Als ehemaliger Doktorand und Mitarbeiter an der Unisternwarte Wien, muss ich hier natürlich die Theorie von Konradin Ferrari d’Occhieppo erwähnen. Er war von 1954 bis zu seiner Emeritierung 1978, Professor am Institut für Astronomie der Uni Wien (und hat auch danach, bis zu seinem Tod 2007, noch teilweise dort gearbeitet und geforscht). Er hat sich mit theoretischer Astronomie, astronomischer Chronologie und antiker Astronomie beschäftigt. Bei so einer Themenwahl muss man ja fast zwangsläufig irgendwann mal beim Stern von Bethlehem landen – und darum ist es auch nicht verwunderlich, dass d’Occhieppo sich auch mit diesem Problem ausführlich beschäftigt hat.
Seine Ergebnisse sind u.a. in dem Buch “Der Stern von Bethlehem in astronomischer Sicht. Legende oder Tatsache?“ zusammengefasst.
d’Occhieppo verknüpfte dort die Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn im Jahr 7 v. Chr. mit historischen Quellen über babylonische Astronomie/Astrologie zu einer plausiblen Geschichte:
7 v. Chr. fand eine dreifache Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn statt. Dreimal in einem Jahr kamen sich die beiden Planeten sehr nahe: am 27. Mai, 6. Oktober und am 1. Dezember. Mit aktuellen Planetariusmprogrammen (wie z.B. Stellarium) kann man den Himmel über Jerusalem zu dieser Zeit leicht visualisieren. Ich habe das Mal für den Abendhimmel des 12. November 7 v. Chr. gemacht an dem die beiden Planeten im Süden über Jerusalem gut zu sehen waren:
Man sieht deutlich, wie nahe Jupiter und Saturn am Himmel bei einander stehen. In der babylonischen Astrologie stand Jupiter für den König/Gott Marduk; Saturn symbolisierte Israel. Beide stehen außerdem im Sternbild der Fische. Laut d’Occhieppo würde so ein Ereignis als Ankündigung der Geburt eines großen Königs der Juden im Westen (im Sternbild Fische) interpretiert werden.
Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: das impliziert keineswegs, die babylonischen Sterndeuter hätten tatsächlich die Geburt Jesu vorhergesehen. Aber die Bibel ist ja, wie schon gesagt, kein Tatsachenbericht – die entsprechenden Passagen wurden erst viele Jahre nach den eigentlichen Ereignissen geschrieben. Und es ist durchaus möglich, dass die Sterndeuter die entsprechende Konstellation später in oben genannten Sinn interpretiert haben.
Auch wenn diese Theorie im Moment am stärksten akzeptiert wird, gibt es auch hier einige Unklarheiten: warum wird im Matthäus-Evangelium nicht von Planeten gesprochen, sondern von Sternen? Einem gebildeten Menschen müsste der Unterschied klar sein – fraglich ist, ob Matthäus (oder wer immer den Text auch verfasst hat), dieses astronomische Wissen auch hatte. Auch andere Feinheiten des Textes deuten nicht darauf hin, dass der Verfasser von Planeten gesprochen hat. Außerdem ist die astrologische Gleichsetzung von Saturn und Israel umstritten.
Es gibt noch mehr Theorien bzw. Variationen der Theorien, die ich schon ausgeführt habe. Alle sind mehr oder weniger glaubwürdig und wirklich absolut überzeugend ist keine davon. Aber es ist eben auch schwierig, konkrete astronomische Tatsachen aus einem zweitausend Jahre altem Text abzuleiten (bei dem nur sehr bedingt davon ausgegangen werden kann, dass er die Tatsachen exakt beschreibt). Man kann auch nichtmal davon ausgehen, dass tatsächlich irgendeine besondere Himmelserscheinungen stattgefunden hat. Genauso gut kann das erst nachträglich eingefügt worden sein, um die Ereignisse bedeutungsvoller erscheinen zu lassen.
Wer sich weiter zu diesem Thema informieren möchte, der kann z.B. ein Planetarium besuchen. In der Zeit vor Weihnachten findet man eigentlich fast überall spezielle Programme, die u.a. die Theorie der Planetenkonjunktion schön anschaulich darstellen.
1: Es mag seltsam klingen, wenn man vermutet, Jesus wurde im Jahr 7 vor Christus geboren. Aber wenn eines sicher ist, dann, dass Jesus nicht am 24. Dezember des Jahres 1 (ein Jahr Null gab es nie) geboren ist. Der 24. 12. hat sich erst später eingebürgert, als die Geburt Christi mit den römischen Sol Invictus-Feiern zusammengelegt wurde. Auch die Grundlagen unseres heutigen Kalendes (und damit den Zeitpunkt des Jahres 1) wurde erst Jahrhunderte nach Christi Geburt festgelegt – und dabei haben sich zwangsläufig ein paar Fehler eingeschlichen. 7 v. Chr. ist also ein durchaus plausibles Geburtsjahr für Jesus.
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