Vor 2 Wochen habe ich über die Trojanerplaneten berichtet, die sich ihre Bahn mit einem anderen Planeten teilen. Aber es gibt eine noch außergewöhnlichere Möglichkeit der stabilen Planetenbewegung: zwei Himmelskörper, die in regelmäßigen Abständen ihre Bahnen tauschen.
Zwei besondere Monde
Der Saturnmond Epimetheus wurde am 18. Dezember 1966 von Richard Walker entdeckt. Bereits 3 Tage vorher, am 15. Dezember hatte Audouin Dollfus ebenfalls einen neuen Saturnmond – den er Janus nannte
– entdeckt. Man vermutete, das es sich bei dem von Walker beobachteten
Mond um den selben Himmelskörper handelte. Die Bahn dieses neuen Mondes war allerdings ziemlich seltsam und Berechnungen und
Beobachtungen stimmten nicht wirklich überein. 1978 kam man zu dem
Schluß, das die Beobachtungen viel besser erklärt werden können, wenn
man von zwei Monden und nicht von einem einzelnem Objekt ausgeht! Diese beiden Monde wurden nun Janus und Epimetheus genannt – und 1980 bestätigte die Raumsonde Voyager 1 bei ihrem Saturnvorbeiflug, das es sich tatsächlich um 2 verschiedene Objekte handelt.
Die Geschichte wird allerdings noch seltsamer. Betrachtet man die Bahnen von Epimetheus und Janus,
stellt man folgendes fest: Die Bahnen der Monde liegen beide fast in
der Äquatorebene des Planeten; Janus umkreist den Saturn in einem Abstand von 151472
km; der Abstand von Epimetheus zu Saturn beträgt 151422 km. Die Orbits
der beiden Monde haben also einen Abstand von nur 50 km! Epimetheus hat aber nun eine Ausdehnung von etwa 115 km; Janus ist
sogar noch größer und durchmisst etwa 190 km. Eigentlich wäre also gar
kein Platz mehr übrig: die beiden Himmelskörper müssten schon längst
miteinander kollidiert sein! Da sie aber offensichtlich immer noch
existieren, muss es irgendeine Lösung für dieses Problem geben.
Und die sieht so aus: Janus und Epimetheus befinden sich auch sogenannten “Austauschbahnen” bzw. exchange orbits.
Alle 4 Jahre nähern sich die beiden Monde sehr stark aneinander an –
und beeinflussen sich gegenseitig durch ihre Schwerkraft. Der äußere
Mond beschleunigt dabei den inneren Mond der dadurch auf eine höhere
Umlaufbahn gehoben und dadurch wieder abgebremst wird. Der
innere Mond bremst den äußeren Mond durch seine gravitative Anziehung
der dadurch auf eine niedrigere Umlaufbahn fällt und dann wieder
beschleunigt wird. Die beiden Monde haben also ihre Umlaufbahn getauscht! Dieses Wechselspiel wiederholt sich alle 4 Jahre – zuletzt haben die Monde ihre Bahnen am 21. Januar 2006 gewechselt.
Die Raumsonde Cassini hat vor einigen Jahren beeindruckende Bilder der beiden Monde gemacht:
Zu wenig Platz im Planetensystem
Ich persönlich halte die beiden Wechselmonde des Saturn für eines der faszinierendes Phänomene der Astronomie. Außerdem bieten sie ein Beispiel für eine weitere mögliche Konfiguration von Planeten.
In der Anfangszeit der Suche nach extrasolaren Planeten konnte man wegen der technischen Einschränkungen nur sehr große Gasplaneten (ähnlich dem Jupiter) finden, die sich sehr nahe an ihren Sternen befanden (das ist teilweise auch heute noch so). Viele dieser Gasriesen entdeckte man in oder in unmittelbarer Nähe der sg. “habitablen Zone” um einen Stern: also der Bereich, in dem die Temperatur gerade richtig ist, um Leben auf einem erdähnlichen Planeten entstehen zu lassen. Allerdings sind Gasriesen ungeeignet für Leben wie wir es kennen. Und durch ihre gravitative Wechselwirkung würden sie einen eventuell noch in der habitablen Zone vorhandenen kleineren, erdähnlichen Planeten ziemlich schnell aus dem System rauswerfen.
