai, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in
Potsdam, beruhen Rösslers Behauptungen auf grundlegenden
Missverständnissen seinerseits der Einsteinschen Theorie. Rössler
benutzt zwar Formeln der Allgemeinen Relativitätstheorie, aber wendet
sie so an, dass sie im Widerspruch zu experimentellen Ergebnissen
stehen. Zum Teil sind seine Interpretationen schon 1915 experimentell
widerlegt worden.
Ein detaillierte Stellungnahme von Professor Nicolai zu Rösslers Theorie findet sich hier.
Auch wenn der äußerst unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass im LHC Schwarze Löcher entstehen stellen diese keine Gefahr dar, versichert das KET:
Die
Schwarzen Löcher am LHC, über die spekuliert wird, unterscheiden sich
in wesentlichen Punkten von den kosmischen Schwarzen Löchern. Letztere
sind mindestens mehrere Sonnenmassen schwer, die Schwarzen Löcher am
LHC hingegen wären leichter als ein Milliardstel eines Milliardstel
Gramms. Aus den Grundlagen der heutigen Physik hat Stephen Hawking
gefolgert, dass diese Mini-Schwarzen-Löcher innerhalb kürzester Zeit
zerstrahlen sollten (Hawking-Strahlung). Rössler negiert dies und folgert aus seinem falschen Verständnis der
Allgemeinen Relativitätstheorie, dass die Hawking-Strahlung nicht
existiert. Damit widerspricht er sich allerdings selber, denn aus
seinen Annahmen folgt auch, dass überhaupt keine Schwarzen Löcher
produziert werden können.
Die Hawking-Strahlung wurde zwar noch nicht konkret nachgewiesen. Wir wissen aber trotzdem dass wir vor eventuellen Mini-Schwarzen-Löchern keine Angst zu haben brauchen:
Um
ein mögliches Gefährdungspotenzial des LHC abzuschätzen, gehen
unabhängige Untersuchungen aber noch weiter und vermeiden selbst gut
fundierte theoretische Annahmen, für die es keinen experimentellen
Nachweis gibt, wie z.B. die Hawking Strahlung. Stattdessen besagen sie,
dass die Prozesse am LHC sich milliardenfach im Weltall abspielen. Wir
wissen z.B., dass in jeder Sekunde ungefähr 100000 Protonen der
LHC-Energie (und höher) als Teil der natürlichen kosmischen Strahlung
auf die Erde einfallen und theoretisch Mini-Schwarze-Löcher produzieren
könnten. Wären diese Mini-Schwarzen-Löcher gefährlich, würde die Erde
eventuell gar nicht mehr existieren. Viel öfter trifft die kosmische
Strahlung auf die Sonne und andere größere Himmelskörper. Aus den
kosmischen Beobachtungen folgt, dass von den eventuell am LHC
produzierten Schwarzen Löchern keine Gefahr ausgeht. Zu diesen allgemeinen Untersuchungen vermeidet Rössler eine Stellungnahme.
Die Stellungnahme des KET stellt also (genauso wie der Sicherheitsbericht der LHC Safety Assessment Group) eindeutig klar, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen. Am CERN wird nichts passieren – außer dem einen oder anderen wissenschaftlichen Durchbruch!
Ich selbst finde es immer wieder erstaunlich wie bestimmte Menschen auf wissenschaftliche Forschung und Fortschritt reagieren. Mit dem LHC ist die Menschheit in der Lage wirklich fundamentale Fragen nach der Struktur und dem Aufbau von Allem zu beantworten. Das ist eine gewaltige Chance, unser Wissen über das Universum in dem wir leben zu erweitern. Aber viele Menschen scheinen anstatt dieser enormen Möglichkeiten lieber irreale Gefahren zu sehen. Ich kann daher nur nochmal den Schlußsatz der KET-Stellungnahme widerholen:
Die Behauptungen von Professor Rössler halten einer genauen
Untersuchung nicht stand und beruhen auf falschen, widerlegten
Annahmen. Falls die spekulativen Mini-Schwarzen-Löcher am LHC
produziert werden, bedeuten sie auf keinen Fall eine Gefährdung unserer
Existenz. Dieses Ergebnis wird nicht nur durch die äußerst gut
getesteten physikalischen Theorien unterstützt, sondern durch simple
kosmische Beobachtungen. Vielmehr können wir durch den LHC einen großen
Schritt in der Erkenntnis erwarten, wie die Natur aufgebaut ist und wie
sich das Universum entwickelt hat.
Ich wünsche dem LHC jedenfalls viel Erfolg und einen guten Start!
(Übrigens: wer immer noch Angst haben sollte: die ersten Teilchenkollisionen werden erst in ein paar Monaten stattfinden. Zunächst wird die Anlage nur ganz allgemein eingeschaltet. Nachtrag: Am 10. September soll das erste Mal ein Teilchenstrahl durchs LHC rasen; in den Wochen danach wird die erste Teilchenkollision stattfinden).
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