(Anmerkung: Ulrich hat mich darauf hingewiesen dass es sich bei dem Spiel das ich hier erkläre nicht um ein Gefangenendilemma sonder ein Ultimatumspiel handelt. Mehr dazu in den Kommentaren)

Was ein Gefangenendilemma ist hat Ali von zoon politikon schon vor einiger Zeit erklärt. An der Universität Jena wird nun eine Variation des Gefangenendilemmas durchgeführt an der jeder teilnehmen und dabei sogar Geld gewinnen kann!

Das Experiment wird vom Max-Planck-Institut für
Ökonomik
und der Friedrich-Schiller-Universität
Jena
gemeinsam durchgeführt. Es geht dabei um folgendes:

2 Spieler (X und Y) sollen sich 100 Euro teilen. Dabei bestimmt X, wieviel jeder der beiden bekommt und Y kann diese Aufteilung entweder akzeptieren oder ablehnen. Der Clou an der Sache: jeder muss seine Entscheidung treffen ohne zu wissen, was der andere gesagt hat!

Wenn ich beispielsweise Spieler X bin, dann könnte ich bestimmen, dass ich 55 Euro kriege und Spieler Y 45 Euro. Spieler Y hält mich allerdings für einen gierigen Raffzahn und vermutet ich würde mir das ganze Geld unter den Nagel reissen und ihm nicht übrig lassen wollen. Also lehnt er meine Aufteilung ab. Das Resultat: keiner von uns bekommt etwas!

Oder er hält mich für fair und freundlich und geht davon aus, dass ich ihn nicht benachteiligen werde und stimmt der Aufteilung zu. Blöd nur, dass ich mich jetzt für eine 95 zu 5 Aufteilung entschieden habe: Er bekommt 5 Euro; ich mit 95 Euro fast alles.

Wie verhält man sich bei so einem Spiel, wenn man nicht weiß, was der andere macht? Spielt man fair oder versucht man, das beste für sich rauszuholen?

Dieses Spiel kann online durchgeführt werden. Man übernimmt dabei jeweils einmal die Rolle des Spielers X und einmal die des Spielers Y. Ausserdem wird einmal um 100 und einmal um 1000 Euro gespielt. Aus allen abgegebenen Antworten werden dann am Schluss 40
ausgelost und zu 20 Paaren zusammengestellt. Und je nachdem, welche Antworten die beiden Spieler dort gegeben haben, kann man dann Geld gewinnen (maximal 950 Euro).

Wie üblich beim Gefangenendilemma und seinen Variationen ist es knifflig, die richtige Strategie zu finden. Ich persönlich hätte mich ja (als Spieler X) prinzipiell für eine halbe-halbe Aufteilung entschieden. Die lässt das Spiel aber nicht zu – man kann nur 45% zu 55% teilen: muss also entweder sich selbst oder den Mitspieler bevorzugen. Als Spieler Y ist die Entscheidung (meiner Meinung nach) recht einfach. Sage ich “Nein”, dann bekomme ich gar nichts. Sage ich “Ja” bekomme ich mindestens 5 (bzw. 50) Euro. Y sollte also immer mit “Ja” antworten. Wenn ich das als Spieler X weiß, dann wäre es für mich optimal, wenn ich mir immer den höchst möglichen Geldbetrag zuteile: Y wird ja sowieso mit “Ja” antworten!

Das wäre zumindest das rein rationale Spielverhalten (denke ich zumindest; aber Ulrich wird mich hoffentlich korrigieren, wenn ich Blödsinn geschrieben habe). Aber was ist, wenn sich Spieler Y das auch alles überlegt? Es ist sicher frustierend zu wissen, dass man in diesem Spiel auf jeden Fall mit dem Minimalbetrag aussteigt – und das nur, weil Spieler X so gierig ist und sich selbst den Maximalbetrag zuschanzt! Ob ich jetzt 5 Euro habe oder 0 Euro ist auch schon egal – da kann ich gleich “Nein” sagen und es dem gierigen X so richtig heimzahlen!
Aber was sich Spieler Y überlegen kann, kann auch Spieler X! Wenn X die Rachgelüste des Y “vorhersieht”, dann wäre es vielleicht besser, sich für eine fairere Aufteilung zu entscheiden…

Und so gehen die Gedankenspielchen immer weiter im Kreis. Man weiß eben nicht, wie sich der andere Spieler entscheiden wird und wie rational er denkt (Richtig interessant wäre es noch, wenn die selben Spieler das Spiel mehrere Male hintereinander durchführen. Wie verhalte ich mich, wenn ich beim ersten Mal vom Mitspieler reingelegt wurde? Vertraue ich ihm noch oder zahle ich es ihm heim?).

Herauszufinden, wie sich Menschen unter solchen unsicheren Bedingungen entscheiden ist Ziel dieses Experiments. Vielleicht hat ja der eine oder andere Lust mitzumachen? Wie würdet ihr entscheiden?

