Am 1. Juli ist Österreich (endlich!) der Europäischen Südsternwarte (ESO) beigetreten. Über die erfolgreich abgeschlossenen Vertragsverhandlungen habe ich schon im April hier berichtet. Letzte Woche hat nun der erste österreichische Astronom Beobachtungen am ESO-Observatorium in Chile durchgeführt. Natürlich stimmt das nicht ganz – auch vorher schon haben viele Österreicher als Gastbeobachter die ESO-Teleskope benutzt. Jetzt durfte aber das erste mal ein Astronom aus Wien – Martin Netopil – ganz offiziell als Angehöriger einer Mitgliedsnation nach Chile fliegen und dort beobachten.
Bild: Martin Netopil
Ich habe Martin ein wenig bei seiner Arbeit gestört und ihm ein paar Fragen zu seinem Aufenthalt bei der ESO gestellt:
Hallo Martin! Auf deine Arbeit hat sich der ESO-Beitritt Österreichs ja ganz besonders ausgewirkt, oder?
Ich hatte das unerwartete Glück als erster Österreicher davon zu profitieren, und das gleich am Observatorium Paranal mit dem Very Large Telescope (Bild oben). Zwei Nächte durfte ich am Unit 2 (Kueyen) mit Swetlana Hubrig von der ESO ein Programm durchführen, welches mittels hochauflösender Spektroskopie chemische Auffälligkeiten in B-Sternen am blauen Horizontalast von Kugelsternhaufen untersucht.
Was hat sich nun seit dem ESO-Beitritt konkret geändert?
Ich hatte auch schon vor dem ESO-Beitritt des öfteren die Möglichkeit am älteren ESO Observatorium La Silla zu beobachten. Diese Reisen mussten aber selbst organisiert und vor allem auch finanziert werden.
Durch EU-Programme konnten die Kosten aber meistens gedeckt werden, oder es musste das Forschungsprojekt herhalten, durch das man selbst bezahlt wird. Diesmal fiel gottseidank der gesamte organisatorische Aufwand weg. Die Flüge etc. wurden alle von ESO gebucht und auch gezahlt.
Wie kommt man überhaupt dazu, an den ESO-Teleskopen beobachten zu dürfen?
Man muss natürlich im vorhinein das gewünschte Projekt in einer kurzen Abhandlung beschreiben und diesen Antrag bei der ESO einreichen. Ein Kommitee entscheidet dann, ob es auch durchgeführt wird. Bei diesen Beobachtungen ist mir dieser Teil aber erspart geblieben, da ich erst zu einem späteren Zeitpunkt dazugestossen bin. Also leider wieder eine Art “Trittbrettfahrer”, aber damit kann ich leben.
Ist es heutzutage eigentlich wirklich noch nötig, immer selbst zu beobachten? Kann man die Teleskope nicht auch per Fernsteuerung bedienen?
Das man selbst die Beobachtungen durchführt, ist in der heutigen Zeit auch schon fast eine Rarität. An den Großteleskopen überwiegt oft der Anteil von Service-Beobachtungen, d.h. angestellte Wissenschaftler vor Ort übernehmen diese Arbeit und man erspart sich die Reise. Bei einigen wissenschaftlichen Vorhaben ist das aber nicht praktikabel, und man muss selbst diese Aufgabe übernehmen. In meinem Fall war es der einfache Grund, dass die berechneten Belichtungszeiten 2 Stunden betrugen, die nötigen Beobachtungsbedingungen aber nur für 1 Stunde garantiert werden. Da ist es ratsamer vor Ort zu sein, um Entscheidungen treffen zu können.
Und dann darf man einfach selbst mit den Großteleskopen der ESO arbeiten?
Da bei diesen Teleskopen viel Geld dahintersteckt, darf man natürlich nicht selbst Hand anlegen, dass übernehmen geschulte Techniker, sondern überwacht nur den wissenschaftlichen Ablauf und korrigiert das Programm entsprechend den Wetterbedingungen (siehe Bild unten).
Bild: Martin Netopil
Wie läuft so ein Beobachtungsaufenthalt bei der ESO eigentlich konkret ab?
Bei nur zwei Beobachtungsnächten überwiegt eindeutig die Reisezeit. Ankunftsort ist erstmal Santiago de Chile, wo man am Flughafen abgeholt wird. Dann geht es in das dortige ESO-eigene Guesthouse, wo man zumindest für eine Nacht zum akklimatisieren untergebracht wird. In der Früh geht es dann wieder per Flugzeug nach Antofagasta, wo der Shuttletransport zum Observatorium bereits wartet. Nach etwas über zwei Stunden Fahrt durch Wüstenlandschaft erreicht man das Observatorium, wo man zuerst mit einer ID-Card ausgestattet wird, die einem Zugang zu den Gebäuden ermöglicht. Dann checkt man in der Residenzia (Bild unten) ein, einem Hotelbetrieb für mehr als hundert Personen die am Observatorium tätig sind. Astronomen sind dabei weit in der Minderzahl. Dort verbringt man wiederum 1-2 Nächte, je nach verwendetem Instrument, um die Beobachtungen mit einem unterstützenden Astronomen zu besprechen und vorzubereiten. Da bleibt meist noch Zeit, die vorhandene Infrastruktur wie Restaurant, Swimmingpool, Sauna, Sporthalle etc. zu nutzen. Das ändert sich dann aber mit Beginn der Beobachtungen, vor allem im dortigen Winter da die Nächte extrem lang sind. Eine Arbeitsnacht kann schon 13 Stunden dauern. Doch langweilig wird einem nie, auch wenn man zwei Stunden auf das Erscheinen der Aufnahme warten muss. Es werden die Beobachtungsbedingungen überprüft, um nötigenfalls die Belichtungszeit noch nachträglich zu ändern, die weiteren Objekte demnach angepasst etc.
Bild: Martin Netopil
Hat bei deinen Beobachtungen alles geklappt?
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