Dass Planeten sich bewegen ist ja nichts neues. Runde um Runde drehen sie um ihren Stern und seit Kepler, Newton und Einstein können wir ihre Bewegung auch sehr gut beschreiben.

Im Allgemeinen bleiben die Bahnen der Planeten aber auf einen bestimmten Bereich beschränkt. Die Bahn der Erde wird zwar zum Beispiel immer mal ein bisschen größer und wieder kleiner; wackelt ein bisschen im Raum hin und her und dehnt sich aus bzw. zieht sich zusammen – aber es ist nicht zu erwarten, dass sie plötzlich ihren Bereich um die Sonne verlässt und der Venus auf die Pelle rückt. Genausowenig ist zu erwarten, dass Jupiter die äußeren Bereiche des Sonnensystems verläßt und näher an die Sonne rückt.

Heute ist das zumindest so in unserem Sonnensystem. Aber früher war das ganz anders. Da migrierten die Planeten nämlich. Und das hatte großen Einfluss auf die Erde und vielleicht sogar auf die Enstehung des Lebens…


Planeten in der Scheibe

Um das Phänomen der planetaren Migration zu verstehen, muss man zuerst einmal kurz die Planetenentstehung erklären (eine längere Erklärung gibts bei Ludmila).

In einem gerade entstehendem Planetensystem gibt es nämlich erstmal keine Planeten sondern nur Staub – und jede Menge Gas. Beides zusammen bildet eine Scheibe um den Stern – die sogenannte protoplanetare Scheibe.

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“Gomez Hamburger”. Das Bild zeigt eine Staub- und Gasscheibe um einen Stern. Der Staub selbst ist schwarz und reflektiert Licht nach oben und unten. Es handelt sich hier allerdings um keine protoplanetare Scheibe sondern um eine Staubscheibe eines alten Sterns, der Staub und Gas ausstößt. Bild: NASA

In so einer Scheibe bilden sich nun die Planeten und wenn sie groß genug sind (etwa so groß wie die Erde) und bei der Entstehung noch nicht alles Gas aufgebraucht wurde, dann bewegen sich die Protoplaneten durch die Gasscheibe. Dabei erzeugen sie aber Dichtewellen im Gas und es entstehen Wirbel innerhalb und außerhalb der Planetenbahn. Die sind allerdings nicht genau gleich und wenn der Planet mit den Wirbeln interagiert, übt der äußere eine größere Gegenkraft aus als der innere und der Planet verliert Drehmoment. Das heisst, seine Bahn wird enger und er bewegt sich auf Spiralbahnen nach innen in Richtung Stern. Diesen Vorgang nennt man Typ-I Migration. Er verläuft relativ schnell und dauert nur einige hundertausend Jahre.

Ist der Planet groß genug (etwa zehnmal so schwer wie die Erde) entsteht bei seiner Bewegung durch die Gasscheibe eine Lücke. Sie beendet die Typ-I-Migration da nun keine dirkteInteraktion mit dem Gas mehr stattfindet. Trotzdem gerät aber immer wieder Material in die Lücke und startet eine neue Migration in Richtung Stern. Das dauert diesmal aber viel länger und man spricht von Typ-II-Migration.

Irgendwann ist der Planet dann soweit nach innen migriert, dass er in den Stern fällt oder – da sich ja um den Stern selbst auch eine Lücke bildet – kurz vorher gestoppt wird. Auch wenn alles Gas in der Scheibe aufgebraucht ist, endet die Migration.

Wir haben also nun ein neues Planetensystem. Aber auch jetzt kommen die Planeten nicht zur Ruhe – es gibt noch eine Art der Migration.

Ein nettes Modell

Diesmal ist der Auslöser keine protoplanetare Scheibe sondern eine sogenannte Trümmerscheibe (“debris disk”). Ich habe darüber schonmal im Rahmen meines Artikels über Beta Pictoris geschrieben. Das ist keine Scheibe mehr, die aus Gas besteht sondern aus den Überresten der Planetenentstehung: große und kleine Staubkörner bzw. Asteroiden.

