[Das hier ist eine Rezension eines Kapitels des Buches “Der Drache in meiner Garage” von Carl Sagan. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel finden sich hier.]
In Kapitel 19 spricht Sagan über ein sehr wichtiges Thema: das Bildungssystem und die Frage, warum es anscheinend nicht funktioniert den Menschen zu vermitteln, dass Wissenschaft spannend und wichtig ist.
Except for children, few of us spend much time wondering why Nature is the way it is.
Wenn Sagan in Kindergärten oder Grundschulen Vorträge hält und mit den Kindern spricht, dann stößt er auf äußerst wissbegierige Kinder, die alles wissen wollen und absolut keine Hemmungen haben, Fragen zu stellen (Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen). Spricht Sagan dagegen vor älteren Schülern, sieht die Sache ganz anders aus. Die Jugendlichen haben anscheinend Angst davor, “dumme Fragen” zu stellen oder überhaupt Fragen zu stellen bzw. sich sonst irgendwie aktiv zu beteiligen:
They come to class with their questions written out on pieces of paper, which they surreptitiously examine, waiting their turn and oblivious of whatever discussion their peers are at this moment engaged in.
Irgendetwas ist seit dem Kindergarten mit diesen Schülern passiert und hat ihnen die Lust am Fragen und Forschen ausgetrieben. Aber was?
Neben gesellschaftlichen Gründen (gut in irgendwas zu sein ist nicht “cool”; mit Wissenschaft wird man nicht reich und berühmt, fehlende Vorbilder,…) führt Sagan diesen Mangel an Wissensdurst auch auf die Erwachsenen zurück die kleinen Kindern bewußt oder unbewusst beibringen, dass Fragen etwas schlechtes sind.
“Warum ist der Mond rund?” ist so eine typische Frage und eine laut Sagan leider ebenfalls typische Antwort ist z.B. “Was hast du denn gedacht, welche Form der Mond hat? Eckig?”. Nach einigen solcher Erfahrungen wird das Kind dann wohl das Gefühl bekommen, dass diese Art von Fragen nicht erwünscht sind und aufhören, Fragen zu stellen.
Dabei ist diese Frage überhaupt nicht dumm oder trivial. Bei mir zu Hause hängt ein großes Poster mit Bildern aller Planeten. Und das Kind wollte irgendwann tatsächlich mal wissen, warum die alle rund sind. Das kindgerecht zu erklären ist knifflig – aber möglich (und nebenbei muss man dann gleich auch noch erklären, was Gravitation ist). Aber selbst wenn man was nicht erklären kann: was ist so schlimm daran? Man muss den Kindern nicht vorspielen, man wäre allwissend. Wenn man was nicht weiß, kann man das den Kindern ruhig sagen. Oder noch besser: gemeinsam mit ihnen probieren, die Antwort herauszufinden – im Internet, im Museum, in der Bibliothek… Oder man antwortet ihnen so wie Sagan es vorschlägt:
“Ich hab keine Ahnung. Vielleicht kennt niemand die Antwort. Wenn du erwachsen bist, bist du vielleicht der erste Mensch, der die Antwort herausfindet!”
Zwei weitere wichtige Punkte, die Sagan anspricht sind die Lehrer und die Art der Wissensvermittlung. Früher einmal war Lehrer ein angesehener, gut bezahlter Beruf. Heutzutage ist die Situation leider anders. Und im Unterricht wird laut Sagan viel zu wenig auf konkrete Experimente, bei denen die Schüler tatsächlich selbst etwas machen können, wert gelegt.
Zum Ende des Kapitels betont Sagan nochmal, wie wunderbar spannend Wissenschaft sein kann. Dazu listet er eine Reihe von Fragen auf, die mehr oder weniger typische wissenschaftliche Fragestellungen repräsentieren. Hier sind ein paar Beispiele:
- Könnte es eine unentdeckte ganze Zahl zwischen 6 und 7 geben?
- Könnte es ein unentdecktes chenmisches Element zwischen Ordnungszahl 6 (Kohlenstoff) und 7 (Stickstoff) geben?
- Wenn man violette, blaue, grüne, gelbe, orange und rote Farbe mischt, bekommt man braun. Mischt man Licht der gleichen Farben, ergibt sich weiß, Was passiert hier?
- Das Wort für “Gott” ist bei den Azteken und bei den alten Griechen fast identisch. Hatten die beiden Kulturen Kontakt? Oder ist das ein Zufall, den man bei solchen sprachlichen Analysen erwarten kann? Oder sind, wie Plato es vorschlug, manche Wörter dem Menschen “eingebaut”?
- Warum ist normales Eis weiß, aber Gletschereis blau?
Das alles sind keine dummen Fragen! Und die Antworten darauf, bzw, das Nachdenken darüber können zu faszinierenden und spannenden Einsichten führen.
Zum Schluß gibt Sagan noch ein paar Tipps, wie man als Wissenschaftler am besten vor Laien spricht. Der wichtigste Punkt: Mit Laien kann man nicht so reden wie mit Fachkollegen. Das mag trivial erscheinen – aber ich habe leider schon genug öffentliche Vorträge von Kollegen gehört, die genau diesen Fehler gemacht haben. Sagan empfiehlt außerdem, sich daran zu erinnern, wie es war, als man selbst das erste Mal gewisse Dinge gelernt hat und welche Mißverständnisse da auftraten.
Und vor allem: je mehr man übt und je mehr man das Feedback des Publikums berücksichtigt, desto leichter fällt es einem irgendwann, die richtigen, verständlichen Worte und Beschreibungen zu finden.
Sagan meint, dass die Vermittlung von Wissenschaft schon dann erfolgreich ist, wenn sie es nur schafft, einen kleinen Funken von dem Gefühl für das Wunderbare zu vermitteln. Der Rest ist dann nicht mehr schwer.
Rezensionen der vorhergehenden Kapitel: Kapitel 1, Kapitel 2, Kapitel 3, Kapitel 4, Kapitel 5, Kapitel 6, Kapitel 7, Kapitel 8, Kapitel 9, Kapitel 10, Kapitel 11, Kapitel 12, Kapitel 13, Kapitel 14, Kapitel 15, Kapitel 16, Kapitel 17, Kapitel 18
Kommentare (17)