In letzter Zeit beschäftigt mich ein Planet, der eigentlich unmöglich existieren kann. Nein, ich meine nicht Nibiru – diesmal geht es um ernsthafte Wissenschaft.
Vor einiger Zeit haben David Ramm von der Universität Canterbury in Neuseeland und seine Kollegen einen Artikel mit dem Titel “Spectroscopic orbits for K giants β Reticuli and ν Octantis: what is causing a low-amplitude radial velocity resonant perturbation in ν Oct?” veröffentlicht. Die Frage im Titel deutet es schon an: Beim Stern v Octantis wurde eine charakteristische Variation in der Radialgeschwindigkeit gemessen; eigentlich ein deutliches Anzeichen für die Existenz eines extrasolaren Planeten (obwohl es natürlich auch andere Interpretationen gibt). Zusätzliche Messungen und Analysen zeigen, dass die Daten nicht auf Instrumentenfehler zurückzuführen sind. Es handelt sich auch nicht um Sternpulsationen oder große Sternflecken (die anderen Standarderklärungen für Radialgeschwindigkeitsvariatione). Die beste Erklärung wäre tatsächlich ein Planet, der v Octantis umkreist.
Da gibt es nur ein Problem: dort darf sich eigentlich kein Planet befinden.
v Octantis ist nämlich Teil eines Doppelsternsystems. Gemeinsam mit einem zweiten Stern bildet er einen sg. spektroskopischen Doppelstern. Das bedeutet, dass die beiden Sterne sehr nahe bei einander stehen und im Teleskop normalerweise nur als ein einziges Objekt erscheinen. Nur durch spektroskopische Messungen zeigt sich, dass es sich um einen Doppelstern handelt.
Der eine Partner im System ist schwerer als die Sonne; er hat etwa die 1.4fache Sonnemasse. Der zweite Stern ist nur knapp halb so schwer als unsere Sonne und befindet sich 2.55 Astronomische Einheiten entfernt (also etwa da, wo in unserem Sonnensystem der Hauptgürtel der Asteroiden ist; zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter). Noch dazu umkreist er den schwereren Stern auf einer sehr exzentrischen Bahn. Mit einer Exzentrizität von 0.24 ist die Abweichung der Bahn von der Kreisform doch sehr groß.
Im Prinzip spricht nichts dagegen, dass es extrasolare Planeten in einem Doppelsternsystem gibt. Meine frühere Arbeitsgruppe an der Universität Wien hat sich lange mit diesem Problem beschäftigt und die Bedingungen untersucht, unter denen sich Planeten stabil in solchen Systemen bewegen können.
Kurz zusammengefasst gibt es zwei Bereich, in denen sich Planeten problemlos bewegen können: nahe bei einem der beiden Sterne (S-Typ) und außen um beide Sterne herum (P-Typ):
Im Falle einer S-Typ Bewegung dominiert der nahe Stern, was die Gravitationskraft angeht und die Störungen, die der ferne Stern ausübt, sind klein genug um die Bahn des Planeten nicht instabil werden zu lassen. Bei der P-Typ Bewegung “spürt” der Planet nur den kombinierten Einfluss beider Sterne und er umkreist sie so, als wäre es nur ein Objekt.
Kritisch wird es nur im Bereich zwischen den beiden Sternen. Hier ist die Anziehungskraft beider Objekte auf den Planeten vergleichbar und die Bahnen werden chaotisch. Und genau da soll sich der Planet um v Octantis befinden!
Die Radialgeschwindigkeitsmessungen deuten auf einen Planeten mit etwa 2.5facher Jupitermasse hin, der sich in einem Abstand von 1.2 Astronomischen Einheiten des größeren Sterns befindet. Als tatsächlich ziemlich genau in der Mitte zwischen den beiden Sterne.
Alle bisher durchgeführten Modellrechnungen zeigen, dass in diesem Bereich keine stabilen Planetenbahnen existieren können! Die gravitativen Störungen wären viel zu groß. Es gäbe eigentlich nur eine Chance für den Planeten: er müsste durch eine Resonanz geschützt werden.
Über Resonanzen habe ich hier schon mal ausführlich geschrieben. Befinden sich zwei Objekte in einer Resonanz (der mittleren Bewegung), dann stehen ihre Umlaufzeiten in einem ganzzahligen Verhältnis. Je nach Situation kann das zu extremen Störungen führen – oder eben auch zu einem besonderen Schutz vor Störungen.
Der hypothetische Planet würde sich sogar in der Nähe einer solchen Resonanz befinden: bei etwa 1.23 Astronomischen Einheiten befindet sich die Position der 3:1 Resonanz mit dem zweiten Stern. Allerdings sind die Messungen der Parameter von Stern und Planet nicht genau. Berücksichtigt man die Fehlergrenzen, dann könnte sich die resonante Position irgendwo im Bereich zwischen 1.16 und 1.29 Astronomischen Einheiten befinden und der Planet selbst irgendwo zwischen 1.1 und 1.3 Astronomischen Einheiten.
Die Möglichkeit einer resonanten Konfiguration bestünde also theoretisch. Aber ob sie tatsächlich verwirklicht ist, ist schwer herauszufinden. Zu den Ungenauigkeiten in den Bahnmessungen kommen auch noch die ungenau bestimmten Massen der Sterne und des Planeten (beim kleineren Stern beträgt sie immerhin 20%) – und all diese Faktoren spielen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, ob eine Resonanz störend oder schützend ist.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Planet tatsächlich genau in so einer resonanten, schützenden Konfiguration eingefunden hat, ist sehr gering. Es ist wahrscheinlicher, dass die Radialgeschwindigkeitsvariationen auf andere Art und Weise zustande gekommen sind. Aber Klarheit können hier nur lange und aufwendige Simulationen bringen…
P.S. Bei John Hearnshaw von Cosmic Diary gibt es auch noch einen interessanten Artikel zum Thema.
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