“Ich weiß zum Glück, dass nicht alle Wissenschaftler in der Grundlagenforschung so reagieren wie zwei oder drei junge aufstrebende Forscher bei den ScienceBlogs. Wenn es anders wäre, dann müssten wir die Frage, ob wir uns diese Grundlagenforschung leisten wollen, nämlich wirklich stellen.”
Jörg Friedrich hat ja leider weder konkrete Namen genannt noch konkrete Beispiele gebracht. Also ist es schwer zu verstehen, was er meint. Seinen Kommentaren nach zu urteilen, scheint er sich darüber zu beschweren, dass manche Kommentatoren von manchen Bloggern als “Trolle” o.ä. bezeichnet werden. Nun, zu diesem Thema gibt es hier schon eine lange Diskussion. Ich sehe allerdings nicht, was das mit Öffentlichkeitsarbeit und Wissensvermittlung zu tun haben soll.
Aber egal. Viel ärgerlicher finde ich diese Aussage und das, was sie impliziert:
“Der Nutzen dieser Forschung [der Grundlagenforschung] für die Gesellschaft ist in etwa so groß wie die Durchquerung der Antarktis auf Schiern, wie die Besteigung des Mont Everest, wie das Laufen von 42 km in 2 Stunden.”
Ich habe weiter oben schon geschrieben, dass ich nicht der Meinung bin, dass der Nutzen der Grundlagenforschung für die Gesellschaft “ungewiss” (oder nicht vorhanden) ist! Muss ein “Nutzen” immer etwas sein, was man produzieren, verkaufen und ins Regal stellen kann? Welchen Nutzen hat ein Kinofilm? Welche Nutzen hat ein Musikstück? Ein Gemälde? Ist das auch alles nutzlos?
Würde ich argumentieren, dass Kunstgalerien und -museen keinen Nutzen für die Gesellschaft haben, nur viel Geld kosten und daher abgeschafft werden sollten, würde man mich (zu Recht!) kritisieren. Würde ich behaupten, Fußball, Formel-1 und überhaupt der restliche Sport hätte keinen Nutzen und man könnte die Unsummen, die dafür ausgegeben werden viel besser verwenden, dann müsste ich (wieder zu Recht!) mit sehr vielen, sehr bösen Kommentaren rechnen. Natürlich haben Kunst und Sport einen Nutzen für die Gesellschaft. Genauso wie die Grundlagenforschung. Der Nutzen, den eine (scheinbar) nutzlose wissenschaftliche Theorie hat, ist der gleiche Nutzen, den ein Gemälde hat: Menschen sind froh darüber, dass es existiert. Auch wenn es nicht um neue tolle Technologien mit hundert Klingeltönen geht, kann Wissenschaft nützlich sein. Die Mona Lisa hängt im Louvre und tut dort nicht viel. Trotzdem ist sie für sehr viele Menschen sehr “nützlich” gewesen. Genauso “nützlich” für viele Menschen war z.B. die Entdeckung des ersten extrasolaren Planeten.
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind genauso “schön” wie Kunstwerke – unabhängig von den Anwendungen, die sich daraus ergeben. Wissenschafliche Erkenntnisse können Menschen genau mitreissen oder inspirieren wie Musik oder ein Sportereignis – auch ohne neue Technologien, die daraus entstehen. Irgendwie scheint das auch Jörg Friedrich zu verstehen (“Es gibt einen Konsens darüber, dass wir wissen wollen „was die Welt im Innersten zusammenhält”) – was ihn aber nicht daran gehindert hat, den oben zitierten Unsinn über Grundlagenforschung zu schreiben.
Ich denke, eine Welt in der alles und jedes immer nur einen “Nutzen” (im technologischen Sinn) haben muss, wäre äußerst langweilig und häßlich. Die “Sinnlosigkeit” hat durchaus Sinn – denn sie macht das Leben erst interessant und schön! Dazu möchte ich nochmal einen Freund von mir zitieren – Dr. Albert Washüttl, der Gründer des Vereins “Freunde der Zahl Pi” – der zu diesem Thema folgendes gesagt hat:
“Die Sinnlosigkeit zeigt uns, worum es letztendlich in unserem Leben ankommt: nicht darum, einer Aufgabe oder Verpflichtung nachzukommen, ein Los zu tragen oder nach Befreiung zu streben (wie es so manche Religion dem Menschen aufbürden will), sondern einfach nur um eines: nämlich das Leben zu leben, hier und jetzt! es zu genießen und sich daran zu erfreuen, in guten wie in schlechten Dingen. Der Sinn, nach dem die Menschheit stets strebte, würde uns nur einengen. Das Nichtfindenkönnen dieses vermeintlichen Sinnes erfüllte so viele ernsthaft Suchende mit Enttäuschung, Schmerz und Trostlosigkeit. Die zurückgewonnene, nun akzeptierte Sinnlosigkeit macht uns frei!”
Kommentare (168)