In einem Homöopathie-Blog von Psychophysik (“dem Online-Magazin für Bewusstsein und bewusst sein”) habe ich gestern einen selten absurden Artikel gelesen. Unter dem Titel “Placebokontrollierte homöopathische Arzneimittelprüfung – sinnvoll oder sogar eine Notwendigkeit?” begründet Jürgen Hofäcker, warum es keinen Sinn macht, placebokontrollierte Studien bei der homöopathischen Arzneimittelprüfung zu verwenden – und die Begründung dafür ist wirklich abenteuerlich.
Arzneimittelprüfungen
Es geht hier nicht darum, mit einer Vergleichsstudie zwischen Placebos und homöopathischen Mitteln herauszufinden ob Homöopathie wirkt oder nicht. Das wurde schon oft genug getan und man hat festgestellt, dass Homöopathische Mittel nicht besser wirken als ein Placebo. Es geht hier um eine sogenannte “Arzneimittelprüfung”. Das ist ein Verfahren, mit dem die Homöopathen bestimmen ob und gegen was ein bestimmtes homöopathisches Mittel wirkt (ein bisschen darüber habe ich schon hier geschrieben).
Normalerweise würde man ja erwarten, dass hier getestet wird, ob man mit bestimmten Mitteln kranke Menschen gesund machen kann und falls ja, ob dieses Mittel besser wirkt als ein Placebo. In der echten Medizin nennt sich sowas doppel-blinde randomisierte Studie bzw. randomisierte, kontrollierte Studie und funktioniert hervorragend. Homöopathen gehen anders vor. Will man herausfinden ob es wirkt (und wie es wirkt) wird das Mittel gesunden Menschen verabreicht. Diese Leute führen dann über Tage/Wochen/Monate hinweg ein “Tagebuch” in dem sie alles aufschreiben was in ihrem Kopf oder Körper so vorgeht. Anhand des fundamentalen Grundsatzes der Homöopathie das Gleiches durch Gleiches geheilt wird, bestimmt der Homöopath das zukünftige Einsatzgebiet des Mittels: berichtet eine Testperson von Kopfschmerzen, dann kann das Mittel gegen Kopfschmerzen angewendet werden; ist eine Testperson nervös, dann verwendet man die Substanz gegen Nervosität – usw. In die Logbücher kommen hierbei nicht nur konkrete physische Reaktionen sondern auch diverseste Gedanken und psychische Reaktionen – bis hin zum Inhalt der Träume der Testpersonen.
Es ist also absolut nicht verwunderlich, wenn in der Homöopathie so gut wie jede nur vorstellbare Substanz gegen irgendetwas wirkt. Man muss sich nur überlegen, was in einem normalen Körper Tag für Tag vorgeht. Mal juckt es hier oder da, dann grummelt es vielleicht ein bisschen im Bauch, man muss niesen oder husten, usw. Das gleiche gilt für die verschiedensten psychischen Zustände die wir im Laufe eines Tages erleben: Anspannung, Nervosität, Langeweile, Freude, etc. Normalerweise registrieren wir das alles gar nicht so weil wir uns an die meisten Vorgänge in Körper und Geist schon gewöhnt haben. Hinzu kommen dann noch vielleicht ein paar “echte” körperliche Gebrechen; ausgelöst durch eine Unzahl an möglichen Gründen: Sodbrennen, Muskelkater, Kopfschmerzen, etc. Wer also seinen Körper und seinen Geist über Tage und Wochen hinweg aufmerksam beobachtet und alles aufschreibt, was so passiert wird zwangsläufig eine Menge Material bekommen – egal ob man vorher ein homöopathisches Mittel genommen hat oder nicht.
Wozu braucht man placebokontrollierte Studien?
Deswegen wäre es eigentlich wichtig, so eine Arzneimittelprüfung verblindet und placebokontrolliert durchzuführen. Das bedeutet folgendes: Nicht alle Testpersonen bekommen das zu untersuchende homöopathische Präparat – einige von ihnen kriegen nur ein Placebo (wir gehen mal einen Moment davon aus, das Homöopathie kein Placebo ist), Die Testpersonen dürfen aber nicht wissen, welches Mittel sie bekommen haben (“verblindet”). Das ist wichtig um diverse psychologische Effekte ausschließen zu können. Wenn ich weiß, das mein Mittel “echt” ist und das ich also eigentlich irgendwelche Dinge spüren sollte, dann neigt man dazu, sich Sachen vorzustellen wenn sie nicht von selbst auftreten.
