In den letzten Wochen wurde auf den Scienceblogs heftig über das Für und Wieder der bemannten Raumfahrt diskutiert (hier, hier, hier, hier, und hier). Ich habe in meinen Beiträgen ausführlich dargelegt, warum ich bemannte Raumfahrt für äußerst sinnvoll und notwendig halte. Meine Rechtfertigung basiert dabei nichtmal unbedingt auf wissenschaftlichen Zielen. Klar, Menschen können manche Dinge besser und schneller erledigen als Roboter. Aber für mich ist der Hauptgrund ein anderer. Ich zitiere mich einmal selbst:
Aber: Wissenschaft soll (zumindest meiner Meinung nach) nicht nur allein dem Erkenntnisgewinn dienen. Sie soll die Menschen auch faszinieren und inspirieren. In dieser Hinsicht ist Wissenschaft genauso wertvoll wie Kunst, Musik oder Literatur. Ein Bild von Van Gogh bringt uns keine neuen Erkenntnisse über die Natur oder das Universum. Aber seine Existenz ist für die Menschheit unzweifelhaft wichtig und nützlich.
Genauso kann die bemannte Raumfahrt die Menschen viel stärker faszinieren und mitreißen als nur der Flug einer unbemannten Raumsonde. Will man, dass sich die Menschen wieder mehr für Wissenschaft, für Raumfahrt und für unser Universum und das All interessieren, dann ist es unumgänglich, dass die Menschen sich auch selbst ins All begeben!
Man muss also bemannte Raumfahrt nicht mit den zu erwartenden wissenschaftlichen oder technischen Leistungen rechtfertigen. Aber man kann. Ein Beispiel dafür möchte ich heute vorstellen.
Eines der großen anstehenden Probleme der Menschheit ist die Suche nach einer brauchbaren Energiequelle. Eine, die die Umwelt nicht belastete; die nicht auf schwindende Bodenschätze oder geographische Besonderheiten angewiesen ist und die überall eingesetzt werden kann.
Kernfusion könnte so eine Energiequelle sein. In normalen Atomkraftwerken werden ja Atomkerne gespalten um daraus Energie zu gewinnen. Viel besser wäre es aber, wir könnten Atomkerne fusionieren. Auch dabei entsteht Energie (mehr als bei einer Spaltung). Das beste Beispiel dafür ist unsere Sonne, die seit Milliarden Jahre Energie durch Kernfusion erzeugt.
Eine Fusion künstlich herzustellen ist allerdings nicht leicht. Man muss dazu ein Plasma herstellen und es auf extrem hohe Temperaturen erhitzen, damit eine Fusion stattfinden kann. Seit den 60er Jahren probiert man, ein Kernfusionskraftwerk zu bauen, dass mehr Energie liefert als es verbraucht. Bis jetzt hat man es noch nicht geschafft.
Der JET-Reaktor (Photo: EFDA-JET)
In Südfrankreich wird gerade an ITER gebaut – dem bisher größten Kernfusionsreaktor und Nachfolger des JET (Joint European Torus) Reaktors in England (wo 1991 die erste kontrollierte Kernfusion durchgeführt werden konnte). Dort soll – wenn alles nach Plan läuft – tatsächlich Energie durch Kernfusion produziert werden.
Allerdings gibt es auch hier Probleme. Bei der geplanten Kernreaktion werden die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium verschmolzen. Dabei entsteht nicht nur Energie sondern auch energiereiche Neutronen die den Reaktor radioaktiv verstrahlen und beschädigen. Die Bauteile müssen also regelmäßig ausgetauscht werden und das senkt natürlich die Attraktivität der Kernfusion.
Man könnte stattdessen auch das Helium-Isotop Helium-3 für die Kernfusion verwenden. Hier würden wesentlich weniger Neutronen erzeugt und die Radioaktivität wäre kein so großes Problem mehr. Die Sache hat nur einen Haken: auf der Erde gibt es so gut wie kein Helium-3.
Denn das wird auf der Sonne produziert und gelangt mit dem Sonnenwind zur Erde. Unsere Atmosphäre schirmt uns aber vor den Teilchen des Sonnenwindes ab und das Helium-3 erreicht uns nicht.
Aber es gibt einen Himmelskörper ganz in unserer Nähe, auf dem es Helium-3 gibt: den Mond! Der hat keine Atmosphäre und das Helium-3 kann die Oberfläche ungehindert erreichen und wird dann dort im Mondgestein gespeichert.
Das hat man 1985 bei der Untersuchung des Mondgesteins entdeckt, das die Apollo-Astronauten zur Erde brachten. Auf dem Mond gibt es also den Treibstoff für die Fusionsreaktoren der Erde. Wir müssten nur hin, und ihn uns holen!
Das meint auch unter anderem Harrison Schmitt – ein Geologe und einer der letzten Menschen die auf dem Mond waren. Schmitt war Mitglied von Apollo 17 und ist heute nicht nur Mitglied im NASA Advisory Council sondern hat auch die Firma “Interlune-Intermars Initiative” gegründet, die sich mit der Frage beschäftigt, wie die Bodenschätze am Mond am besten abgebaut werden können.
Schmitt schätzt, dass ein 1000-Megawatt-Fusionskraftwerk etwa 75 kg Helium-3 pro Jahr brauchen wird. Um 100 kg Helium-3 vom Mond zu gewinnen, muss man 2 km² Mondoberfläche (bis in etwa 3 Meter Tiefe) verarbeiten. Damit das alles ohne finanziellen Verlust abläuft, darf der Transport des Helium-3 zur Erde nicht mehr als etwa 2000 Euro pro Kilogram kosten.
Natürlich müsste man erstmal die nötige Infrastruktur für den Abbau und den Transport aufbauen und das kostet noch viel mehr (Schmitt schätzt die Kosten hier auf einige Milliarden Euro). Er vermutet deswegen auch, dass dieses Projekt eher von privaten Investoren finanziert werden könnte anstatt von Regierungen.
Aber auch die machen sich Gedanken. Das Constellation-Programm der NASA sieht eine Rückkehr zum Mond und die Errichtung einer ständig bemannten Mondbasis für 2020 bis 2024 vor. Die Suche nach Helium-3 wird dabei sicher auch eine Rolle spielen. Auch die russische und chinesische Raumfahrtsbehörde haben schon angekündigt, in Zukunft Helium-3 auf dem Mond abbauen zu wollen.
Eine Rückkehr der Menschen zum Mond und Investitionen in bemannte Raumfahrt könnten sich also durchaus auch wirtschaftlich bezahlt machen. Und die technologischen Entwicklungen und die gewonnenen Bodenschätze könnten vielleicht endlich das Energieproblem der Menschen lösen… Es wäre einen Versuch wert!
Kommentare (29)