Na toll… Am großen Teilchenbeschleuniger LHC des europäischen Kernfoschungszentrums CERN werden in den nächsten Jahren wahrscheinlich die großen Entdeckungen in der Physik gemacht. Entdeckungen, die unser Weltbild dramatisch verändern könnten.
Und was macht Österreich? Es beendet die Mitgliedschaft. Warum? Es sei zuwenig Geld da und die Mitgliedschaft bei anderen internationalen Organisationen sei wichtiger.
Noch im November letzten Jahres hat Wissenschaftsministern Hahn stolz erzählt, wie toll die Mitgliedschaft bei CERN nicht ist:
“Der LHC ist ein eindrucksvoller Beweis für die Schlagkraft der Grundlagenforschung und deren Bedeutung für die technologische Weiterentwicklung”, sieht sich Wissenschaftsminister Johannes Hahn in seiner Forderung nach einer stärkeren Dotierung der Grundlagenforschung bestärkt. „Ganz besonders freue ich mich über die starke österreichische Beteiligung an den verschiedenen Teilprojekten dieses größten Experiments der Wissenschaftsgeschichte.”, so Hahn.”
Anscheinend ist die Einsparung von gerade Mal 15 Millionen Euro Mitgliedsbeitrag pro Jahr aber nun wichtiger als die “stärkere Dotierung der Grundlagenforschung”.
Auch die jungen Forscher werden nicht begeistert sein. Hieß es bis jetzt noch:
“Österreich stellt ein Drittel aller CERN-Stipendiat/innen und liegt damit an zweiter Stelle aller Mitgliedsstaaten.”
so werden die österreichischen Studenten in Zukunft von der Forschung in CERN weitesgehend ausgeschlossen sein.
Auch Forschungszentren wie das Austrian Research Center Seibersdorf, die bisher eng mit dem CERN zusammengearbeitet haben, werden nun Probleme kriegen.
Aber irgendwie überrascht mich diese Entwicklung nicht wirklich. Von einem Minister, der keine Probleme damit hat, einem Esoteriker, der nach Anweisung Gottes Wasser energetisiert für diese “wissenschaftliche Leistung” einen Orden zu verleihen; und der die Grundlagenforschung in Österreich monatelang ohne Finanzierung dastehen lässt, von dem ist kein besonderer Weitblick zu erwarten.
Laut Hahn ist das aber alles zum Besten der österreichischen Forschung:
“Um den österreichischen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern sowie dem Universitätssystem die genannten Perspektiven eröffnen zu können, erscheint eine Beendigung der österreichischen CERN-Mitgliedschaft notwendig und sinnvoll”
Ja klar… nicht an der europäischen Spitzenforschung teilzunehmen, eröffnet wahrlich neue Perspektiven für die österreichischen Forscher.
In der Wiener Zeitung ausführlich sagt Hahn:
“das Ministerium habe zwischen Weitermachen und dem Verzicht auf Zukunftsperspektiven abwägen müssen”
Und
“Im Wissenschaftsministerium wurden dafür die Mitgliedschaften
Österreichs bei internationalen Einrichtungen “auf ihre Sinnhaftigkeit,
ihre wissenschaftliche Ökonomie” und den zukünftigen Nutzen für eine
möglichst hohe Zahl an Fachdisziplinen analysiert. Es gehe darum, “das
Forschungsprofil zu schärfen”.
Wenn man in Österreich ein bisschen mehr Geld für die Forschung ausgeben würde, dann müßte man das “Forschungsprofil nicht schärfen” (=Forschung kürzen). Dann könnte man tatsächlich das machen, was Hahn behauptet:
“Seitens des Ministeriums betont man, gegenüber neuen Entwicklungen in
der Forschungsinfrastruktur aufgeschlossen zu sein und auch in Zukunft
auf europäischer Ebene eine aktive Rolle spielen zu wollen.”
Wie
die “Aufgeschlossenheit” gegenüber neuen Entwicklungen aussieht, hat
Hahn ja nun gezeigt. Da baut man in CERN Jahrzehnte lang die größte
Maschine der Menschheit von der fundamentale neue Erkenntnisse zu
erwarten sind – und dann reicht ein EU-Wahlkampf, um diese Investition
für eine kurzfristige, minimale Einsparung einzutauschen.
Außerdem bringt die CERN Mitglieschaft ja eh nichts für Österreich, meint Hahn
“Der wissenschaftliche Output des Cern sei unbestritten, die
Sichtbarkeit kleiner Staaten bzw. einzelner Wissenschafter bei den
riesigen Cern-Experimenten mit rund 2000 Akteuren aber “eher gering”.