Kommentare (6)

  1. #1 florian
    7. September 2008

    Ich hab mich übrigens (als Spieler Y) für “Ja” und als Spieler X für die Maximalvariante (95% für mich) entschieden 😉

  2. #2 Ulrich Berger
    7. September 2008

    @ Florian:
    Du hast das gut erklärt, da gibt’s fast nichts daran auszusetzen. Nur der Titel – das ist nämlich keine Variante des Gefangegendilemmas, sondern des Ultimatumspiels.

    Die Originalversion dieses Spiel geht so, dass X die Aufteilung bestimmt und Y diese erfährt und dann Ja oder Nein sagt. Dabei weiß man aus hunderten Experimenten, dass der typische Y Nein sagt, wenn er weniger als etwa 1/3 bekommen soll – und das relativ unabhängig von der Höhe des Betrags. Die X ahnen das voraus und bieten in etwa 40% bis 50% an, was nur sehr selten abgelehnt wird.

    Wie du richtig sagst, ist die rationale Variante (aber nur für gewinnmaximierende Spieler!), als X 95% zu behalten und als Y Ja zu sagen – genau wie in der Originalvariante des Ultimatumspiels. (Im Gegensatz zum Gefangenendilemma ist dieses eindeutige Gleichgewicht aber nicht ineffizient.) Die Frage bei diesem Experiment ist anscheinend, wieviele Y sich hier für Nein entscheiden, weil sie eine unfaire Aufteilung durch X erwarten. Ich glaube, das werden nicht viele sein.

    Du sagst: Wenn X die Rachgelüste des Y “vorhersieht”, dann wäre es vielleicht besser, sich für eine fairere Aufteilung zu entscheiden… Naja, “besser” im Sinne von Gewinnmaximierung wäre es nicht. Wenn X das Nein des Y vorhersieht, dann hilft ihm eine faire Aufteilung mangels telepathischer Fähigkeiten auch nichts. Nur wenn X eine starke Präferenz für faire Aufteilung hat oder ein vermutetes Ja des Y belohnen will, macht es für ihn Sinn, fair zu teilen. Das Problem dabei ist, dass X einem Ja des Y auch ex post nicht die Absicht entnehmen kann, die dahinter stand. Hat Y nur aus Gier Ja gesagt, weil er eben nimmt, was er kriegt? Oder hat Y Ja gesagt, weil er eine faire Aufteilung erwartet hat? Ich glaube, dass das zweite Motiv kaum eine Rolle spielen wird und das deshalb die allermeisten so wie du entscheiden werden. Ich hab’s jedenfalls auch getan…

  3. #3 florian
    7. September 2008

    Danke für die Erklärungen! Wie ist denn hier genau der Unterschied zum Gefangenendilemma definiert? Ich dachte das alle “Spiele” bei denen man – ohne zu wissen was der andere tut – kooperien muss um das Maximum für beide rauszuholen bzw. seinen eigenen Gewinn durch Nichtkooperation maximieren kann (aber dann mit dem Risiko des kompletten Verlustes) eine Art Gefangenendilemma sind? Ich hab mich mit der mathematischen Grundlage der verschiedenen Spiele und den Gleichgewichten nie wirklich ausführlich beschäftigt – ist das der einzige Unterschied?

  4. #4 Thilo
    7. September 2008

    Nur zur Begriffsklärung (ohne inhaltlichen Bezug zum Beitrag):
    Als Gefangenendilemma bezeichnet man eine Kronzeugenregelung, die dazu führt, daß zwei Gefangene sich gegenseitig belasten, so daß letztlich beide verurteilt werden. Das ist ein bekanntes Beispiel für Nash-Gleichgewichte, bei denen man durch rationales Verhalten NICHT zu einer für beide Spieler günstigeren Lösung kommt. Ein paar Links (u.a. zur Wikipedia und zu einer Serie auf den amerikanischen scienceblogs) hatte ich mal bei https://www.scienceblogs.de/mathlog/2008/03/strafe.php
    Also, i.W. geht es darum, daß bei vernünftigem Verhalten BEIDE Spieler ihre Situation verschlechtern, was in Deinem Beispiel natürlich nicht passieren kann.

  5. #5 Ulrich Berger
    8. September 2008

    @ florian:

    Wenn du es gern formaler hast: Ein 2-Personen-Spiel mit 2 Strategien C und D pro Spieler ist ein Gefangegendilemma, wenn es symmetrisch ist und für die Auszahlungsmatrix [R S; T P] gilt: T>R>P>S. Wegen T>R und P>S ist das einzige Gleichgewicht (D,D), mit Auszahlungen (P,P). Wegen R>P wäre das Ergebnis (C,C) mit Auszahlungen (R,R) für beide Spieler besser, es kommt aber nicht zustande. Deswegen “Dilemma”.

    Im oben besprochene Spiel könnte man zwar die Strategien von X auf “fair” (55-45) und “unfair” (95-5) verkürzen (Y bleibt bei “Ja” und “Nein”), das Spiel ist aber asymmetrisch und die für die Auszahlungen von X gilt P=S=0.

  6. #6 florian
    8. September 2008

    @Ulrich: Bei Definition habe ich es gerne formal 😉 Vielen Dank für die Erklärung!