ResearchBlogging.orgJacques Laskar vom Observatoire de Paris gehört zu den bekanntesten aktuellen Himmelsmechanikern (sofern Himmelsmechaniker überhaupt bekannt sein können 😉 ). Seine Prominenz verdankt er einigen spektakulären wissenschaftlichen Ergebnissen (die sich auch immer sehr gut für Zeitungsschlagzeilen eignen). Dazu gehört zum Beispiel die Erkenntnis, dass die vom Mond ausgeübte Gravitationskraft die Achse der Erde stabilisiert und allzu große Schwankungen unterbindet, was ansonsten zu katastrophalen klimatischen Entwicklungen hätte führen können.

Am bekanntesten sind aber wohl seine Arbeiten über die Stabilität des Sonnensystems. Darüber arbeitet Laskar schon seit Jahren und ich habe hier im Blog auch schon über frühere Ergebnisse berichtet.

Nun hat er wieder eine neue Arbeit zum Thema veröffentlicht. Und wieder lautet das wichtigste Ergebnis: es besteht eine geringe Chance, dass in fernster Zukunft die Planeten des inneren Sonnensystems (also auch die Erde) miteinander kollidieren bzw. aus dem System geworfen werden.

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Bild: IMCEE Paris


Wie schon in den früheren Arbeiten dreht sich alles um Merkur. Der innerste und kleinste Planet im Sonnensystem hat wegen seiner Nähe zur Sonne auch eine sehr interessante Dynamik. Schon 1994 zeigte Laskar, dass die Exzentrizität der Merkurbahn (also die Abweichung von der Kreisform) unter Umständen sehr groß werden kann. Seine Methodik blieb allerdings nicht ohne jede Kritik: Laskar hat gezielt “Worst-Case”-Szenarien gesucht; also einr große Menge an Anfangsbedingungen untersucht und die ausgewählt, die am ehesten auf eine Kollision von Planeten hindeuten. Diese wurden dann variert und als neue Anfangsbedingungen verwendet; aus den Ergebnissen wurden wieder die “schlechtesten” ausgewählt – usw. Am Ende konnte er so z.B. Merkur aus dem Sonnensystem fliegen lassen.

In seiner neuen Arbeit: “Existence of collisional trajectories of Mercury, Mars and Venus with the Earth“, die vor kurzem in Nature erschienen ist, hat Laskar nun zumindest einige der Probleme aus den letzten Arbeiten gelöst. Die Näherungsmodelle, die er zur Simulation verwendete, funktionierten bei großen Exzentrizitäten nicht richtig – diese Modelle wurden nun verbessert. Außerdem wurden nun auch die Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie berücksichtigt. Das war nötig, weil er in seiner letzten Arbeit “Chaotic Diffusion in the Solar System” zu Ergebnissen kam, die anderen Arbeiten widersprachen.

Die neue Arbeit zeigt nun wieder, dass Merkur – wenn man seine Bahn über einen Zeitraum von einigen Milliarden Jahren betrachtet, eine sehr große Exzentrizität bekommen kann. Das liegt an einer säkularen Resonanz mit Jupiter, durch die Drehmoment vom äußeren ins innere Sonnensystem übertragen werden kann. Je größer aber die Exzentrizität einer Bahn ist, desto langgestreckter ist sie auch. Die Bahn kann also nun auch die Bahnen anderer Planeten kreuzen; Kollisionen sind möglich. Genauso steigt die Chance einer Kollision mit der Sonne bzw. ein Auswurf aus dem Sonnensystem. Alle drei Möglichkeiten hat Laskar in Merkurs Zukunft gefunden.

Interessant sind aber auch die Auswirkungen, die die Erhöhung von Merkurs Exzentrizität auf die anderen Planeten hat. Denn die veränderte Merkurbahn führt natürlich zu veränderten gravitativen Störungen auf die restlichen Planeten. In einer der Simulationen näherte sich beispielsweise der Mars bis auf wenige 100 Kilometer der Erde – die Auswirkungen durch die Gezeitenkräfte wären verheerend (wenn auch die Aussicht auf Mars vermutlich phänomenal wäre…).

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Das Bild oben zeigt, wie sich die Exzentrizitäten von Merkur (rot), Mars (grün) und Erde (blau) im Verlauf von 3,5 Milliarden Jahren ändern. Anfänglich schwanken die Kurven nur um ihre heutigen Werte – dann aber beginnt Merkurs Exzentrizität zu wachsen; sinkt dann aber am Schluß wieder – gleichzeitig steigt die Exzentrizität des Mars (dafür ist wieder eine säkulare Resonanz verantwortlich); wodurch sich seine Bahn so ändert, dass er der Erde sehr nahe kommen kann.

