Ich bin ja immer noch auf der Suche nach einem vernünftigen Buch, in dem ein Astronom oder eine Astronomin eine Hauptrolle spielt. Aber seit Carl Sagans “Contact” (1985) hat sich da nicht viel getan.
Auch “Sacrificium” von Veronique Roy ist da leider keine Ausnahme. Der Astrophysiker, der noch im Klappentext prominent erwähnt wird, stirbt gleich auf der ersten Seite und auch der mysteriöse Meteorit verschwindet ziemlich schnell.
Ok – worum geht es in dem Buch. Das Buch heisst im französischen Original “Muséum” – und das ist ein viel passender Titel als das seltsame “Sacrificium” – denn die Handlung findet fast ausschließlich in einem Pariser Museum statt.
Dieses Museum für Naturgeschichte scheint ein seltsamer Ort zu sein – voll mit Wissenschaftlern (Ok, das ist nicht ganz so ungewöhnlich – aber in dieser Dichte findet man sie eigentlich eher in Universitäten) – u.a. ein Kosmologe. Aber ok – ein Museum ist eine nette Kulisse für die Story. Immer wenn das Unheil naht, kann man die Personen an unheimlichen Föten in Einmachgläsern vorbeilaufen lassen (was Roy ihre Protagonisten auch ständig tun lässt).
In dieses Museum wird der amerikanische Paläontologe Peter Osmond gerufen (der außerdem ein bekannter Kämpfer gegen den Kreationismus ist). Denn in Frankreich ist kürzlich ein Meteorit gefunden worden, der eine revolutionäre Entdeckung möglich macht.
Im Pariser Museum erwartet ihn zur Untersuchung des Himmelskörpers ein – Achtung! – Wissenschaftler aus dem Vatikan!
Das Buch wirkt zuerst wie ein typischer Dan Brown Abklatsch: eine geheimnisvolle Entdeckung bedroht die Fundamente der katholischen (es ist immer die katholische!) Kirche und ein Kampf zwischen Kirche und (scheinbarer) Vernunft bahnt sich an.
Auch der Meteorit scheint diese Rolle zu spielen – den auf ihm sollen sich Spuren von Leben befunden haben. Und der Meteorit ist über sechs Milliarden Jahre alt! Leben gab es also schon vor der Entstehung des Sonnensystems. Damit scheint sich auch die These von Fred Hoyle (der arme Kerl wird im Buch als amerikanischer Astronom bezeichnet) zu bestätigen, dass das Leben aus dem Weltall auf die Erde gekommen ist.
Bevor dieser Handlungsstrang sich allerdings entwicklen kann, wird der Meteorit gestohlen. Und jede Menge Leute werden umgebracht. Das Buch beschreibt einen Zeitraum von 7 Tagen und an jedem Tag stirbt ein anderer Museumsmitarbeiter auf grausame Art und Weise – ganz in Serienmördermanier.
Das Buch entwickelt sich dann eher zu einer Detektivstory, deren Ziel die Aufklärung dieser grausamen Morde ist. Aber es ist keine recht gute Detektivstory – ziemlich schnell ist klar, wer es getan haben muss: der Typ, der im Buch ständig immer nur mit den positivsten Adjektiven beschrieben wird; der, auf den alle Frauen im Buch stehen und der scheinbar keine wichtige Rolle für die Handlung zu spielen scheint. Natürlich stellt er sich am Schluß als der Bösewicht heraus.
Das ganze Buch ist durchsetzt von dem Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft. Es gibt den “Wissenschaftszirkel”, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Wissenschaft und Religion zu versöhnen (und dem seltsamerweise etwa das halbe Personal des Museums anzugehören scheint). Es gibt die streng atheistischen Wissenschaftler, den Wissenschaftler aus dem Vatikan, amerikanische Fundamentalisten, Darwinisten, usw.
Das Buch ist zwar halbwegs spannend – aber durchsetzt von Klischees. Die Wissenschaftler selbst sind das pure Klischee und völlig unglaubwürdig. Jeder ist Experte für Alles: ein Ornithologe führt fachliche Diskussionen über Quantenkosmologie, ein Paläontolge ist außerdem ein Experte für Himmelsmechanik, usw.
Auch die wissenschaftlichen Beschreibungen im Buch schrammen nur knapp an völligem Geschwurbel vorbei. Ein Kostprobe:
“Meine Forschungen zur Entwicklung des Embryos haben gezeigt, dass jedem Leben eine innere Logik zugrunde liegt, die sich, in Abgrenzung zu den chaotischen Attraktoren, mithilfe von harmonischen Attraktoren beschreiben lässt. Diese Logik folgt mathematischen Gesetzen, die vollständig beweisbar sind und hochangesehenen wissenschaftlichen Autoritäten anerkannt werden.”
Ja, genau – so reden echte Wissenschaftler 😉
Naja – am Schluß wird der Mörder endlich gefangen. Es war ein fanatischer Kreationist, der ein Doppelleben als erfolgreicher Naturwissenschaftler geführt hat. Da aber alle seine Kollegen an den bösen Darwin glaubten, mussten sie sterben. Unterstützt von einem ebenso fanatischen Hirnforscher, der den Übermenschen schaffen will, werden alle umgebracht und nebenbei wird auch noch der Meteorit beiseite geschafft.
Ach ja – und auch die Knochen des “Missing Link”! Die hat nämlich Teilhard de Chardin in China ausgebuddelt und dann sind sie irgendwie im Archiv des Museums gelandet. Abgesehen davon, dass die Autorin nicht viel Ahnung hat, was ein “Missing Link” heutzutage ist – sie beschreibt es so:
“Die letzte Unbekannte der Darwin’schen Revolution… Das fehlende Element dieser langen Geschichte, die von Kopernikus bis Einstein, über Galilei, Newton und Darwin das Bild, welches der Mensch von sich selber besaß, so tiefgreifend verändert hatte. Und ihn von seinem Sockel gestürzt hatte, um ihn stattdessen auf die Bäum klettern zu lassen.”
– spielen diese Knochen für die Handlung eigentlich auch keine Rolle.
Fazit: Wer (l/s)eichte Lektüre für den Strand sucht oder ein paar Stunden auf dem Flughafen/Bahnhof festsitzt, ist mit diesem Buch gut bedient. Wer sich einen interessanten Wissenschaftsthriller erhofft, wird enttäuscht. Die Autorin hat wenig Ahnung von Wissenschaft und auch was den Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft angeht werden hauptsächlich alte Vorurteile aufgewärmt.
P.S. Und schon wieder mal gibt es die üblichen Himmelsmechanik Klischees: Flugbahnen von Himmelskörpern sind (so wie in den ganzen Kinofilmen) sofort als 3D-Animation verfügbar. Und man kann die Flugbahn eines Meteoriten, von dem man nichts anderes als den Absturzort auf der Erde kennt, definitiv nicht bis zum Orionnebel zurückverfolgen! Auch nicht, wenn man ein hochdekorieter Astronom aus dem Vatikan ist 😉
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