Seit einiger Zeit arbeite ich ja nun schon an der Universität Heidelberg. Mein Arbeitsgebiet dort ist das europäische virtuelle Observatorium EURO-VO. Virtuelles Observatorium? Klingt so, als hätten sich das die Politiker ausgedacht, um sich die Kosten für eine Sternwarte sparen zu können 😉 Ein virtuelles Observatorium hat aber in Wirklichkeit natürlich nichts mit Einsparungen zu tun – sondern eher mit einer Erweiterung der Möglichkeiten für beobachtende Astronomen.
Wenn Astronomen den Himmel beobachten, dann tun sie das ja schon lange nicht mehr nur mit freiem Auge. Auch durch die Teleskope sieht man nur noch sehr selten. CCD-Kameras machen die Aufnahmen und Astronomen können sie später auf einem Computer betrachten und analysieren. Und was passiert mit diesen Daten, wenn man mit der Arbeit fertig ist?
Nun, am besten ist es, man bewahrt sie auf. Denn vielleicht tauchen später noch weitere Fragen auf – und dann ist man froh, wenn die Daten noch da sind. Außerdem sollten die einer wissenschaftlichen Arbeit zugrunde liegenden Rohdaten sowieso immer verfügbar sein um sie im Zweifelsfall überprüfen zu können.
Also liegen an den Sternwarten und Instituten überall auf der Welt Unmengen an astronomischen Daten herum. Wenn sich dabei z.B. um Himmelsdurchmusterungen und große Kataloge (wie z.B. 2MASS oder Hipparcos) handelt, dann sind die Daten meistens veröffentlicht und frei zugänglich. Bei vielen Beobachtungen ist das aber nicht der Fall – und das ist schade. Denn was für den einen alte, nicht mehr nützliche Daten sind, ist für den anderen vielleicht genau die Information, die benötigt wird um ein bestimmtes Problem zu lösen. Wenn man allerdings nicht weiß, dass diese Informationen und Aufnahmen schon irgendwo existieren, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als selbst noch einmal zu beobachten. Das kostet dann oft viel Zeit, viel Geld und viel Mühe (und wenn man Pech hat und spezielle Instrumente benötigt für deren Benutzung man erst einen Antrag stellen muss, dann kann es passieren, dass man gar keine Beobachtungserlaubnis bekommt).
Und hier kommen jetzt virtuelle Observatorien ins Spiel. Ein virtuelles Observatorium (VO) ist eine Infrastruktur (ein Computerprogram, eine Homepage), die möglichst viele astronomische Daten auf sinnvolle Art und Weise zur Verfügung stellt. Wenn ich dann z.B. dringend eine Infrarot-Aufnahme des Orionnebels benötige, dann kann ich einfach dort nachsehen und spare mir eine eigene Beobachtung.
Ein virtuelles Observatorium ist idealerweise aber mehr als eine reine Datenbank. Es sollte auch die Möglichkeit bieten, die Daten untereinander zu vernetzen (z.B. mit Informationen aus Sternkatalogen), sie zu bearbeiten und zu analysieren (ein Beispiel dafür ist das Computerprogram Aladin, über das ich vor einiger Zeit schon mal geschrieben habe).
Viele Länder haben mittlerweile nationale virtuelle Observatorien eingerichtet und diese in der IVOA (International Virtual Observatory Alliance) vernetzt. Auch Deutschland hat ein virtuelles Observatorium: GAVO – das German Astrophysical Virtual Observatory (hier arbeite ich im Moment). Aber natürlich macht es wenig Sinn, wenn hier jedes Land sein eigenes Süppchen kocht. Wünschenswert wäre eine einheitliche Datenbank, die alle verfügbaren Informationen zusammenfasst und eine einheitliche Infrastruktur, die allen den Zugang zu diesen Daten ermöglicht.
Und genau das ist das Ziel des Europäischen Virtuellen Observatoriums – hier soll ein gesamteuropäisches VO aufgebaut werden. Dazu reicht es natürlich nicht, einfach nur Daten zu sammeln. Hier müssen u.a. jede Menge neue Methoden entwickelt werden, die Daten so zu beschreiben, dass man sie auch wiederfindet und vernünftig nach ihnen suchen kann (man hat zum Beispiel, basierend auf der Datenbanksprache SQL, eine Astronomical Data Query Language (ADQL) entwickelt). Und natürlich gibts dann noch jede Menge andere Fragen, die zu lösen sind, wenn mehrere Länder gemeinsam ein Vorhaben bearbeiten (wer schon mal an einem EU-Projekt mitgearbeitet hat, weiß, was ich meine).
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