Besonders hervorgehoben wurde im Artikel eine Simulation, in der Venus und Erde kollidieren. Auch hier wuchs anfänglich die Exzentrizität des Merkur. Säkulare Resonanzen führen dazu, dass auch die Exzentrizitäten von Venus, Erde und Mars wachsen. Das führt – wie im Bild oben – zu nahen Begegnungen von Erde und Mars wodurch sich die großen Halbachsen ihrer Bahnen ändern (d.h. der mittlere Abstand zur Sonne). Dadurch treten Merkur und Mars in eine neue säkulare Resonanz, wodurch Merkurs Exzentrizität sinkt. Als Ausgleich wachsen die Exzentrizitäten von Erde und Venus noch stärker und ihre Bahnen beginnen sich zu kreuzen. Schließlich, nach 3.35 Milliarden Jahren, fällt uns die Venus auf den Kopf!

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Kommentare (7)

  1. #1 GeMa
    15. Juni 2009

    Aha. Das ist mir jetzt doch verständlicher, als bei Focus online. (Um von den noch kürzeren Meldungen der anderen mal nicht zu reden.)

  2. #2 isnochys
    15. Juni 2009

    Viel schlimmer ist ja, dass wir in ein paar Milliarden Jahren mit Andromeda kollidieren!
    :)))

  3. #3 Georg Hoffmann
    15. Juni 2009

    @Florian
    Lasker hat es mit der Story sogar auf Seite 3 der Liberation gebracht.
    DU sagst

    d.h. es ist sowieso nicht möglich, konkrete Vorhersagen für Zeiträume zu machen, die länger als 10 Millionen Jahre sind (und selbst das ist eigentlich nicht möglich; praktisch sind die Zeiträume, über die die Position der Himmelskörper genau vorherberechnet werden kann, viel kürzer und liegen bei einigen tausend Jahren).

    Wir benutzen insbesondere immer die Rechnungen von Andre Berger (Univ.Liege) für unsere Paleorechnungen und in der Tat fuer die letzten paar Millionen Jahre. Wieso meinst du, dass es “praktisch nur ein paar 1000 Jahre” geht?

  4. #4 Geoman
    15. Juni 2009

    @Florian Freistetter

    Wäre es nicht treffender und aufschlussreicher gewesen, wenn Sie Ihren interessanten Beitrag “Welten im Zusammenstoß reloaded…” genannt hätten!

  5. #5 Florian Freistetter
    15. Juni 2009

    @Georg: Es kommt drauf an, wie du “genau” definierst. “Genau” im Sinne von “mit einer Raumsonde zielgenau hinfliegen” braucht nicht nur die Newtonschen Gleichungen; sondern ART, den Einfluss der Asteroiden und Monde, extra Modelle für ausgedehnte Körper statt Punktmassen; nicht-gravitative Kräfte (Strahlungsdruck; Yarkovsky-Effekt), etc. Will man das alles für Millionen Jahre rechnen, schafft man das mit der aktuellen Computerpower nicht bzw. es wäre unökonomisch. Wenn man eine andere Art von “genau” haben will – z.B. die Paleorechnungen (die ja auch Laskar macht) kann man schon ein bisschen länger rechnen.

    @Geoman: Sie spielen auf Velikovsky an, nehm ich an. Über dessen “Theorie” hab ich hier schon was geschrieben. Da stoßen zwar auch Planeten zusammen – aber Velikovskys Arbeit ist nicht mit der von Laskar zu vergleichen. Laskar macht Wissenschaft; Velikovsky nur Unsinn. Seine Planetenbewegungen sind himmelsmechanisch unmöglich.

  6. #6 knorke
    17. Juni 2009

    Florian, ich habe mal eine (drei) Frage(n):
    Die Geschwindigkeit, mit der sich Planeten auf ihren Bahnen bewegen, nimmt die eigentlich ab?
    Wäre es dann eigentlich theoretisch möglich, dass die Planeten dadurch ihre Umlaufbahnen um die Sonnen immer weiter reduzieren und in die Sonne plumpsen?

    Und: Wie lange würde das dauern? (Wahrscheinlich einige Milliarden Jahre, nehme ich an?)

  7. #7 Florian Freistetter
    17. Juni 2009

    @knorke: Prinzipiell bleibt die Geschwindigkeit gleich und die Umlaufbahnen (im Mittel) gleich groß. ABER die allgemeine Relativitätstheorie sagt voraus, dass die Planeten Gravitationswellen abstrahlen und dadurch Energie verlieren und irgendwann tatsächlich in den Stern stürzen. Das dauert allerdings seeehr lange. Genaue Zahlen hab ich grad nicht – aber einige Milliarden Jahre auf jeden Fall; wahrscheinlich länger. Bei Doppelpulsaren, also sehr schweren Objekten, die einander umkreisen, konnte man diesen Effekt schon messen; bei den Planeten nicht – die sind zu klein.