Wenn das homöopathische Mittel einen tatsächlichen Einfluss hat, dann dürften natürlich auch nur diejenigen Testpersonen entsprechende Effekte bemerken, die kein Placebo bekommen haben. Mit dieser Methode (die nicht umsonst absoluter Standard in der echten Medizin ist) könnte man also sehr schnell feststellen, ob ein homöopathisches Präparat tatsächlich irgendwas bewirkt oder nicht. Warum machen die Homöopathen das dann also nicht?
Nun ja: dann würden sie merken, dass homöopathische Mittel eben absolut keine Wirkung haben. Aber so wird das ein Homöopath natürlich nicht formulieren. Welche Selbsttäuschung hat man sich also zur Rechtfertigung ausgedacht?
Es geht doch auch ohne, oder?
Zuerst wird im Artikel von Hofäcker mal behauptet, dass die aktuelle Methode sowieso ausreichend gut sei – auch weil sie der Methodik der echten Wissenschaft nachgebildet wird. Aus den Aufzeichnungen der Arzneimitteltester erstellt der Prüfungsleiter ein sg. Primärprotokoll. Danach werden die Patienten entsprechend behandelt und man schaut nach, ob das Primärprotokoll Sinn macht oder nicht und korrigiert das entsprechend. Mit diesem sekundären Protokoll behandelt man dann aufs neue – usw. Hofäcker ist überzeugt
“[…] dass wir davon ausgehen dürfen, dass die Homöopathen sich nach über
zweihundert Jahren der praktischen Verifizierung, insbesondere im
Bereich der häufig verwendenden Arzneimittel, aus einem von Fehler
bereinigten und durch die praktische Erfahrung ergänztes soliden
Arzneimittelfundus bedienen.”
Hmm – “Ich gehe davon aus” ist leider nicht wirklich ein gültiges wissenschaftliches Argument. Wenn man keine vernünftige Studie macht, dann kann man eben <i>nicht</i> einfach davon ausgehen. Es ist ja auch nicht so, dass ein bestimmtes homöopathisches Präparat nur bei einem oder zumindest sehr wenigen Symptomen eingesetzt wird. Wenn das dann wieder und wieder nicht funktioniert wäre die Sache klar. Aber wenn man sich die offiziellen Beschreibungen homöopathischer Mittel (“Materia Medica“) ansieht, dann schaut das ganz anders aus. Als Beispiel hab ich ihr den entsprechenden Eintrag für Aluminium verlinkt: zunehmende Verwirrung der Gedanken, Kopfschmerzen im Hinterkopf, Haarausfall, trockene Augen, Ohrgeräusche, Spannung der Gesichtshaut, trockene Lippen, Heiserkeit, Husten, häufiger Harndrang, nächtliche Erektionen, Rückenschmerzen, Schläfrigkeit, Träume von Geister: das und noch viel, viel mehr hat man im entsprechenden Protokoll aufgezeichnet. Bei diesem Wirrwarr an Symptomen ist eine Arzneimittelprüfung ohne Placebokontrolle ein reines Glücksspiel!
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wirken homöopathische Mittel nicht anders als ein Placebo. Durch die Potenzierung (also das wiederholte Verdünnen des Ausgangsstoffes mit Wasser) ist ja auch kein einziges Molekül des ursprünglichen Mittels mehr im Lösungsmittel vorhanden und man nimmt nur Wasser/Alkohol bzw. Milchzucker ein. Und wie ich oben schon ausgeführt habe, ist es absolut nicht verwunderlich, wenn man bei einer Arzneimittelprüfung die gleiche Vielfalt an “Symptomen” erhält wenn man an die Testpersonen nur ein Placebo verteilt. Auch die “Feedback-Schleife” die angeblich die Qualität der Arzneimittelprüfung sicherstellen soll, funktioniert so nicht wirklich. Wenn die Patienten (und Prüfer) nicht verblindet sind, dann kann man absolut nicht garantieren, dass man vernünftige Ergebnisse kriegt. Der Homöopath weiß, gegen was das Mittel angeblich wirken soll; der Patient weiß was er bekommt und welche Effekte auftreten sollten. Beide glauben wahrscheinlich auch noch fest an die Wirksamkeit der Homöopathie und dann ist es nicht verwunderlich wenn sich die gewünschten Ergebnisse auch einstellen.
