Wenn ich mich bisher mit Asteroideneinschlägen beschäftigt habe, dann meistens mit Kollisionen mit der Erde. Klar, aus menschlicher Sicht sind die am interessantesten. Aber selbstverständlich werde auch die anderen Himmelskörper von Asteroiden getroffen.
Zum Beispiel der Mond. Er ist übersäht mit großen und kleinen Kratern. Vom 2240km großen Südpol-Aitken-Becken (dem größten Einschlagskrater im Sonnensystem, Bild rechts) bis hin zu Mikrokratern auf Mondstaubkörnern: die fehlende Atmosphäre des Mondes erlaubt nicht nur viel mehr Einschläge; jeder Impakt wird auch noch perfekt konserviert.
Aus diesen Kratern lässt sich viel lernen – und nun scheinen sie vielleicht einen Hinweis auf eine bisher unbekannte Asteroidengruppe zu liefern.
In ihrem Artikel “Asymmetric impacts of near-Earth asteroids on the Moon” haben Takashi Ito und Renu Malhotra untersucht, wie oft erdnahe Asteroiden mit dem Mond kollidieren. Und sie haben nachgesehen, wo die Asteroiden mit dem Mond zusammenstoßen.
Denn der Mond wendet der Erde ja bekanntlich immer die gleiche Seite zu. Grund dafür ist die Gezeitenreibung, die die Eigenrotation des Mondes so stark gebremst hat, dass er nun für eine Umdrehung um sich selbst genauso lang braucht, wie für einen Umlauf um die Erde.
Dieser Umstand sollte sich auch in der Verteilung der Einschlagskrater auf dem Mond bemerkbar machen. Denn die Hemisphäre, die in die Umlaufrichtung zeigt, sollte mehr Einschläge abbekommen als die andere.
Ito und Malhotra haben nun untersucht, ob man die beobachtete asymmetrische Kraterverteilung auf dem Mond durch die bekannte Verteilung der erdnahen Asteroiden erklären kann.
Die erdnahen Asteroiden befinden sich – grob gesagt – zwischen den Bahnen von Mars und Venus (siehe Bild unten). Ihre Orbits sind, wenn man längere Zeiträume betrachtet, nicht stabil; sie kolldidieren mit einem der inneren Planeten oder stürzen in die Sonne. Es werden aber immer wieder neue erdnahe Asteroiden aus dem Hauptgürtel der Asteroiden zwischen Mars und Jupiter nachgeliefert.
Zur Zeit kennt man 6246 erdnahe Asteroiden (Near-Earth Asteroids: NEAs), die sich auf die drei Untergruppen – Atens, Amors, Apollos – verteilen. Diese drei Gruppen teilen die NEAs anhand ihrer Bahneigenschaften auf. Die Ergebnisse von Ito und Malhotra scheinen nun aber Hinweise auf eine weitere Gruppe von erdnahen Asteroiden zu erhalten.
In ihren Simulationen konnte sie die Asymmetrie bei der Kraterverteilung ebenfalls sehen. Übrigens auch bei der Erde: hier bekommt die “Vormittagshemisphäre” (die ja gerade in die Umlaufrichtung zeigt) mehr Treffer ab als die “Nachmittagshemisphäre”. Da die Erde aber im Gegensatz zum Mond keine gebundene Rotation, ist diese Asymmetrie wirklich nur eine zeitliche. Die Einschlagskrater sind auf der Erde überall gleichverteilt – wir werden aber eher am Vormittag getroffen anstatt am Nachmittag.
Auch beim Mond konnte die asymmetrische Kraterverteilung reproduziert werden. Allerdings nicht wirklich gut. Es scheint irgendein Faktor nicht berücksichtigt worden zu sein. Ito und Malhotra machen mehrere Lösungsvorschläge.
Daedalus-Krater auf dem Mond (Bild: NASA)
Vielleicht wurden einfach noch nicht alle Krater gezählt. Aktuelle Kartographie-Missionen wie LRO können hier neue Erkenntnisse bringen und die Diskrepanzen verschwinden lassen.
Es kann auch sein, dass die Gravitationskräfte der Erde die erdnahen Asteroiden kurz vor der Kollision auseinanderreisst und so mehr Krater erzeugt werden, als wir vermuten würden. Um das zu bestätigen müsste man genau über die Zusammensetzung der NEAs Bescheid wissen (zukünftige Raumsonden können das vielleicht klären) und auch die Simulationsmethoden verbessern, um solche Effekte berücksichtigen zu können.
Die dramatischste Schlußfolgerung aus den Ergebnissen von Ito und Malhotra ist aber die Existenz einer bisher unbekannten Population von erdnahen Asteroiden. Die NEAs dieser Gruppe sollten sehr ähnliche Bahnen haben wie die der Erde (“coorbitale Asteroiden”). Wenn es sie denn tatsächlich gibt, könnten diese NEAs den Unterschied zwischen Beobachtung und Simulation erklären. Wenn es sie aber gibt, warum haben wir noch keinen davon beobachtet?
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