Nachdem sich Kepler im letzten Artikel ausführlich dem Kaiser gewidmet hat, geht es nun mit der richtigen Einleitung der “Astronomia Nova” weiter.

Und gleich die ersten Worte lassen erkennen, dass die weitere Lektüre anstrengend sein wird:

“Es ist heutzutage ein hartes Los, mathematische Bücher
zu schreiben. Wahrt man nicht die gehörige Feinheit in den Sätzen,
Erläuterungen, Beweisen und Schlüssen, so ist das Buch kein
mathematisches. Wahrt man sie aber, so wird die Lektüre sehr
beschwerlich, besonders in der lateinischen Sprache (…). Daher gibt es
heute nur sehr wenig tüchtige Leser; die übrigen lehnen die Lektüre
überhaupt ab. (…) Ich selber, der ich als Mathematiker gelte, ermüde
beim Wiederlesen meines Werkes mit den Kräften meines Gehirns
(…).”

Hu – wenn selbst Kepler die “Astronomia Nova” als ermüdenen Lektüre empfindet, dann kann das ja noch lustig werden 😉

Danach erklärt Kepler, dass er in dieser Einleitung einen kurzen Überblick über das gesamte Buch geben und die wichtigsten Argumente und Ergebnisse zusammenfassen wird:

“Besonders jenen zulieb, die sich zur Physik bekennen
und mir; oder vielmehr dem COPERNICUS und somit dem äußersten Altertum
zürnen wegen der durch die Erdbewegung bewirkten Erschütterung der
Grundlagen der Wissenschaften, also ihnen zulieb will ich getreu die
Grundsätze der Hauptkapitel angeben, die hierzu beitragen und ihnen alle
Beweisgrundlagen vor Augen führen, auf die sich meine ihnen so sehr
verhaßten Schlüsse stürzen.”

Kepler fährt fort mit einer Erklärung der beiden hauptsächlichen Weltbilder nach Ptolemäus und Kopernikus und erwähnt auch das tychonische Weltbild (in dem sich die Planeten um die Sonne bewegen; allesamt sich aber um die ruhende Erde drehen). Er erwähnt auch dass

alle drei Theorie “in dem, was sie leisten, genau gleichwertig sind und auf eins hinauskommen.” Die Vorhersagen der drei Weltsysteme eignen sich also nicht, um zu entscheiden, welches davon nun die Realität beschreibt und welche nicht.

Kepler möchte nun zeigen, dass seine Verbesserung des Kopernikanischen Systems die Beobachtungsdaten eindeutig besser beschreiben kann. Zuerst zeigt er, dass sein verändertes System mindestens genau so gute Ergebnisse liefert wie die alten und sogar besser ist:

“Im II.Teil habe ich die Sache selber in Angriff
genommen; ich habe nach meinem Verfahren die Örter des Mars in der
Opposition zur wahren Sonne nicht nur nicht schlechter, sondern sogar
besser wiedergegeben als jene nach dem alten Verfahren
(…).”

In der Einleitung erwähnt Kepler auch schon seine wichtigsten Ergebnisse:

“Denn ob sich die Erde oder die Sonne bewegt, jedenfalls
ist sicher erwiesen, daß sich der Körper, der sich bewegt, in
ungleichförmiger Weise bewegt, und zwar langsamer, wenn er weiter vom
ruhenden entfernt ist, und schnell, wenn er dem ruhenden sehr nahe
steht.”

Das ist nichts anderes als das zweite Keplersche Gesetz!

Danach beschäftigt sich Kepler mit den Kräften, die für die Bewegung der Planeten verantwortlich sind. Die Begriffe sind hier für den modernen Leser relativ ungewohnt. Kepler spricht von “nichtseelischen, also körperlichen, magnetischen Kräften”, wenn er die Art von Kraft meint, die dem heutigen physikalischen Fachbegriff entspricht.

Der Kraftbegriff stellt für Kepler auch einen wichtigen Hinweis auf die Gültigkeit des heliozentrischen Weltbildes dar:

Daß andererseits die Sonne an ihrem Ort im Mittelpunkt
der Welt feststeht, ist unter anderem hauptsächlich deswegen
wahrscheinlich, weil in ihr die Quelle der Bewegung mindestens für die
fünf Planeten liegt, Denn man mag COPERNICUS oder BRAHE folgen, in
beiden Fällen liegt in der Sonne die Quelle der Bewegung für fünf
Planeten, nach COPENICUS auch noch für den sechsten, die Erde. Daß aber
die Quelle aller Bewegung an ihrem Ort ruht, ist wahrscheinlicher als
daß sie sich bewegt.”

Dieses Argument der Einfachheit hat Kepler auch vorher schon die Theorie des Ptolemäus verwerfen lassen:

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