Dieses System ist also höchst mangelhaft (da hilft auch die bunte Grafik im Artikel von Herrn Hofäcker nichts die es mit der wissenschaftlichen Methodik vergleicht).
Im Artikel folgt als nächstes ein historischer Überblick über Hahnemann und Placebos. 1835 fand anscheinend schon mal eine placebokontrollierte Arzneimittelprüfung statt:
“Dies wird von dem Medizinhistoriker Prof. Robert Jütte
als die erste Doppelblindstudie der Medizingeschichte betrachtet. Das Ergebnis war für die Homöopathie negativ,
das bedeutet, es konnte keine spezifische Wirkung in dem Versuch
extrahiert werden. Jedoch standen ein großer Teil der Teilnehmer der
Homöopathie negativ gegenüber, so dass von dieser Seite von einem Bias auszugehen ist.”
Hier zeigen sich ein paar Wissenslücken des Autors zum Thema “Doppelblindstudien”. Wenn bei dieser Untersuchung wirklich die Teilnehmer und die Prüfer verblindet waren und auch sonst alle Kritieren einer verläßlichen Studie eingehalten wurden, dann sollte die Einstellung der Teilnehmer keine Rolle spielen. Dieses Ergebnis spiegelt jedenfalls genau das wieder, was zu erwarten war: bei einer placebokontrollierten Arzneimittelprüfung zeigt sich die Wirkungslosigkeit der Homöopathie.
Die geheimnisvollen Quanten
Aber dann wirds richtig mysteriös:
“Im Jahre 1997 teilte mir ein Kollege mit, dass er im Rahmen einer
Homöopathieausbildung eine placebokontrollierte HAMP mit einer wohl
bekannten homöopathischen Arznei durchgeführt hatte. Dabei tauchten
Verumsymptome in der Placebogruppe auf.”
Also die Testpersonen, die nur das Placebo bekommen hatten, zeigten die Symptome, die eigentlich zu erwarten gewesen wären, hätten sie das homöopathische Mittel bekommen! Wie lässt sich das erklären? Eigentlich recht einfach: wenn die Studie nicht korrekt verblindet war und es sich um eine “bekannte homöopathische Arznei” handelte, dann wussten wohl alle bzw. viele Teilnehmer, welche Symptome zu erwarten waren. Es ist also auch nicht verwunderlich, wenn die Testpersonen dann auch diese Symptome aufzeichnen – egal ob sie ein Placebo bekommen haben oder nicht.
Die Erklärung der Homöopathen für diesen Effekt ist allerdings aufregend:
Im Jahre 2005 machte Walach bei der Erläuterung seines theoretischen Modells für die Wirkungsweise der Homöopathie den Hinweis, dass es laut der generalisierten Quantentheorie
bei einer placebokontrollierten Studie (…) zu
einer sogenannten Verschränkung zwischen Verum und Placebogruppe kommen
kann
Generalisierte Quantentheorie! Verschränkung! Wer mit solchen wissenschaftlich klingenden Worten um sich wirft, der muss wohl recht haben, oder?
Das Wort “Quanten” wird von Nichtwissenschaftlern immer dann gerne verwendet, wenn man eigentlich keine Ahnung hat, was vor sich geht aber gerne seriös und wissenschaftlich klingen will. Ausserdem ist die Quantentheorie für Laien kaum verständlich und selbst Fachleute haben Probleme die verschiedenen Quanteneffekte zu verstehen. Sie eignet sich also wunderbar, um alles mögliche hineinzuinterpretieren. Das geht natürlich auch für die Homöopathie. Die leidet unter anderem unter der Tatsache, das wegen der hohen Verdünnungen kein einziges Molekül des eigentlichen Wirkstoffes mehr im Präparat vorhanden ist. Wie erklärt man also nun die angebliche Wirkung? In der Quantenmechanik gibt es ein Phänomen das sich “Verschränkung” nennt. Unter bestimmten Umständen können hier Elementarteilchen so miteinander “verkuppelt” sein, dass sie nie als getrenntes System betrachtet werden können – auch wenn die beiden Teilchen tausende Kilometer voneinander entfernt sind, beeinflussen sie sich gegenseitig immer noch.
