Ich habe dann deswegen noch ein paar andere Sachen ausprobiert. Unter anderem habe ich die Regionen maximaler Stabilität untersucht. Das bedeutet folgendes: ein normaler Trojaner pendelt gewissermassen um den Lagrange-Punkt. Wenn er sich nicht weiter als etwa 30° vom Lagrange-Punkt entfernt, dann wird er weiterhin stabil bleiben und sich um L4 oder L5 bewegen. Allerdings ist die Chance, dass ein Trojaner instabil wird umso größer, je größer diese Auslenkung ist. Je weniger er sich vom Lagrange-Punkt entfernt, desto stabiler ist er. Die Auslenkung nennt man “Librationsweite” und ich habe untersucht, innerhalb welcher Bereiche die Librationsweite eines Trojaners immer kleiner als 4° bleibt. Dabei habe ich folgendes Ergebnis erhalten:
Auf der x-Achse findet man hier die Anfangsexzentrizität des Trojaners, auf der y-Achse die anfängliche Neigung seiner Bahn. Der gelbe Bereich zeigt nun, für welche Werte man um L5 Librationsweiten kleiner als 4° erhält; der blaue Bereich zeigt das gleiche für L4. Man sieht sehr deutlich, dass der Bereich maximaler Stabilität um L5 deutlich kleiner ist als L4! L4 scheint also dynamisch gesehen wirklich stabiler zu sein. Aber woran liegt das? Das obige Bild habe ich mit einer Simulation erhalten, in der der gravitative Einfluss von Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun enthalten ist. Man kann relativ leicht zeigen dass Uranus und Neptun so gut wie keinen relevanten dynamischen Einfluss auf die Trojaner haben. Aber was ist mit Saturn? Um das herauszufinden habe ich die ganze Simulation nochmal wiederholt – aber diesmal den Einfluss von Saturn weggelassen:
Nun gibt es also (fast) keinen Unterschied mehr zwischen L4 und L5! Wie auch immer der Unterschied im Detail zustandekommt: Saturn scheint hier die dominierende Rolle zu spielen.
Diese Ergebnisse (und noch ein bisschen mehr zur Dynamik der Trojaner) habe ich in einer zwei Jahre alten Arbeit mit dem Titel “The size of the stability regions of Jupiter Trojans” veröffentlicht (Astronomy & Astrophysics 453, 353-361).
Ich hatte eigentlich vor, bald wieder zu diesem Problem zurückzukehren. Ich hatte zwar festgestellt, dass ein Unterschied existiert – aber noch keine Vorstellung darüber, wie er sich konkret auf die Anzahl der Trojaner auswirkt und vor allem was genau an Saturn (seine Masse, seine Exzentrizität, seine Umlaufgeschwindigkeit, …) für den Unterschied verantwortlich ist. Als ich dann aber mal wieder die Anzahl der Trojaner nachgeschlagen habe, hat sich gezeigt, dass die Trojaner-Asymmetrie verschwunden war! Und wenn man sich die Zahlen von heute ansieht, dann findet man um L4 (1279) gerade mal 8 Asteroiden mehr als um L5 (1271)!
Es scheint also so, als hätten diejenigen Recht gehabt, die Beobachtungsgründe für die Asymmetrie verantwortlich gemacht haben. Das Problem hat sich wohl wirklich von selbst gelöst. Aber so kanns eben oft gehen in der Wissenschaft 😉
Aber mal sehen: wenn ich irgendwann mal die Zeit dazu habe, dann werde ich vielleicht doch noch mal an diesem Problem weiterarbeiten. Die von mir gefundenen dynamischen Unterschiede sind ja immerhin da. So wie es aussieht sind sie wohl zu klein um einen großen Effekt auf die Trojanerzahl zu haben. Aber auch dass kann man dynamisch nochmal absichern – und wer weiß – vielleicht findet man ja doch noch was interessantes 😉
Trojaner bleiben jedenfalls ein faszinierendes Thema. Bei Gelegenheit werde ich mal was über meine aktuelle Arbeit schreiben: extrasolare Trojanerplaneten.
F. Freistetter (2006). The size of the stability regions of Jupiter Trojans Astronomy and Astrophysics, 453 (1), 353-361 DOI: 10.1051/0004-6361:20054689
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