Christian hat vor einige Tagen schon darüber berichtet: in Sachsen-Anhalt tut sich einiges in Sachen Homöopathie. 2.6 Millionen Euro an Steuergeldern werden in die Errichtung einer Bibliothek für Homöopathie gesteckt. Die steht in Köthen wo die Homöopathie jährlich ebenfalls noch 92000 Euro an Steuergelder bekommt. Außerdem betreibt man dort “homöopathische Stadplanung” und hat ein absurdes homöopathisches Beleuchtungskonzept eingerichtet.
So weit, so schlimm. Die Universität Magdeburg setzt aber noch eins drauf und bietet ab dem Wintersemester 2011/2012 einen Masterstudiengang für Homöopathie an!
Nun kann man also anscheinen tatsächlich an einer deutschen Universität hochoffiziell lernen, dass man Wasser nur auf die richtige Art und Weise schütteln muss, damit es sich in ein wirksames Medikament gegen so gut wie jede Krankheit verwandelt.
Ich habe mich natürlich gefragt, wie es sein kann, dass dieser pseudowissenschaftliche Unsinn es bis in die Uni Magdeburg geschafft hat. Wer hat den Anstoß dazu gegeben? Wurde die Entscheidung mit den Mitarbeitern der Uni vorher diskutiert? Gab es Kritik? Warum sagen die Magdeburger Naturwissenschaftler und Mediziner, die es ja besser wissen müssten, nichts dazu?
Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, habe ich ein paar Emails an Magdeburger Professoren geschrieben.
Geantwortet hat mir zum einen Prof. Dr. med. Hermann-Josef Rothkötter Er ist Dekan und Vorstandsvorsitzender des Fakultätsvorstandes des Universitätsklinikums Magdeburg:
“Der derzeit bei uns in der Diskussion befindliche Studiengang ist als möglicher Qualifikations-Studiengang vorgesehen, bei dem die post-graduelle Weiterbildung von Ärzten, die sich neben anderen Teilen der komplementären Medizin auch mit Homöopathie beschäftigen. Der Studiengang ist von Seiten der Fakultät für Erziehungswissenschaften vorgesehen – ich habe den Dekan dort gebeten, Ihnen Ihre Fragen zu beantworten.”
Ok, das sind keine wirklichen Antworten auf meine Fragen – aber netterweise hat er meine Anfrage weitergeleitet. Ich bin gespannt, ob bzw. welche Antwort ich von Prof. Dr. Winfried Marotzki bekommen werde.
Eine ausführliche Antwort (auch wenn es keine direkten Antworten auf meine Fragen waren), habe ich vom Studiendekan des Universitätsklinikums, Herrn Prof. Dr. med. Bernt-Peter Robra bekommen. Er schreibt:
“Homöopathie ist keine Wissenschaft. Trotzdem wird sie von einigen 1000 Ärzten täglich in der medizinischen Praxis eingesetzt, es gibt darüber eine sog. Zusatzweiterbildung der Ärztekammern und Krankenkassen haben in letzter Zeit Versorgungsverträge darüber abgeschlossen. Diese Praxis der Homöopathie kann und sollte daher Gegenstand wissenschaftlichen Interesses sein.”
Ok, da stimme ich zu. Homöopathie ist keine Wissenschaft. Aber Homöopathie ist aus welchen Gründen auch immer für viele Menschen wichtig und dazu gehören auch Ärzte. Ich bin daher ebenfalls dafür, dass man im Medizinstudium mit Homöopathie konfrotiert wird. Jeder Arzt sollte wissen, was Homöopathie wirklich ist; sollte wissen, dass Homöopathie den millionenfach getesteten Grundlagend der Physik und Chemie widerspricht; sollte wissen, dass medizinische Studien der Homöopathie keine Wirksamkeit bescheinigen. Jeder Arzt sollte außerdem lernen, warum viele Menschen sich trotz allem der Homöopathie anvertrauen und warum sie der richtigen Medizin mißtrauen. Jeder Arzt sollte lernen, wie er seinen Patienten das gibt, was die eigentliche “Wirkung” der Homöopatie darstellt: das Gefühl, als Mensch ernst genommen zu werden; das Gefühl, dass sich hier jemand wirklich um alle Aspekte der Krankheit kümmert, usw.