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Die Trümmerscheibe um Beta Pictoris. Die Infrarotstrahlung des Staubes wurde rot/orange dargestellt; der Stern selbst ausgeblendet (Bild:NASA)

Könnte man unser Sonnensystem von außen betrachten, dann würde man ebenfalls eine Scheibe sehen, die es umgibt: den Kuipergürtel und die anschließenden gestreute Scheibe bzw. scattered disc.

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Kommentare (24)

  1. #1 Sephira
    17. November 2009

    Ein Holperwort: dirkteInteraktion = direkte Interaktion

    In Bild 3 scheint die Neptunbahn ursprünglich innerhalb der Uranusbahn zu sein. Bedeutet daß, das der Neptun stärker als Uranus nach außen gewandert ist, oder ist das nur eine falsche Farbmarkierung im Bild?

  2. #2 Thomas J
    17. November 2009

    @Florian

    Die Panspermie postuliert ja, dass schon vorher Leben enstanden sein müsste und dann eingefrorern zu uns gekommen sein müsste.
    Ist das wirklich plausibel?
    Und danke für den Artikel.

  3. #3 Geoman
    17. November 2009

    Florian Freistetter schrieb:

    “Wie auch immer – unser Planetensystem hat eine bewegte Vergangenheit und sicher noch die eine oder andere Überraschung parat!”

    Viel besser hätte es der selige Dr. Immanuel Velikovsky auch nicht formulieren können!

  4. #4 Florian Freistetter
    17. November 2009

    @Sephira: gut gesehen! 😉 Ja, in den Simulationen haben Uranus und Neptun die Plätze getauscht. Ich wollte das aber nicht noch komplizierter machen, drum hab ich das nicht erwähnt…

    @Thomas: Also es ist zumindest nicht unplausibel 😉 Man weiß von vielen Bakterien, dass sie extremste Bedingungen aushalten können – auch das Vakuum des Weltraums. Und wenn anderswo Leben entstanden ist, dann kann das durchaus über Asteroiden zu uns gekommen sein. Ob das aber auch wirklich so wahr, ist schwer rauszufinden… Die Leute, die das vertreten sind aber tatsächlich echte Wissenschaftler, keine Spinner 😉 Obwohls die natürlich auch gibt – die glauben dann vor allem an gerichtete Panspermie -also die absichtliche “Befruchtung” der Erde durch Aliens.

  5. #5 Thomas J
    17. November 2009

    @Florian

    Aber wo genau müssten denn dieses Leben enstanden sein? und wie käme es in die protoplanetare Scheibe? (oder habe ich da etwas falsch verstanden…. dass eingefrorenes Leben auch ausserhalb des Sonnensystems auf unserer Erde “landen” konnte… ?)

    Gibt es eigetnlich Modelle, wann frühestens Leben entstehen konnte und in welchem Abstand das dann zu uns hätte enstehen müssen um uns zu erreichen?

  6. #6 Florian Freistetter
    17. November 2009

    @Geoman: Jetzt hör doch mal mit deinem Velikovsky auf. Nur weil der das Wort “Katastrophe” verwendet hat, ist nicht jede Theorie in der ein bisschen Chaos vorkommt gleich eine Bestätigung von Velkikovskys wirren Thesen. Das du das immer wieder erwähnen musst, ist nur mehr lächerlich.

    Velikovskys “Theorien” haben damals den Naturgesetzen widersprochen und das tun sie heute auch noch…

  7. #7 Florian Freistetter
    17. November 2009

    @Thomas: “Aber wo genau müssten denn dieses Leben enstanden sein?”

    Irgendwo… Auf nem anderen Planeten in nem anderen Sonnensystem vielleicht. Dort schlug ein Asteroid ein, ein Stück des Planets wurde in den interstellaren Raum geschleudert und landete irgendwann in unserem Sonnensystem. Oder vielleicht entstand primitives (Proto)Leben auf einem Kometen – dort gibts jede Menge komplexe Moleküle und der schlug dann bei uns ein.

    Alles sehr unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich.

  8. #8 Thomas J
    17. November 2009

    @Florian

    Aber grundsätzlich schon in unserer Galaxie (100 Tausend Lichtjahre durch 0.x Geschwindigkeit eines lebentranportienrenden Mediums)?

