Vor einem Monat habe ich einen Artikel über das Europäische Zentrum für Umweltmedizin in Niederösterreich geschrieben. Dort wird, mit staatlicher Förderung, allerhand esoterisches “erforscht”: Wünschelruten, Geomantie, etc.
Am Wochenende bekam ich dann ein Email von Herrn Dr. med. Engelbert Dechant, Mitarbeiter des EZU und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Zentrums.
Ich habe ihn gebeten, diese Mail hier veröffentlich zu dürfen – was heute genehmigt wurde. Hier ist also nun, ungekürzt, die Stellungnahme des EZU zu meinem Artikel:
Sehr geehrter Herr Dr. Freistetter!
Durch Zufall bin ich auf Ihre Webseite gestoßen. Leider haben Sie vor Veröffentlichung Ihres – gelinde gesagt – mehr als herabwürdigenden Artikels keinen Kontakt mit uns aufgenommen. Wahrscheinlich hätten Sie dann den Unterschied unseres Standpunktes gegenüber esoterischen Geschäftemachern erkannt und auch in Ihrer Stellungnahme differenziert dargestellt.
Ich habe meine Tätigkeit als Arzt stets danach ausgerichtet, meinen mir anvertrauten Patienten mit soweit als möglich wissenschaftlich gesicherten Methoden und Mitteln zu helfen. Meine Kritik an der Schulmedizin bezieht sich nur auf die im klinischen Forschungsbereich zunehmende Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Interessen der einschlägigen Industrie. Ebenso stehe ich allen paramedizinischen Pseudowissenschaften äußerst kritisch gegenüber. Manche Methode ist eher ein Fall für den Konsumentenschutz als für die Wissenschaft. Einzelne Phänomene des Rutengehens, wie in der Arbeit von König und Betz beschrieben, können jedoch als wahrscheinlich angesehen werden.
Am Beginn jeder seriösen Forschungsarbeit steht auch heute noch immer die exakt dokumentierte Beobachtung und Dokumentation. Seit Übernahme des EZU habe ich neben der Ausweitung der Forschungsgebiete genau diese wissenschaftliche Ausrichtung für den Bereich Radiaesthesie vorangetrieben. Deshalb haben wir an den Beginn der Studie für die NÖ Wohnbauforschung die Qualitätssicherung der Rutengeher gestellt. Der genaue Ablauf ist publiziert und kann auf unserer Homepage nachvollzogen werden. Damit ist gleichzeitig ein starkes Argument für das Phänomen an sich erbracht worden.Die Arbeit dieser Rutengeher wird im EZU in einer standardisierten Form sorgfältig dokumentiert und gleichzeitig werden gesundheitliche Beschwerden vor und nach einer eventuell empfohlenen Schlafplatzverlegung erhoben. Darüber hinaus haben wir mit strengen Regeln für Rutengeher Vorsorge getroffen, dass wir nicht als Plattform verschiedenen Geschäftemachern Vorschub leisten. Die gesammelten Protokolle reichen aus, um die statistische Auswertung vornehmen zu können. Selbstverständlich gehen wir korrekt und unvoreingenommen an diese Aufgabe heran. Gleiches erwarten wir auch von Ihnen. Alles Andere wäre eine moderne Form der Inquisition, die bekanntlich vor Jahrhunderten einen Ihrer Kollegen getroffen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Europäisches Zentrum für Umweltmedizin
Dr. Engelbert Dechant
Projektleitung EZUSt. Pölten, am 04. 03. 2009
Nun ja… Ich hoffe ja, dass sich Herr Dr. Dechant vielleicht auch direkt hier in den Kommentaren meldet und mit den Leserinnen und Lesern diskutiert. Ein paar Anmerkungen zu seiner Stellungnahme habe ich aber trotzdem schon mal.
“Leider haben Sie vor Veröffentlichung Ihres – gelinde gesagt – mehr als
herabwürdigenden Artikels keinen Kontakt mit uns aufgenommen.”
Also ich habe den Artikel gerade nochmal gelesen und kann ehrlich gesagt nichts “herabwürdigendes” finde. Ich habe die Arbeit des EZU kritisiert und die “Forschungsgebiete” des Zentrums esoterisch und pseudowissenschaftlich genannt. Aber Kritik ist keine Beleidigung oder Herabwürdigung. Wer sich mit solchen Themen beschäftigt, muss auch damit rechnen, kritisiert zu werden.
“Einzelne Phänomene des Rutengehens, wie in der Arbeit von König und
Betz beschrieben, können jedoch als wahrscheinlich angesehen werden.”