Es ist allerdings noch nicht alles verloren: eine Möglichkeit, wie sich ein erdähnlicher Planet dennoch in einer schon von einem Gasriesen besetzten habitablen Zone halten könnte, habe ich im letzten Beitrag vorgestellt. In einer Trojanerkonfiguration können sich Gasriese und erdähnlicher Planet gemeinsam eine Umlaufbahn teilen.
Saturns Wechselmonde Janus und Epimetheus zeigen uns eine weitere Möglichkeit. Vielleicht könnten zwei Planeten sich in einer ähnlichen Umlaufbahn befinden?
Gibt es Wechselplaneten?
Wäre es möglich,.dass sich ein Gasriese und ein erdähnlicher Planet auf Austauschbahnen bewegen? Wäre so eine Kombination stabil? Meine ehemaligen Kollegen von der Astrodynamik-Gruppe der Universitätssternwarte Wien haben sich mit dieser Frage beschäftigt. Die überraschende Antwort ist: Ja, das würde funktionieren.
Man könnte beispielsweise Jupiter und die Erde nehmen, und beide in die habitable Zone der Sonne setzen. Wenn sie dann sehr eng beieinander liegende Bahnen haben, würden Jupiter und die Erde, genauso wie Janus und Epimetheus, bei jeder nahen Begegnung ihre Orbits tauschen! So eine Konfiguration ist für sehr lange Zeiträume stabil und es funkioniert auch, wenn man die Parameter der Planeten (Massen,…) in gewissen Grenzen ändert.
Aber könnte es in anderen Planetensystemen solche Wechselplaneten wirklich geben? Bei den Trojanerplaneten weiß man zumindest, dass sie entstehen können. Aber bei Wechselplaneten ist diese Frage noch unbeantwortet. Ich würde vermuten, dass sich zwei Planeten nicht direkt in einer Wechselkonfiguration bilden können. Aber vielleicht könnte durch irgendein katastrophales Ereignis (große Kollision) ein Planet abrupt seine Bahn ändern und zufällig in einer Wechselbahn landen. Gewaltige Kollisionen zwischen Protoplaneten kommen bei der Planetenentstehung vor. Aber es müsste schon ein sehr großer Zufall sein, wenn sich dann 2 Planeten tatsächlich in so einer Konfiguration zusammenfinden. Zwei Wechselplaneten in einem extrasolaren Planetensystem zu finden, ist also sehr unwahrscheinlich.
Aber wie schon gesagt: Dieses Thema wurde bis jetzt noch so gut wie gar nicht erforscht – vielleicht stehen die Chancen auch nicht ganz so schlecht. Und wir können in unserem Sonnensystem zumindest ein reales Beispiel beobachten! (In meiner Zeit am Institut in Wien habe ich mal die Asteroiden im Hauptgürtel auf mögliche weitere Kandidaten für Wechselbahnen untersucht – leider ohne Erfolg). Wir wissen also, dass es prinzipiell möglich ist!
Ob dann auf so einem Wechselplaneten auch Leben entstehen kann, ist wieder eine andere Frage. Man müsste noch untersuchen, wie sich die regelmäßig stattfindenen nahen Begegnungen auf das Klima des kleineren Planeten auswirken (eventuell sind die hier auftretenden Gezeitenkräfte nicht zu vernachlässigen). Aber falls es dort Leben gibt, wäre es wohl ein Paradies für Astronomen und Planetlogen: man braucht keine Raumsonden mühsam durchs All zu schicken – der andere Planet kommt netterweise immer wieder von selbst vorbei 😉
Und wer dachte, dass es nicht mehr seltsamer werden kann, der wird sich beim nächsten Teil der Serie wundern. Denn dann erzähle ich was über eine wirklich außergewöhnliche Konfiguration…
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