Einen sehr seltsamen Artikel habe ich gerade in der FAZ gefunden: “Tegut beschallt Wurst mit klassischer Musik“.
Die Supermarktkette Tegut ist anscheinend der Meinung, es würde Würsten gut tun, wenn sie beim Reifen noch ein bisschen klassische Musik hören können. Deshalb gibt es spezielle Lager bei denen die Wurst während der Reifung mit klassischer Musik beschallt werden:
“Ein bis zweimal im Monat setzt sich ein Streichquartett in die
Manufaktur der Tochterfirma Kurhessische Fleischwaren im thüringischen
Frankenheim und spielt vier Stunden lang überwiegend Werke von Mozart
oder Bach, wie das in Fulda ansässige Unternehmen mitteilte.”
Tegut-Chef Wolfgang Gutberlet sagt
“Er habe von vielen Versuchen gelesen, die bestätigten, dass klassische
Musik Wachstum beeinflussen könne. Ob diese Klänge auch den
Reifeprozess von Wurst tatsächlich fördern, kann er bisher nicht
beweisen. Die beschallte Wurst schmecke ihm aber besonders gut.”
Leider liefert der FAZ-Artikel keine Quellen für die “vielen Versuche”. Auch der Leiter für Sicherheit und Qualität bei Fleisch des Max-Rubner-Instituts, Klaus Troeger nennt das ganze eine “obskure Geschichte”.
Tegut selbst scheint sich auch nicht unbedingt sonderlich wissenschaftlich mit der Angelegenheit auseinandergesetzt zu haben:
Wir können das nicht physikalisch oder sonst wie messen”, stellt der
Tegut-Chef klar. Seine Mitarbeiter in der wohl musikalischsten
Wurstfabrik Deutschlands sollten viel mehr darauf achten, „durch
Anschauen, Riechen und Anfassen zu prüfen, ob der Prozess zum Erfolg
führt”. Das sei eine „rein subjektive Wahrnehmung”.
Auch wenn Geschmack Ansichtssache ist – ich bin mir sicher mit ein bisschen gutem Willen könnte man das leicht wissenschaftlich aufarbeiten. Erkenntnisse zu gewinnen, die unabhängig von “rein subjektiver Wahrnehmung” sind ist ja immerhin Zweck der Wissenschaft!
Ein interessantes Statement dazu hat auch Prof. Friedrich-Karl Lücke vom Fachbereich Ernährungswissenschaft der Hochschule Fulda abgegeben. Einerseits meint er zwar, er kann sich dazu „keine naturwissenschaftliche Erklärung zusammenreimen“. Andererseits will er die Ergebnisse auch nicht “als Hirngespinst abtun“. Das ist natürlich prinzipiell mal nicht schlecht. Wer weiß, vielleicht ist ja wirklich was dran. Musik ist ja schließlich nichts anderes als Schallwellen und die könnten ja irgendwelche Effekte habe. Aber die Begründung von Lücke ist etwas seltsam. Er will es nicht als Hirngespinst abtun, denn
“In der Homöopathie sei auch nicht alles erklär- und belegbar.”
Das ist mal eine Erklärung! Klar ist in der Homöopathie “nicht alles” belegbar. Genaugenommen ist nichts belegbar weil Homöopathie eine esoterische Pseudowissenschaft ist, die nichts mit der Realität zu tun hat. Die Homöopathie hier als Argument anzuführen ist nicht wirklich hilfreich. Der FAZ-Artikel geht darauf leider nicht weiter ein. Aber es bleibt zu befürchten dass der Vergleich mit der Homöopathie hier von vielen tatsächlich als konstruktiv angesehen wird – vor allem wenn sie von einem Professor kommt. Vielleicht sollte man Herrn Lücke mal erklären, was es mit der Homöopathie tatsächlich auf sich hat?
Wie auch immer – wenn ich wieder mal bei Tegut vorbeikomme dann werde ich mir diese musikalischen Würste mal ansehen und vielleicht ne private Testreihen starten 😉
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