    Wirklich feststellbar(beweisbar) für unseren Planeten nicht, oder? oder erst, wenn man Leben an sich genau definiert hat?

  9. #9 Florian Freistetter
    17. November 2009

    @Thomas: “Aber grundsätzlich schon in unserer Galaxie”

    Ja, doch… Andere Galaxien sind dann doch ein wenig weit weg. Obwohl ich mir nicht sicher bin, obs nicht auch Mikroorganismen gibt, die auch ein paar Milliarden Jahre Vakuum aushalten.

    Aber wie gesagt: Panspermie nachzuweisen ist schwer bis unmöglich.

  10. #10 schrauber2
    18. November 2009

    Hallo Florian, danke für den Artikel. Kann man denn heute solche Vorgänge in den Scheiben der Planeten beobachten – besonders Saturn? Die Effekte wären ja gleich, oder? Ein Mond wächst, reißt eine Lücke in den Gürtel, wandert nach innen oder außen – alles live. Oder überwiegen dort die Gezeitenkräfte und verdecken solche Migrationsbewegungen um’s Vielfache?
    Kleine Klugscheißerei am Rande: “…doppelt so schnell… als Saturn.” müsste lauten “…wie Saturn”.

  11. #11 schlappohr
    18. November 2009

    Ein Wissenschaftler (hab leider den Namen vergessen, sorry) hat mal die Vermutung aufgestellt, dass auf praktisch jedem Gesteinsbrocken im Universum genügend komplexe organische Moleküle vorhanden sein können, aus denen sich Leben entwickeln kann (zumindest in den “gemäßigten Zonen” des Alls). Die Frage ist nur, ob diese Moleküle im Laufe ihrer Existenz auf einen lebensfreundlichen Planeten gelangen und so eine Evolution zünden können. So gesehen ist die Entstehung des Lebens auf der Erde gar kein so großes Wunder und erst recht kein Zufall. Wenn ich mich recht erinnere, meinte er auch, dass einige der komplexen Moleküle per Einschlag auf die Erde kamen, während andere auf der Erde entstanden sind, deswegen hielt er die Frage nach Panspermie ja oder nein nicht für so relevant für die Entstehung des Lebens.

  12. #12 Arnd
    18. November 2009

    Weiss eigentlich jemand wie groß die Masse des Kuipergürtels insgesamt ist? Und wenn wir grad dabei sind, wie groß ist die Masse des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter?

  13. #13 Flaschengeist
    18. November 2009

    “Als größter und schwerster Planet schmeisst der die Asteroiden aus dem Sonnensystem oder schickt sie auf extrem langgestreckte Bahnen; die weit weg von der Sonne führen. Dadurch wird Jupiter selbst nach innen bewegt.”

    Hm, da komme ich nicht ganz mit. Wie sich die Bewegung der anderen Planeten nach außen erklären lässt habe ich verstanden, aber warum schickt Jupiter die Asteroiden von der Sonne weg?

    Viele Grüße!

  14. #14 Florian Freistetter
    18. November 2009

    @schlappohr: Um die Migration im Saturnring beobachten zu können, ist der Effekt dort wohl zu klein (und die Zeitskalen zu kurz). Die Teilchen im Saturnring sind ja doch sehr winzig.

    @Arnd: Also die Gesamtmasse des Asteroidengürtels schätzt man auf 5 Prozent der Masse des Erdmondes. Im Kuipergürtel soll es ein Zehntel der Erdmasse (=8fache Mondmasse) sein.

    @Flaschengeist: Jupiter ist viel massiver als die anderen Planeten. Dadurch kann er die Planeten aus dem Sonnensystem rausschmeissen. Das schaffen die anderen Planeten nicht so gut.

  15. #15 Stargazer
    18. November 2009

    Unsachliche Bemerkung am Rande: Die Stromatolithe sehen aus wie Koprolithe …- was die Panspermiehypothese natürlich wahrscheinlicher macht. 😉

  16. #16 Bullet
    18. November 2009

    Warte mal … kann ich das übersetzen mit “die sehen aus wie hingekackt”??

