Fazit: Nicht alles Unbequeme allzuschnell als kompletten Humbug ein- bzw aussortieren, aber genausowenig (wie eben in der Para*) Daten für eine Theorie suchen, sondern korrekt eine Hypothese für die Daten.
11:30: Klaus Schmeh informiert über “Parawissenschaftliche Codes”, die so neu ja nun auch nicht sind, wie anhand John Taylors 1859er Buch “The Great Pyramid” gesehen werden kann (vermutete Codierung von u.a. der Zahl Pi in der Cheopspyramide). Ein Konzept, für das der Begriff Para-Steganographie geschöpft wurde, die nach wissenschaftlicher Meinung nicht vorhandene versteckte Nachricht. Nach einer kurzen Betrachtung, wie leicht im Speziellen (Radosophie oder der Nudellöffel aus Bornholds “Der Hund, der Eier legt”) und Allgemeinen eine solche ‘Entschlüsselung’ aus dem Nichts geschaffen werden kann, kam eine sehr lange Liste von Ausgangspunkten derartiger Dekodierversuche:
- Shakespeare (war es doch Francis Bacon?)
- Voynich-Manuskript (an sich ein durchaus interessantes Werk)
- Da Vincis Abendmahl (die Gralsnummer halt..)
- Nazca
- Turiner Grabtuch (ja, auch darin sollen Texte verborgen sein)
- Johann Sebastian Bachs Werke (natürlich jenseits des bekannten b-a-c-h)
- Nostradamus
- und nicht zuletzt die heiligen Schriften wie Bibel und Koran
Als besonders obskures Beispiel zum Abschluß dienten die die satanischen Umtriebe der EAN-Codes, das Lesen der 666 aus den Trennstreifen.
14:15: Holm Hümmler (Bild oben) betrachtet diejenigen Aussagen der Verschwörungstheorien um den 11 September 2001, die auch in vielen eher seriösen Zuhörern ein “Da stimmt doch was nicht…” entlocken.
- Einsturzursache und -Verlauf scheinen unlogisch, kann ein ‘Bürobrand’ Stahl schmelzen?
- WTC7 sieht doch wie eine typische Gebäudesprengung aus
- In das Pentagon kann doch kein Flugzeug gestürzt sein, keine Überreste
- Hat die große Militärmacht USA den Anschlag verschlafen, warum kein Abschuß, wo doch beim Pentagon ein automatisches Flugabwehrsystem installiert ist
Die rückstandslose Zertrümmerung dieser Aussagen geschah derart lakonisch und ohne die Notwendigkeit eines besonderen Spezialwissens, daß ich a) nicht zum Mitschreiben kam, dafür aber b) zur Umsetzung in einen ©-freien Text um Zusendung der slides gebeten (und erhalten) habe. Falls also jmd Interesse zeigt, werde ich diesen noch zu entstehenden Text gerne zugänglich machen.
Fazit: Schon aufgrund der Varianz der überall im Netz und anderen Medien vertretenen 9/11-VTs ist eigentlich nicht von einer Verschwörungstheorie, sondern eher von einer Verschwörungsgläubigkeit zu reden.
15:15: Sich selbst anmoderierend, erklärte Martin Mahner, “Warum Intelligent Design versucht, ohne Gott auszukommen, aber grundsätzlich nicht auf ihn verzichten kann”. Nach der Differenzierung Kreationismus / ID folgte ein historischer Abriß der immer noch gerne zitierten Vorgänger aus der Teleologie oder Naturtheologie wie z.B. William Paley, der schon lange vor dem Erscheinen seines Buches “Natural Theology” (1802, das mit der Uhrmacher-Analogie) von David Hume widerlegt worden war. Letzteres war natürlich keine präkognitive Meisterleistung, sondern nur ein Ausdruck, das alles auch damals schon lange bekannt war. Auf demselben falschen Analogieschluß wie schon Paley fußt die aktuelle Kritikimmunisierungsstrategie der Kreationisten, sorry, des ID: Das Zurückschieben des Schöpfungsprozesses (Panspermie, Alien-Genfummelei etc pp) so weit es geht – nur um in einem unendlichen Regress zu torieren. Die Verlegung der teleologischen Argumentation ins Transzendente löst nicht nur diese Problematik überhaupt nicht, sondern wäre auch eine Selbstaufgabe des naturalistischen Ansatzes.
Letztendlich könnte ID aufgefasst werden als aktuelle Ausprägung einer Marketingstrategie sattsam bekannter reaktionärer, aufklärungs- bzw wissenschaftsfeindlicher Interessen.
Jetzt wird sich ein aufmerksamer Leser vielleicht fragen ‘Ja gab es denn heute gar keinen Spaß?’. Ganz im Gegenteil, nur erwähne ich es aus reiner Faulheit für alle Vortragenden zusammen – und es wurde sogar noch wesentlich intensiver, als Anne Frütel und Jörg Wipplinger verkündeten “Die Wahrheit bringt Heilung“. Nein, ich wage es nicht, ein Theaterstück zu beurteilen – nur eine völlig subjektive Zusammenfassung: Umwerfend, zwerchfellgefährdent. Falls ihr eine Gelegenheit zum Anschauen bekommen solltet, verpasst sie nicht. Zwei Schnipsel muß ich allerdings weiterreichen:
Homöopathisches Medikament, Verdünnung 1:0.00000000000000000(weitere Nullen auf der Packungsbeilage)
Der Deppensyllogismus:
- ich habe von A keine Ahnung
- ich habe von B keine Ahnung
- also hängen A und B kausal zusammen
Etwas ganz spezielles habe ich neben allem anderen gelernt auf dieser Reise: Es gibt doch vernünftige Gründe, sich einen Lap-, Net- oder sonstwie-top zuzulegen. Da zu Hause schon eine Handvoll Rechner mehr oder weniger gut zusammen arbeiten, sah ich bisher wahrlich keinen Anlaß für noch einen mehr. Aber: Allein die Zeit, die sich für Interessanteres einsparen läßt, wenn in den unvermeidlichen kleineren und selbst winzigen Pausen schon der Text vorbereitet, die Photos bearbeitet werden können…
Eine Schlußbemerkung meinerseits: Alles in diesem Tagungstagebuch Wiedergegebene ist natürlich nicht das, was die Redner gesagt haben, ja nicht einmal das, was ich gehört habe, sondern ausschließlich das, was ich gehört zu haben mich erinnere. Oder anders gesagt: Alle Fehler auf meine Kappe.
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