Kritik zu dieser Entscheidung kommt von allen Seiten. Anton Rebhan, Professor für theoretische Physik an der TU Wien meint, das der Zeitpunkt für den Austritt sehr dumm gewählt sei:
“just zu dem Zeitpunkt, wo es daran geht, die Ernte von
jahrzehntelangen Vorbereitungen einzufahren”. Österreich wende sich
“von der vordersten Front der Grundlagenforschung zum denkbar dümmsten
Zeitpunkt ab und bricht damit eine Erfolgsstory für die beteiligten
Studenten, Forscher und Techniker mutwillig und kurzsichtig an.”
Auch Michael Scherz von der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer ist nicht zufrieden:
“In den vergangenen Jahren hätten “rund 30 bis 35 Firmen” aus Österreich
Geschäfte mit CERN getätigt, darunter große Player wie das Tiroler
Unternehmen Plansee, aber auch kleinere Firmen.”
Und auch die Opposition kritisiert Hahns Entscheidung. Kurt Grunewald von den Grünen meint:
“Österreich war jahrelang Mitglied des CERN und ich habe in Genf die
Begeisterung und den Enthusiasmus der dort arbeitenden vielen jungen
österreichischen WissenschafterInnen miterleben dürfen. Es ist doch
grotesk wenn bei angeblich so tollen Budgetsteigerungen nun diese
sicher teure Mitgliedschaft und mit ihr die Hoffnung vieler Forscher
begraben wird.”
Der Leiter des Instituts für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Christian Fabjan spricht sogar von “einem schwarzen Tag für die österreichische Forschung”. Recht hat er!
Interessant ist auch die Anmerkung des Bloggers Georg Holzer:
“Immerhin: 80 Prozent des einbezahlten Betrages gehen indirekt oder direkt wieder nach Österreich zurück
– sei es in Form von Löhnen an österreichische Wissenschaftler am CERN
oder in Form von Aufträgen an heimische Firmen und Institutionen.”
Damit wird die “Einsparung” durch den Austritt wirklich vernachlässigbar gering.
Im Kurier werden erste “Alternativprojekte” genannt:
“Die frei werdenden Mittel werden auf den Wissenschaftsfonds (FWF) und
auf einige Schwerpunkte verteilt; genannt wurde aus dem Bereich Physik
und Astronomie das geplante riesige Teleskop der Europäischen
Südsternwarte E-ELT mit einem Spiegeldurchmesser von 42 Metern oder im
Bereich Bio- und Medizinwissenschaften eine internationale Datenbank
biologischer Proben. Noch sind diese Projekte nicht fix, in Summe würde
eine Beteiligung Österreichs daran einige Millionen Euro im Jahr kosten.”
Das
ist ja alles schön und gut und das sind alles wichtige Projekte. Aber
der Teilchenphysik das Geld weg zu nehmen und es dann z.B. der
Astronomie zu geben, ist nicht der Weg zu einer vernünftigen
Forschungsförderung!
Wenig überraschend findet die konservative Zeitung “Die Presse” Hahns Entscheidung in Ordnung. Martin Kugler (der ehemalige Pressesprecher des Opus Dei) schreibt dort in einem Leitartikel mit dem Titel “Abscheid vom Physik-Dinosaurier” folgendes:
“Im Vergleich zu den Lebenswissenschaften oder
der Nanotechnologie mutet die Teilchenphysik wie ein
Wissenschaftsdinosaurier an: behäbig (jedes Experiment dauert Jahre),
aufwendig (riesige Anlagen sind nötig) und wenig zukunftsträchtig (die
Zeit der großen Entdeckungen scheint vorbei zu sein).”
Das
ist ja wirklich großer Unsinn! Die Zeit der großen Entdeckungen ist
vorbei?? Die Zeit der großen Entdeckungen fängt gerade erst an! Man
sollte Martin Kugler mal ein bisschen
Physik-Nachhilfe geben.
Lesenswert ist aber der Kommentar von Klaus Taschwer im Standard. Ein Ausschnitt:
“Vertrauen und Verlässlichkeit sind in der Welt der Wissenschaft
entscheidende Werte. Wenn Österreich tatsächlich von heute auf morgen
aus dem Cern-Vertrag aussteigen sollte, zerstört das Land mit einem
Schlag seinen guten internationalen Ruf als Forschungsstandort, den es
sich in den vergangenen Jahren so beharrlich erarbeitet hat.”
Österreichs guten Ruf als Forschungsstandort zu zerstören scheint die Agenda der österreichischen Wissenschaftminister der letzten Jahre zu sein. Ich dachte wirklich nicht, dass es nach Hahns Vorgängerin, Elisabeth Gehrer, noch schlimmer kommen könnte. Aber so kann man sich irren.
Nun werden also die zu erwartenden großen Entdeckungen am CERN ohne
österreichische Beteiligung stattfinden. Toll gemacht, Herr Hahn!
Nachtrag: Bei sos.teilchen.at wird der Protest gegen den Ausstieg koordiniert.
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