Genau das, behauptet Harald Walach, findet auch bei der Homöopathie statt. Die heilende Information des Wirkstoffes wird irgendwie mit dem Lösungsmittel verschränkt und deswegen können homöopathische Mittel auch wirken, wenn sich gar kein Wirkstoff mehr drin befindet. (Wer es genauer wissen möchte, kann z.B. in der Ausgabe 3/2006 des Skeptikers eine ausführliche Beschreibung dieser “Theorie” lesen oder hier die Arbeit von Walach direkt runterladen).
Das alles hat natürlich mit echter Quantentheorie herzlich wenig zu tun. Physiker wissen, wie man ganz spezielle verschränkte Teilchen herstellen kann (Photonen mit verschränkter Polarität, Atome mit veschränkten Spin, …) – aber dazu sind auch spezielle technische Apparaturen notwendig. Wenn ich irgendwas einfach mit Wasser verdünne und durchschüttle (das ist das, was die Homöopathen “Potenzierung” nennen) dann wird sich definitiv nichts verschränken! Die Übertragung von quantenmechanischen Effekten die normalerweise nur bei extrem kleinen Teilchen auftreten auf größere Systeme (Moleküle, Zellen, den menschlichen Körper) ist eine sehr knifflige und zwiespältige Angelegenheit. Normalerweise treten bei solchen großen Systemen auch keinerlei quantenmechanische Effekte mehr auf.
Alles bleibt wie es ist
Wie auch immer: die Homöopathen freuen sich jedenfalls, weil sie glauben ihre Therapie wäre nun auf eine solide wissenschaftliche Basis gestellt worden. Und als zusätzlicher Bonus enthebt sie die “generalisierte Quantentheorie” auch noch der Verantwortung, ihre Methoden vernünftig zu kontrollieren. Auch Hofäcker schreibt:
“Somit scheint es diskrete Hinweise dafür zu geben,
dass eine placebokontrollierte HAMP nicht zu dem gewünschten Erfolg
führen kann, Placebosymptome von spezifischen Arzneiwirkungen zu
isolieren. Analog der generalisierten Quantentheorie kann es zum
Auftauchen von Verumsymptomen in der Placebogruppe kommen”
Tja, placebokontrollierte Studien funktionieren eben bei der Homöopathie einfach nicht – Pech gehabt! Wahrscheinlich würden die Homöopathen ja liebend gern randomisierte und kontrollierte Studien durchführen – aber wenn die Quantentheorie sagt, dass das nichts bringt, dann lassen wirs lieber.
Und auch Hofäcker kommt in seinem Artikel natürlich zu folgendem Schluß:
“Auf alle Fälle gibt es nach dem aktuellen
Erkenntnisstand keine konkreten Hinweise für die Annahme, nicht
placebokontrollierte [homöopathische Arzneimittelprüfungen] als nicht valide für die homöopathische
Praxis zu betrachten.”
Wirklich praktisch… Man darf nun ganz offiziell (die aktuelle Wissenschaft sagts ja!) genauso weitermachen wie bisher und braucht sich nicht um die Qualität der Methoden kümmern!
Die Fähigkeit zur Selbsttäuschung bei vielen Homöopathen (und Menschen die Homöopathie anwenden) überrascht mich immer wieder! Eine placebokontrollierte Arzneimittelprüfung durchzuführen wäre nicht weiter schwierig. Und die Homöopathen könnten sich dann auch sicher sein, ihr bestes getan zu haben, um möglichst wirksame Medikamente zu entwickeln (auch auf die Gefahr hin, dass sich herausstellt, das Homöopathie wirkungslos ist).
Aber nein, bevor man die eigenen Methoden kritisch hinterfragt glaubt man lieber an absurde “Theorien” mit ganz viel Quanten drin und macht beruhigt so weiter wie schon vor 200 Jahren.
Traut euch doch mal was, Homöopathen! Placebokontrollierten Arzneimittelprüfungen wären nicht nur im Sinne eurer Patienten. Ihr könntet damit auch endlich den ganzen Kritikern beweisen, das sie falsch liegen und ihr Recht habt!
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