Das alles (es gibt noch viel mehr) sollte Teil des Medizinstudiums sein. Aber ich bezweifle, ob es das ist, was in Magdeburg geplant ist (sonst würde sich der Deutsche Zentralverein der homöopathischen Ärzte wohl kaum darüber freuen)
Professor Robra schreibt weiter:
“Bei dem in Aussicht genommenen Studiengang ist viel noch ungeklärt, ein Punkt muss aber schon jetzt betont werden: es kann KEIN “Homöopathie-Studium” sein (das wäre so absurd wie Sie vermuten), sondern ein Professionalisierungsstudiengang für Ärzte, die in ihrer Praxis Homöopathie einsetzen. Professionalisierungsstudiengänge organisiert die Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaftliche Fakultät. Professionalisierung heißt, die Grundlagen professionellen Handelns zu reflektieren, darzulegen und wissenschaftlich überprüfbar zu machen, Fragen der Praxis in die Forschung zu bringen (z.B. mit eigenen Praxisprojekten) und wissenschaftliche Ergebnisse in die Praxis zu überführen. All das ist in der homöopathischen Praxis überfällig, sie stagniert.”
Ok – “die Grundlagen professionellen Handelns zu reflektieren, darzulegen und wissenschaftlich überprüfbar zu machen”. Das klingt ja prinzipiell nicht schlecht. Aber wie ist das auf die Homöopathie anzuwenden? Die Homöopathie ist wissenschaftlich überprüfbar; die Homöopathie wurde wissenschaftlich überprüft – und sie ist dabei durchgefallen. “Professionelles Handeln” wäre in diesem Fall, die Homöopathie in der Medizin nicht einzusetzen. Das alles ist schon lange bekannt – warum braucht es dafür nun ein eigenes Studium?
Zum Placebo-Effekt meint Professor Robra:
“Placebo-Effekte stören in klinischen Studien, sind in der flächendeckenden Versorgungswirklichkeit aber relevant, wahrscheinlich sehr nützlich und preiswert. Grund genug, sie bis in die Neuro-Mechanismen hinein genau anzusehen – mit wie ohne Homöopathie-Überbau.”
Das der Placebo-Effekt erforscht und angewandt gehört, bestreitet ja auch niemand. Und das wird ja auch gemacht. Allerdings denke ich, dass der “Homöopathie-Überbau” in der konkreten Anwendung mehr Nachteile als Vorteile hat. Denn neben dem Placebo-Effekt gibt es ja auch noch einen “Nocebo-Effekt“. Und wenn man den Menschen weiter einredet, das Homöopathie toll, sanft und sicher und “Schulmedizin” gefährlich und schlecht ist, dann kann das auch ganz konkrete negative Auswirkungen haben – genauso wie der Placebo-Effekt konkrete positive Auswirkungen haben kann. Und von den ganzen Homöopathen, die ihre Zuckerkugeln als Heilmittel gegen so gut wie alles – bis hin zu Krebs oder AIDS – anpreisen, möchte ich hier gar nicht erst reden. Man sollte sich also sehr gut überlegen, wie stark man den “Homöopathie-Überbau” bei der Anwendung des Placebo-Effekts mitnehmen möchte…
Professor Robra schreibt zum Schluß:
“Ich selber sehe in einem solchen Studiengang eine Chance, diesem Zweig der praktischen Medizin einen Weg zurück in den Hauptstrom medizinischen Handelns zu bahnen. Praktiker der Homöopathie, die sich auf diesen Weg einlassen, werden verändert herauskommen. Die medizinische Praxis insgesamt hat die Chance, klarer zu werden.”
Klingt ja erstmal ebenfalls nicht schlecht. Allerdings stellt sich mir die Frage, warum Homöopathie ein “Zweig der praktischen Medizin” sein soll. Und warum man eine erwiesenermaßen unwirksame Therapie in den “Hauptstrom medizinischen Handelns” zurückholen will?
Diese Antwort hat mich nicht wirklich beruhigt. Was genau passieren wird, wird man erst dann sehen, wenn Homöopathie dann wirklich unterrichtet wird. Wenn die Mediziner dort tatsächlich vernünftig über Homöopathie informiert werden, dann wäre das nicht schlecht. Aber irgendwie bezweifle ich, dass es so sein wird…
Ich habe übrigens auch noch den Prodekan für Forschung des Universitätsklinikums und die Institutsvorstände der Institute für Biologie, theoretische Physik und Experimentalphysik angeschrieben. Sollte ich noch weitere Antworten bekommen, werde ich die natürlich hier veröffentlichen.
Nachtrag: Hier gibt es eine neue Antwort
Und falls einer meine Leserinnen oder einer meiner Leser an der Uni Magdeburg arbeitet oder studiert und zu diesem Thema etwas zu sagen hat, würde ich mich über entsprechende Kommentare natürlich auch sehr freuen!
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