Heute muss ich mal ein bisschen Eigenwerbung machen. Ich habe nämlich ein neues Blog aufgemacht. Das hat diesmal nichts mit Wissenschaft zu tun sondern mit meiner zweiten großen Leidenschaft – den Büchern.
Das Thema des Blogs ist schnell beschrieben: Ich lese ein Buch und blogge darüber. Und ich meine wirklich ein Buch. Ein einziges. Und zwar “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” von Marcel Proust.
Ich weiß nicht ob jemand dieses Buch schon mal gelesen hat? Es ist – zumindest meiner Meinung nach – ein äußerst gutes Buch. Aber verdammt schwer zu lesen. Der für Proust typische Schreibstil macht die Lektüre nicht unbedingt leicht. Ich selbst lese ja wirklich viel und gerne. Und bis jetzt habe ich auch alle Bücher die ich begonnen habe auch (fast) immer zu Ende gelesen. Nur an Proust bin ich immer gescheitert. Ich habe schon 3 Versuche hinter mir und es dabei nur bis zur Hälfte des dritten Bandes geschafft. “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” ist nämlich nicht nur schwer zu lesen sondern auch sehr lang 😉 In meiner Ausgabe sind es 4194 Seiten.
Daher habe ich mir vor meinem vierten Leseversuch etwas besonderes überlegt. Wenn ich regelmäßig über das gelesene schreibe, dann fällt es mir vielleicht 1) leichter weiter zu machen und 2) sind längere Lesepausen nicht so schlimm weil ich ja meine Aufzeichnungen habe. Im Gegensatz zu anderen Büchern kann man nämlich bei “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” nicht einfach mal eben zwischendurch ein bisschen lesen. Der Schreibstil mit seinen exzessiven Beschreibungen und fast schon unerträglich langsamen Handlung macht es unmöglich nur kurz in dem Buch zu lesen. Man braucht immer einige Zeit, um sich wieder an den Stil zu gewöhnen (so geht es zumindestens mir).
Dann dachte ich mir, dass ich zusätzliche Motivation gewinnen würde, wenn ich das ganze auch noch veröffentliche. Also habe ich vor 3 Jahren eine Homepage dazu eingerichtet. Damals noch ganz normal und kein Blog. Das mit der “öffentlichen Lektüre” hat auch gut funktioniert – bis die Sache dann September 2006 wieder eingeschlafen ist.
ABER: mein Konzept war nicht so schlecht. Als ich vor kurzem das Buch wieder mal in der Hand hatte und ich Lust bekam, wieder weiterzulesen ging das ganz problemlos. Dank meiner Aufzeichnungen hab ich den Anschluss sehr schnell wiedergefunden.
Ich habe mich dann auch entschlossen das Projekt zu modernisieren und in ein echtes Blog umzuwandeln. Und deswegen existiert jetzt das Proustblog!
Ich hoffe, dass ich diesmal nicht wieder so schnell aussteige und das Buch endlich mal zu Ende lesen kann! Aufmunternde und anfeuernde Kommentare helfen dabei sicher 😉
Und vielleicht bekommt ja der eine oder die andere dann auch selbst Lust, das Buch zu lesen? Ich kann es jedenfalls nur empfehlen! Auch wenn es schwer zu lesen ist – es ist wirklich gut! Zum Einstieg empfehle ich “Wie Proust ihr Leben verändern kann” von Alain de Botton. Das macht wirklich Lust aufs Lesen.
