Betrachtet man nur das eingeschränkte Dreikörperproblem, dann sind dort L4 und L5 dynamisch gesehen absolut gleichwertig. Deswegen ist auch zu erwarten, dass sich um L4 und L5 in etwa gleich viele Asteroiden befinden. Seit man aber genug Trojaner entdeckt hatte um vernünftige Statistiken zu machen waren immer mehr L4-Asteroiden bekannt!
Dieses Problem war als “Trojaner-Asymmetrie” bekannt. Folgende Grafik zeigt wie sich die Anzahl der bekannten Trojaner im Laufe der Zeit geändert hat:
Man sieht deutlich, dass immer mehr L4-Trojaner als L5-Trojaner bekannt waren und dass der Unterschied während der letzten Jahre mehr oder weniger konstant war.
Ich und meine Kollegen von der Universität Wien haben uns damals mit diesem Unterschied beschäftigt und probiert, herauszufinden, was dafür verantwortlich war. Hier gibt es vier potentielle Möglichkeiten:
- Beobachtungsgründe: L4 und L5 befinden sich ja an verschiedenen Stellen am Himmel. Vielleicht waren die Beobachtungsbedingungen für L4 besser als für L5 (weil L5 z.B. zeitweise dort am Himmel lag wo sich auch die Milchstrasse befindet und deswegen schlechter beobachtet werden konnte). Man vermutete, dass sich das Problem im Laufe der Zeit von selbst lösen wird. Dieses Argument wurde allerdings schon Ende der 80er Jahre gebracht – und eigentlich hat fast niemand an diese Lösung geglaubt da der Unterschied sich mit den neuen Entdeckungen nie verringerte.
- Unterschiedliche Entstehung: Manche Wissenschaftler vermuteten, dass die unterschiedliche Anzahl der Asteroiden auf verschiedene Entstehungsprozesse zurückzuführen ist. Unterschiedliche Kollisionsraten zwischen den Asteroiden bei L4 und L5 könnten in der heutigen Asymmetrie resultieren. Allerdings hat keine der dazu durchgeführten Arbeiten wirklich konkrete Ergebnisse gebracht.
- Chaos und Katastrophen: In der Frühzeit des Sonnensystems ging es ja ziemlich wild zu. Protoplaneten kollidierten miteinander (so entstand z.B. unser Mond) oder wurden durch die gravitative Wechselwirkung aus dem Sonnensystem geworfen. Ein solcher Protoplanet hat dabei vielleicht auch die Gruppe der L5 Trojaner durchquert und ihre Anzahl dezimiert. Das ist allerdings kaum wissenschaftlich nachzuweisen. Andere Simulationen beschäftigen sich mit der Migration der Planeten: in der Frühzeit des Sonnensystems haben sich die Umlaufbahnen von Jupiter und Saturn gemeinsam vergrößert – dabei könnte Jupiter die Trojaner quasi “eingefangen” haben. Dieser Einfangsprozeß verlief chaotisch, wodurch sich auch die unterschiedliche Anzahl der Asteroiden erklären läßt.
- Dynamische Gründe: Unser Sonnensystem ist ja eigentlich kein Dreikörperproblem – Saturn wirkt beispielsweise auch gravitativ auf die Trojaner (und Jupiter); auch die anderen Planeten haben einen kleinen Einfluss. Und je nachdem wie diese Einflüsse wirken könnte L4 stabiler sein als L5. Bei den Lagrange-Punkten von Neptun ist die unterschiedliche Größe der Stabilitätsregionen mittlerweile ganz klar nachgewiesen. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn auch bei Jupiter dynamische Gründe für die Trojaner-Asymmetrie verantwortlich sind. Allerdings hatte man auch hier eigentlich nur wenig überzeugende Hinweise auf Unterschiede gefunden.
Da mein Spezialgebiet die Dynamik von Kleinkörpern im Sonnensystem ist habe ich mich natürlich mit den dynamischen Gründen beschäftigt. Ich habe die Größe der Stabilitätsregionen in Abhängigkeit von vielen verschiedenen Parametern (Exzentrizität, Inklination der Asteroiden, Abstand von den Lagrange-Punkten) untersucht. Dabei habe ich allerdings auch keine großartigen Unterschiede entdeckt. Ein typisches Bild sah dabei so aus:
Auf der x-Achse ist hier der Winkel σ aufgetragen. Er gibt den (Winkel)Abstand des Asteroiden von Jupiter an; gemessen entlang der Umlaufbahn (Jupiter selbst ist bei 0°; L4 bei 60° und L5 bei 300°). Auf der y-Achse findet man die anfängliche Exzentrizität e der Trojanerbahn (also die Abweichung von der Kreisform – 0 wäre ein perfekter Kreis). Für jede Kombination aus σ und e habe ich nun die Bahn des entsprechendes Trojaners berechnet und überprüft, ob er noch stabil bleibt oder irgendwann die Umgebung des Lagrange-Punktes verlässt. Im Bild zeigen helle Farben (gelb, orange) stabile Bereiche an; dunkle Farben sind instabile Regionen. Man sieht also deutlich die Stabilitätsregionen um die beiden Lagrange-Punkte – und man sieht ebenso deutlich dass sich beide nicht dramatisch voneinander unterscheiden.
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