Der mysteriöse “Planet X” spielt ja bei den esoterischen Weltuntergangsszenarien des Jahres 2012 eine große Rolle. Darüber vergißt man oft, dass die Suche nach dem “Planeten X” eigentlich ein Stück seriöse Wissenschaftsgeschichte ist – und ein äußerst interessantes noch dazu!
Diese Geschichte wird im Buch “The Hunt for Planet X. New Worlds and the Fate of Pluto” von Govert Schilling, erschienen 2008 im Springer Verlag, wunderbar beschrieben.
Eigentlich beginnt die Suche nach dem fehlenden Planeten schon kurz nachdem William Herschel 1781 Uranus, den ersten Planeten der Neuzeit, entdeckte. Als man seine Bahn untersuchte und die berechneten Positionen mit den beobachteten verglich, zeigte sich, das Uranus nicht dort war, wo er eigentlich sein sollte. Man vermutete also, dass es außerhalb der Uranus-Bahn noch einen weiteren Planeten gab, dessen Störungen für die Abweichung der Uranuspositionen verantwortlich war. Der geniale Urbain Le Verrier schaffte es, aus diesen Störungen die Bahn des “Störers” zu berechnen und so wurde 1846 Neptun gefunden: der erste Planet, der quasi vom Schreibtisch aus entdeckt wurde. (Hier habe ich die Geschichte um Neptuns Entdeckung genauer beschrieben).
Aber selbst mit Berücksichtigung des Neptun gab es immer noch Unterschiede zwischen den berechneten und den beobachteten Positionen der äußeren Planeten. Irgendwo, außerhalb der Neptun-Bahn musste also vielleicht noch ein weiterer “Planet X” sein.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts suchten die Astronomen fieberhaft nach diesem Planeten. Fündig wurde im Jahr 1930 der Amerikaner Clyde Tombaugh, als er auf seinen Aufnahmen einen kleinen Lichpunkt fand, der sich im Vergleich zu den Sternen deutlich bewegte: Pluto!
Schnell stellte sich aber heraus, das Pluto nicht der gesuchte Planet X sein konnte – er war viel zu klein, um einen nennenswerten Einfluß auf Neptun ausüben zu können. Also suchte man weiter. Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden auch die ersten Theorien, die von einem ausgedehten Asteroidengürtel außerhalb der Neptunbahn sprachen. Bis jetzt konnte allerdings keines dieser Objekte gefunden werden. Ein weiterer Grund also, diese Region im Auge zu behalten.
Es dauerte bis zum Jahr 1992, bevor Dave Jewitt und Jane Luu den ersten Asteroiden im Kuipergürtel fanden: 1992 QB1. Als nun feststand, dass dort draußen tatsächlich etwas ist, verstärkte sich dich Suche und bald fand man immer mehr dieser Asteroiden.
Mit Beginn des neuen Jahrtausends wurde auch langsam klar, dass viele der Asteroiden im Kuipergürtel sehr groß sein können. Man fand Objekte mit einigen hundert Kilometern Durchmesser; später auch welche, die über 1000 km groß waren und damit fast so groß wie Pluto. Außerdem hatte man schon früher festgestellt, dass Pluto sich seine Bahn mit vielen anderen Asteroiden teilt; den sg. “Plutinos”.
Viele Forscher waren davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis der erste Asteroid entdeckt wurde, der größer ist als Pluto. Wäre das dann ein neuer Planet? Hätte man den Planeten X dann endlich gefunden? Oder wäre das ein Zeichen dafür, dass Pluto eigentlich gar kein richtiger Planet ist? Die Diskussionen waren hitzig – führten aber zu nichts. Als aber Mike Brown 2005 die Entdeckung eines Asteroiden verkündete der tatsächlich größer als Pluto war, musste eine Lösung für dieses Problem her. Es wäre absurd, wenn ein Objekt das größer als Pluto ist, als Asteroid bezeichnet werden müsste und Pluto weiterhin ein Planet bleiben würde. Würde man andererseits den von Brown entdeckten Asteroiden mit dem Spitznamen “Xena” ebenfalls als Planet anerkennen: wo wäre die Grenze? Vergleichbare Objekte gibt es im Kuipergürtel noch einige – die Zahl der Planeten in unserem Sonnensystem würde in den nächsten Jahren vermutlich enorm wachsen.
Deshalb entschloß man sich im Jahr 2006, klar zu defineren, was ein Planet ist und was nicht. Der Ausgang ist bekannt: Im August 2006 beschloß die Internationale Astronomische Union (IAU), dass Pluto nicht mehr zu den Planeten zu zählen ist.
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