Zu der Arbeit von König und Betz gibt es hier eine ausführliche Analyse des geophysikalischen Instituts der Uni Stuttgart. Die Schlußfolgerung dort:
“Der Wünschelrutenreport zeigt erneut, dass die den Rutengängern zugeschriebenen Fähigkeiten
bei 99 von 100 Rutengängern nur in der Phantasie existieren und dass diese in Wirklichkeit nur
Zufallstreffer erzielen. Von etwa jedem hundertsten Rutengänger meldet der Report Ergebnisse,
die, wenn sie echt sind, kaum als Zufall abgetan werden können. Als einzige Alternative zum
Zufall wird eine (naturwissenschaftlich unverständliche) Strahlenfühligkeit einzelner Rutengänger
diskutiert. Leider sind einige Kritiker des Reports auf diese unvollständige Alternative eingegangen
und haben versucht nachzuweisen, dass die positiven Resultate doch zufällig seien. Wir sehen die
Erklärung woanders.
Die im Report enthaltenen Beobachtungen passen überhaupt nicht zu einem natürlichen Vorgang
und Übernatürliches wollen wir auch nicht in Betracht ziehen. Da bleibt uns nur übrig zu vermuten,
dass die Erfolgsquote des letzten Prozents der Rutengänger nicht so zustandegekommen ist, wie
es der Bericht glauben macht. Entweder haben sich die Experimentatoren trotz aller
Vorsichtsmaßnahmen von einigen Rutengängern über den Tisch ziehen lassen, oder sie sind der
Versuchung erlegen, das sich abzeichnende katastrophale Ergebnis wenigstens in Einzelfällen in
die gewünschte Richtung umzubiegen. Wir können das nicht beweisen, aber die Nähe der Autoren
zu okkultistischen Kreisen (Parapsychologie, sog. Erfahrungsheilkunde, sog. Geobiologie) macht
dies sehr viel wahrscheinlicher als das Auftreten eines bisher unbekannten natürlichen Phänomens
oder eines extremen Zufalls.”
Mißtrauisch macht außerdem, dass “Der Wünschelruten-Report” von König und Betz nicht in einer begutachteten wissenschaftlichen Zeitschrift erschienen ist (es gibt Journale, wo man auch solche Arbeiten veröffentlichen könnte), sondern im Eigenverlag herausgebracht wurde.
Die “Forschung” von König und Betz kann daher kaum als Beleg für nachweisbare Phänomene des Rutengehens benutzt werden.
Deswegen beruhigt auch diese Versicherung von Herrn Dr. Dechant wenig:
“Deshalb haben wir an den Beginn der Studie für die NÖ Wohnbauforschung die Qualitätssicherung der Rutengeher gestellt.”
Solange nichtmal nachgewiesen ist, dass das Phänomen des Rutengehens überhaupt existiert, macht eine “Qualitätssicherung” wenig Sinn. Das ist in etwa so, als würde man die “Wirksamkeit” von belebtem Wasser mit Pendeln oder Wünschelruten nachweisen. Am Beginn so einer Studie müsste erstmal der eindeutige Nachweis stehen, dass man mit Wünschelruten tatsächlich irgendwas nachweisen kann! Wenn man das zweifelsfrei belegt hat, dann kann man sich auch Gedanken um “Qualitätssicherung” und ähnliches machen.
Allerdings müsste man sich dann wohl kaum noch mit der niederösterreichischen Wohnbauförderung herumschlagen. Der Nachweis, dass Rutengehen tatsächlich funktioniert, wäre eine wissenschaftliche Sensation. Physiker überall auf der Welt wären begeistert und würden sich daran machen, dieses neue Phänomen zu untersuchen und zu erklären. Unsere gesamte moderne Physik müsste überarbeitet werden und die verantwortlichen Leute vom EZU wären sichere Kandidaten für den nächsten Nobelpreis.
Leider ist das sehr unwahrscheinlich – Rutengehen wurde in der Vergangenheit ausgiebig untersucht und jedes Mal konnte gezeigt werden, dass man mit einer Wünschelrute bei der Suche nach irgendwas nicht besser dran ist, als wenn man einfach raten würde.
“Selbstverständlich gehen wir korrekt und unvoreingenommen an diese
Aufgabe heran. Gleiches erwarten wir auch von Ihnen. Alles Andere wäre
eine moderne Form der Inquisition, die bekanntlich vor Jahrhunderten
einen Ihrer Kollegen getroffen hat.”
Ok, dieser Satz von Herrn Dechant ärgert mich ein wenig. Die Inquisition hat Menschen ermordet! Ich habe kritisiert, dass in Österreich staatlich geförderte “Forschung” über Dinge stattfindet, die in der echten Wissenschaft schon längst widerlegt worden sind. Mich mit der Inquisition zu vergleichen ist mehr als unangebracht!
Jedes echte Forschungsergebnis muss sich der Kritik der übrigen Wissenschaftler stellen. Wenn ich eine Arbeit veröffentliche, die Mist ist, dann werden mir das meine Kollegen und die Gutachter der Zeitschriften schonungslos sagen. Und ich muss das akzeptieren und probieren, die Fehler zu verbessern. Warum sollten für Wünschelrutenforscher andere Regeln gelten?
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