Und damit jeder weiß, worauf er sich einlässt kommt zum Abschluss noch ein Satz aus dem Buch – und zwar der längste des ganzen Werks:
Diejenigen der alten Verdurinschen Möbel, die hier, manchmal sogar unter
Beibehaltung einer bestimmten Anordnung, erneut Platz gefunden hatten und
denen ich selbst in La Raspeliere wiederbegegnet war, fügten in den
gegenwärtigen Salon Teile des alten ein, die augenblicksweise mit nahezu
halluzinatorischer Deutlichkeit jenen früheren noch einmal
heraufbeschworen, gleich darauf aber fast unwirklich schienen, weil sie
inmitten der umgebenden Wirklichkeit Bruchstücke einer untergegangenen
Welt, die man an einem anderen Orte wähnte, wiedererstehen ließen: ein aus
Träumen entstiegenes Kanapee zwischen neuen, sehr wirklichen Sesseln,
kleine, mit rosa Seide bezogene Stühle, eine durchwirkte Tischdecke auf
dem Spieltisch, die zur Würde einer person erhoben schien, denn wie eine
Person besaß sie eine Vergangenheit, ein Gedächtnis, behielt sie doch im
kalten Dunkel des Salons am Quai Conti jene Bräunung bei, welche die durch
die Fenster der Rue Montalivet einfallende Sonnenstrahlung (deren genaue
Stunde die Decke ebenso gut kannte wie Madame Verdurin selbst) bewirkt
hatte, sowie die, die durch die Glasfenster der Gegend bei Doville sich
ergoß – wohin man jenes Requisit mitgenommen und wo es den ganzen Tag über
den Blumengarten hinweg das tiefe Tal überschaut hatte in Erwartung der
Stunden, da Cottard und der Geiger ihre Kartenspiele absolvieren würden –
oder auch ein Strauß aus Veilchen und Stiefmütterchen in Pastell, Geschenk
eines befreundeten großen Künstlers, der seither verstorben war, einziges
hinterbliebenes Fragment eines Lebens, das sonst keine Spuren hinterlassen
hatte; jetzt sprach nur dieses Bild noch – in ganz summarischen Zügen –
von einem großen Talent und von einer langen Freundschaft, als einziges
Überbleibsel erinnerte es noch an Elistirs sanften Blick, an die schöne,
füllige und traurige Hand, mit der er immer gemalt hatte; ein gefälliges
Durcheinander, eine Wirrnis aus Geschenken der Getreuen, die der
Hausherrin überallhin gefolgt waren und schließlich die feste Prägung
eines Charakterzuges, einer Schicksalslinie angenommen hatten, eine Fülle
von Blumensträußen und Pralinenschachteln, die hier wie dort in einer ganz
gleichen Art von üppigem Wachstum wuchernd sich entfalteten; eine
merkwürdige Einsprengung aus sonderbaren und überflüssigen Objekten, jenen
Dingen, die noch aussehen, als kommen sie eben erst aus der Verpackung
hervor, in der sie als Geschenk überreicht worden sind, und die das ganze
Leben hindurch bleiben, was sie zunächst gewesen sind, nämlich Geschenke
zum 1. Januar, alle jene Gegenstände endlich, die man von den anderen
nicht hätte trennen können, die aber für Brichot, den alten Besucher der
Verdurinschen Feste, eine Patina und Weichheit bekommen hatten, wie sie
Dingen eigen sind, denen ein geistiges Abbild ihrer selbst in unserem
Innern eine Art von Tiefe hinzuzufügen scheint – alles dies ließ perlend
in ihm jeweils Töne erwachen, welche in seinem Herzen geliebte Anklänge
weckten: verworrene Erinnerungen, die gerade hier in diesem ganz und gar
die Gegenwart verkörpernden Salon, indem sie vereinzelte Lichtflecke
schufen – sowie an einem schönen Tage die Sonne im Viereck geradezu in die
Atmosphäre eines Raumes hineingezeichnet – die Möbel und Teppiche
gleichsam ausschnitten und mit einer Rahmenlinie umzogen, wobei sie von
einem Kissen zu einer Blumenvase, einem Hocker zu einem noch lose
anhaltenden Duft, einer Beleuchtungsart zu einem Vorherrschen bestimmter
Farben hinübereilten und in plastischer und gleichzeitig beseelter Gestalt
eine Form vor Augen rückten, welche gleichsam die ideale, allen
aufeinanderfolgenden Heimen anhaftende Urgestalt des Salons der Verdurins
war.
Nachtrag: Ich sehe gerade, dass das hier mein 150ter Eintrag bei ScienceBlogs ist…
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