[Das hier ist eine Rezension eines Kapitels des Buches “Der Drache in meiner Garage” von Carl Sagan. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel finden sich hier.]
In Kapitel 17 (“The Marriage of Skepticism and Wonder”) behandelt Sagan eines der wichtigsten Konzepte der wissenschaftlichen Methode: skeptisches Denken.
Soll Wissenschaft auf die religiösen oder weltanschaunlichen “Gefühle” anderer Menschen Rücksicht nehmen? Sagan fragt:
Can we conscientiously and courageously follow planetary motion or bacterial genetics wherever the search may lead, but declare the origin of matter or human behaviour off limits?
Natürlich macht das wenig Sinn – auch wenn sich manche Menschen dadurch vielleicht angegriffen fühlen. Aber, wie Sagan richtig sagt, wer die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ertragen kann, dem ist es freigestellt, sie zu ignorieren. Auch wenn es dazu eine ganz spezielle Weltanschauung braucht:
Except by sealing the brain off into separate airthight compartments, how is it possible to fly in airplanes, listen to the radio or take antibiotics while holding that the Earth is around 10000 years old or that all Sagittarians are gregarious and affable?
Besonders den letzten Vergleich finde ich äußerst passend. Gerade die moderne Ausübung der Astrologie zeigt diese (unbewusste) Unaufrichtigkeit deutlich. Früher musste ein Astrologe jede Menge Mathematik beherrschen um die Positionen der Planeten berechnen zu können. Die moderne Wissenschaft hat es aber möglich gemacht, dass heute solche Berechnungen auf jedem Computer möglich sind; man muss keine Ahnung mehr von Himmelsmechanik, Mathematik o.ä. haben. Die selbe moderen Wissenschaft aber, der wie den Computer verdanken, zeigt auch deutlich, dass Astrologie Unsinn ist. Diese Tatsache können die Astrologen aber wunderbar ausblenden.
Sagan erklärt nun, warum er “offizielle” Vereinigungen von Skeptikern für sehr wichtig und sinnvoll hält. Er erklärt das am Beispiel von CSICOP, dem “Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal”, das sich mittlerweile aber unbenannt hat und nun (ganz modisch) “CSI: Center for Skeptical Inquiry” heisst. Im deutschsprachigen Raum wäre die “Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP)” eine vergleichbare Organisation und überall auf der Welt gibt es ähnliche Vereinigungen.
Natürlich gibt es viele Kritiker solcher Organisation:
Those wounded by CSICOP’s analyses sometimes make just such a complaint: It’s hostile to every new idea, they say, will go go to absurd lengths in its knee-jerk debunking, is a vigilante organization, a New Inquisition, and so on.
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Sagan aber ist der Meinung, dass Organisationen wie CSICOP eine wichtige soziale Funktion erfüllen, da sie eine Anlaufstelle für die Medien sind, wenn diese doch ausnahmsweise mal ein ausgewogenes Bild bei der Berichterstattung über Esoterik und Pseudowissenschaft bieten wollen.
Anschließend geht Sagan noch etwas detaillierter an die Kritik auf die Skeptiker ein. Es wird ihnen oft vorgeworfen, dass sie “fundamentalistisch” wäre, “materialistisch” und “rationalistisch”. Diese Vorwürfe beschreibt Sagan als “to me deeply mysterious”. Wenn ein bestimmtes Phänomen wissenschaftlich erklärbar ist, warum soll man sich dann eine andere “Erklärung” ausdenken, eine, für diese es keine oder kaum Anhaltspunkte gibt?
Yet the complaint persists: Skeptics won’t accept that there’s an invisible fire-breathing dragon in my garage because they’re all atheistic materialists.
Auch die Vorwürfe, die Skeptiker wären die “Inquistoren” von heute (etwas, dass auch hier im Kommentarteil meines Blogs schon des öfteren geäußert wurde) sind mehr als absurd. Kein Esoteriker wird ins Gefängnis gesteckt, ausgepeitscht, gefoltert oder gar am Scheiterhaufen verbrannt! Sagan fragt sich, warum die Anhänger von esoterischen oder pseudowissenschaftlichen Lehren so wenig Kritik vertragen:
Why fear a little criticism? Aren’t they interested to see how well their beliefs hold up against the best counterarguments the skeptics can muster?
Zum Abschluß des Kapitels weißt Sagan nochmal auf die große Bedeutung des skeptischen Denkens für die Wissenschaft hin. Er vergißt aber auch nicht auf die andere Seite, die Offenheit für Neues hinzuweisen (Das Kapitel heißt ja “The Marriage of Skepticism and Wonder“). Beides sind unverzichtbare Bestandteile des wissenschaftlichen Denkens:
[A]t the heart of science is an essential balance between to seemingly contradictory attitudes – an openness to new ideas, no matter how bizarre or counterintuitive, and the most ruthlessly skeptical scrutiny of all ideas, old and new. This is how deep thruths are winnowed from deep nonsense.
Wer nur skeptisch ist, der wird nie irgendetwas neues lernen. Jede neue Idee wird sofort abgeblockt:
You become a crotchety misanthrope convinced that nonsense is ruling the world (There is, of course, much data to support you).
Aber auch das Gegenteil ist falsch. Wer völlig unkritisch jede neue Idee, Hypothese, Meinung übernimmt, der ist unfähig, irgendwas zu wissen. Wer zu offen ist, kann nicht zwischen den vielversprechenden und den wertlosen Ideen unterscheiden.
Ein guter Wissenschaftler muss beides sein: skeptisch und offen für Neues. Nur mit dem richtigen Gleichgewicht lässt sich neues Wissen finden.
Rezensionen der vorhergehenden Kapitel: Kapitel 1, Kapitel 2, Kapitel 3, Kapitel 4, Kapitel 5, Kapitel 6, Kapitel 7, Kapitel 8, Kapitel 9, Kapitel 10, Kapitel 11, Kapitel 12, Kapitel 13, Kapitel 14, Kapitel 15, Kapitel 16
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