In der Diskussion zu meinem Artikel über die “schamanistische Schützenhilfe” für den 1. FC Köln ist wieder einmal das Theme “Selektive Wahrnehmung” augekommen. Zeit, sich damit einmal ausführlicher zu beschäftigen.
(Was ich hier beschreiben will, ist mein persönlicher Eindruck davon, wie sich selektive Wahrnehmung in Wissenschaft und Pseudowissenschaft auswirkt – auf die diversen psychologischen und neurologischen Aspekte dieses Themas kann ich mangels Kompetenz leider nicht eingehen)
Wir alle verlassen uns auf unsere Sinne – meistens viel zu sehr. Das ist aus evolutionärer Sicht durchaus verständlich. Aber leider täuschen sie uns sehr oft. Ist die Ampel wirklich immer gerade dann rot, wenn wir über die Kreuzung fahren wollen? Ist die Schlange im Supermarkt immer dort am langsamsten, wo wir uns angestellt haben? Oder unterliegen wir da einem Trugschluß?
Das wir unseren Sinnen und Erinnerungen nicht wirklich immer trauen können, ist ja mittlerweile schon gut bekannt. Trotzdem fallen wir immer wieder auf unsere Sinneswahrnehmungen rein.
Schlaflos bei Vollmond
Ein gutes Beispiel ist der Mythos, dass der Vollmond Schlaflosigkeit verursacht (über den ich hier schon etwas geschrieben habe). Wer nicht selbst daran glaubt, der kennt sicherlich zumindest eine Person, die steif und fest behauptet, bei Vollmond schlecht zu schlafen. Wenn wir mal den offensichtlichen und selten auftretenden Fall, bei dem tatsächlich das Licht des Mondes die Quelle für die Störung ist, beiseite lassen, dann zeigt sich hier schnell die Rolle der selektiven Wahrnehmung.
Schläft man mal schlecht und merkt, dass in dieser Nacht zufällig Vollmond ist, dann bleibt einem dieses Ereignis stark in der Erinnerung, weil es ja die These – der Mond verursacht die Schlaflosigkeit – unterstützt. Schläft man hingegen schlecht, obwohl der Mond gerade nicht voll ist, dann wird sich das dem Gedächtnis nicht so stark einprägen. Am Ende bleibt der Eindruck, man schlafe immer dann schlecht, wenn gerade Vollmond ist. Hier kann man die selektive Wahrnehmung leicht umgehen und einfach ein Schlaftagebuch führen. Man sieht dann schnell, dass die Schlaflosigkeit nicht mit der Mondphase zusammenhängt (höchstens in Form einer selbsterfüllenden Prophezeiung).
Ein anderer klassischer Fall, bei dem wir nur bestimmte Fälle berücksichtigen und uns so ein verfälschtes Bild der Wirklichkeit konstruieren, ist die “Telefon-Telepathie”. “Gerade hab ich an dich gedacht – und in diesem Moment hast du mich angerufen!”. So etwas ist mir schon öfters passiert – aber natürlich denke ich sehr oft an irgendwelche Leute und so gut wie nie werde ich daraufhin angerufen. Aber wenn es dann Mal passiert, bleibt dieses Ereignis wegen seiner Einzigartigkeit lange im Gedächtnis.
Alles, was möglich ist!
Richard Dawkins beschreibt dieses Phänomen in seinem Buch “Der entzauberte Regenbogen” recht schön: Bei der Beurteilung solcher Phänomene müssten wir eigentlich immer die Gesamtheit aller Phänomen berücksichtigen, die wir ebenfalls als “eindrucksvoll” bezeichnen würden und die ebenfalls passieren hätten können (Dawkins nennt das “petwhac” – Population of Events That Would Have Appeared Coincidental?). Erst dann können wir vernünftig abschätzen, wie unwahrscheinlich das eingetretene Ereignis tatsächlich ist.
Gut erklären lässt sich das mit den Aktionen von Uri Geller. In seinen Fernsehshows “sendet” er immer mindestens einmal seine “Energie” an das Publikum, und meint dann vage, es würden bei den Zusehern zuhause nun seltsame Dinge geschehen können.
Hier kann er natürlich nur gewinnen – denn irgendetwas passiert sicher – etwas, dass uns ansonsten vielleicht gar nicht sonderlich geheimnisvoll vorgekommen wäre. Vielleicht stößt man an den Tisch und die Chips-Packung landet am Boden – ein Ereigniss, das wahrscheinlich Abend für Abend in dutzenden deutschen Haushalten vorkommt. Aber plötzlich wird es zum “Beweis” für Gellers Fähigkeiten. Vielleicht fällt auch der Strom aus, vielleicht klappert ein Fensterladen, vielleicht ist dem Hund langweilig und er springt auf und will spielen oder ein Vogel fliegt gegen das Fenster. Es gibt hier so viele potentielle mögliche Dinge, bei denen wir bereit wären, sie als “Treffer” zu bezeichnen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dutzende Zuschauer einige davon erleben. In der Fernsehsendung hören wir dann natürlich nur von diesen “Phänomenen”…
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