In den letzten Wochen gab es hier bei Scienceblogs einige Artikel zum Thema Politik & Raumfahrt (siehe die Links am Ende des Beitrags). Und da ja bald auch Wahlen sind, habe ich die Parteien mal angeschrieben, um ihre offizielle Meinung zur Raumfahrt einzuholen.
Ok, es gibt vermutlich tatsächlich Themen, die im Moment wichtiger für Deutschland sind als die Raumfahrt – trotzdem finde ich die Antworten interessant; sie sagen ja auch etwas über die allgemeine Einstellung der Parteien zu Wissenschaft und Grundlagenforschung aus. Ich habe alle im Bundestag vertretenen Parteien angeschrieben (CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP, Linke) und ihnen ein paar Fragen zum Thema Raumfahrt gestellt. In den nächsten Tagen werde ich hier die Antworten veröffentlichen.
Den Anfang macht MdB Dr. Petra Sitte (Bild rechts), Forschungs- und technologiepolitische Sprecherin der Linken. Ich kommentiere die Antworten absichtlich nicht direkt im Text – meine Meinung dazu werde ich in den Kommentaren kund tun. Und natürlich interessiert mich auch die Meinung der Leserinnen und Leser!
1. Wie ist die offizielle Position Ihrer Partei zur Raumfahrt? Sind die Anstrengungen Deutschlands ausreichend oder zuwenig/zuviel?
DIE LINKE kritisiert die Ausgabenpolitik der Bundesregierung in Bezug auf die Raumfahrt. Hierzulande werden 3,65 Milliarden in Raumfahrttechnologien und 2,7 Milliarden in die Europäische Weltraumagentur investiert. DIE LINKE hat auch hinsichtlich der strategischen Ausrichtung der deutschen Raumfahrtpolitik eine tiefgreifende Differenz. Denn der Bundesregierung geht es um die Behauptung wirtschaftlicher und technologischer Stärke, um die Behauptung als Weltraummacht.
Raumfahrt ist ein teures Unterfangen. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer High-Tech-Strategie die Raumfahrt als ein Innovations- und Zukunftstechnologiefeld identifiziert. Die Raumfahrt ist dominierend gegenüber all den anderen 16 Technologiesektoren. In den Jahren 2006 bis 2009 wurden knapp 3,7 Milliarden Euro für Raumfahrttechnologien ausgegeben – fast ein Drittel der gesamten Technologieförderung des Bundes. Allein im Jahr 2009 werden die Raumfahrtausgaben des Bundes 1,4 Milliarden Euro betragen. Davon gehen 648 Millionen Euro an die ESA, 229 Millionen Euro fließen in das Nationale Weltraumprogramm. Zum Vergleich: für besonders in armen Ländern verbreitete tödliche Tropenkrankheiten wurden 20,7 Millionen Euro, für Forschung zur Tuberkulose 9,5 Millionen Euro Forschungsmittel eingesetzt (Zahlen für 2007).
Dabei ist es erklärtermaßen das Ziel der Bundesregierung, die Marktchancen für deutsche Firmen zu sichern und zum Systemführer bei Erdbeobachtung und Satellitenkommunikation zu werden sowie diese zu kommerzialisieren. Der Raumfahrtkoordinator der Bundesregierung Peter Hintze (CDU) rechtfertigt den enorm Umfang der Ausgaben für Raumfahrttechnologien im Rahmen der Hightech-Strategie mit dem Ziel, “den deutschen Unternehmen im europäischen und globalen Wettbewerb gute Chancen in den entstehenden Märkten zu bieten.”
Des Weiteren ist gleichfalls nicht ausgeschlossen, dass von der Bundesregierung geförderte Projekte wie das Satellitennavigationssystem GALILEO zukünftig neben ihrer zivilen Komponente auch militärisch genutzt werden.
Technologischer Fortschritt kann und muss jedoch durch internationale Kooperation erreicht werden, statt auf reiner Konkurrenzlogik zu basieren, und sozial-ökologische Innovationen und zivile Anwendungen zum Ziel haben.
2. Soll Deutschland verstärkt international Kooperationen (z.B. mit NASA oder ESA) suchen oder auch alleine Projekte in Angriff nehmen?
DIE LINKE findet, dass die Bundesregierung internationale Kooperationen im Bereich der Entwicklung von Raumfahrttechnologien eingehen muss.
Allerdings zielt die Tätigkeit der ESA eher darauf ab, den Rückstand an technologische Leistungsfähigkeit gegenüber den USA oder auch Russland bzw. Staaten wie Indien, die eigenständige Pläne in der Raumfahrt verfolgen und bemannte wie umbenannte Missionen planen, aufzuholen. Und auch die NASA als “Kind des Kalten Krieges” betreibt mehr als nur zivile Weltraumforschung. Eine auf Konkurrenzlogik basierende und nicht ausschließlich auf zivile Nutzungen gerichtete Raumfahrtpolitik lehnt DIE LINKE ab.Vielmehr muss Forschungs- und Technologiepolitik unter den Vorzeichen wachsender globaler Probleme stattfinden. LINKE Politik muss angesichts der drängenden Herausforderungen der Menschheit, etwa Klimawandel, Ernährung, Infektionskrankheiten, die besonders die armen Regionen der Erde betreffen, Abwägungsentscheidungen treffen. Die Mittel für Forschungs- und Technologieförderung sind trotz gestiegener Budgets begrenzt.
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