  17. #17 Stargazer
    18. November 2009

    @ Bullet: Genau so sehen sie doch aus, oder?

  18. #18 Bullet
    18. November 2009

    Äääähmmm.

    Ja.

    In der Tat.

  19. #19 Florian Freistetter
    19. November 2009

    Zur Panspermie ist gerade hier ein neuer Artikel erschienen: anscheinend können Mikroben auch ein paar Millionen Jahre im Weltall überleben.

  20. #20 Geoman
    23. November 2009

    @ Florian Freistetter schrieb:

    “Jetzt hör doch mal mit deinem Velikovsky auf. Nur weil der das Wort “Katastrophe” verwendet hat, ist nicht jede Theorie in der ein bisschen Chaos vorkommt gleich eine Bestätigung von Velkikovskys wirren Thesen. Das du das immer wieder erwähnen musst, ist nur mehr lächerlich.

    Velikovskys “Theorien” haben damals den Naturgesetzen widersprochen und das tun sie heute auch noch…”

    Je länger ich Deinen Blog lese, desto mehr verdichtet sich bei mir der Eindruck, dass die so genannten Naturgesetze oder daran anknüpfende Theorien, sich Velikovskys kosmischen Szenarien beständig anschmiegen.

    Ich darf Dir jetzt schon weissagen, wie die Geschichte endet. Irgendwann, in nicht gar so ferner Zeit, wird der Wissenschaftsbetrieb sich Velikovskys zentralen Thesen (natürlich nicht allen, denn er war ja nicht der liebe Gott) soweit angenähert haben, dass Übereinstimmungen kaum noch zu verbergen ist. Dann wird man sagen, es gab da vor fünfzig oder sechzig Jahren mal einen durchgeknallten Psychiater, der zu ähnlichen Ergebnissen gekommen ist, aber eben rein spekulativ und völlig wirr und eben nicht auf dem Boden wissenschaftlicher Tatsachen…

  21. #21 Florian Freistetter
    23. November 2009

    @Geoman: “Ich darf Dir jetzt schon weissagen, wie die Geschichte endet. Irgendwann, in nicht gar so ferner Zeit, wird der Wissenschaftsbetrieb sich Velikovskys zentralen Thesen (natürlich nicht allen, denn er war ja nicht der liebe Gott) soweit angenähert haben, dass Übereinstimmungen kaum noch zu verbergen ist.”

    Du meinst die tollen Thesen wie die Entstehung der Venus aus dem Planet Jupiter? (Seltsamerweise ohne bei ihrem Abflug die Bahnen der Jupitermonde zu stören). Oder die Bahn der Venus nach Velikovksy, die sämtlichen Erhaltungssätzen widerspricht?

    Ja… sicher wird sich da die Wissenschaft noch “annähern”. Wir müssen nur das gesamte Wissen der letzten paar Jahrzehnte nehmen und wegwerfen – dann hat der gute Velokovsky wieder ne Chance.

    Aber wenn wir Velikovsky unbedingt diskutieren müssen, dann bitte im passenden Artikel. Hier gehts um planetare Migration – die hat nicht das geringste mit Velikovsky zu tun.

  22. #22 Outerrim
    27. November 2013

    “…Die Asteroiden (des LHB) stammen ja ursprünglich aus dem äußeren Sonnensystem…”

    Geht man nicht mittlerweile davon aus, dass die Asteroiden des LHBs aus dem Asteroidengürtel stammen und NICHT aus dem äußeren Sonnensystem (Kuipergürtel…)?

  23. #23 Jens
    22. Februar 2015

    Sind die Monde der großen Gasplaneten vor oder nach deren Migration durchs Planetensystem entstanden?

  24. #24 Alderamin
    23. Februar 2015

    @Jens

    Die müssten eigentlich vorher entstanden sein, zumindest vor der Typ-II-Migration, da war ja das Baumaterial für die größeren Monde außer Reichweite. Ein paar Asteroiden werden sie sich später noch als zusätzliche Monde eingefangen haben (z.B. während der Typ-III-Migration).