Warum ist das wichtig? Wenn man die Lösung einer Gleichung störungstechnisch aufbaut, setzt man sie aus verschiedenen Elementen zusammen:

i-e73e048bc541922582278245338f99e6-3bpformel10-thumb-500x195.jpg

Ganz am Anfang der Reihe steht der ungestörte Fall, der in der Gleichung oben mit σ0 bezeichnet wird. Dann folgt der sogenannte Säkularterm σ1 , der direkt von der Zeit t abhängt und der entsteht, wenn man in der Summe die Indizes j und k gleich Null setzt. Danach kommen die Terme höherer Ordnung die immer weniger zur Genauigkeit der Lösung beitragen.

Der Säkularterm ist wichtig – er hängt direkt von der Zeit ab und wächst mit ihr. Je mehr Zeit vergeht, desto größer kann er werden. Das ist von großer Bedeutung, wenn man über die Stabilität des Sonnensystems Bescheid wissen will. Die relevante Frage ist hier, ob die Bahnen der Planeten bei ihren Änderungen auf einen bestimmten Bereich beschränkt sind oder beliebig groß werden können. Wenn beispielsweise die Bahn der Venus immer größer und größer wird – also die große Halbachse der Venusbahn ungehemmt wachsen kann – dann kann sie irgendwann mit der Erde zusammenstoßen. Nur wenn die Änderungen beschränkt sind, kann das Sonnensystem stabil bleiben.

Wenn in der Lösung ein Säkularterm existiert, dann kann sie allerdings im Laufe der Zeit immer größer und größer werden. Hier sieht man nun, warum der zusätzliche Index bei der Lösung von σ0 äußerst wichtig ist: wenn alle Indizes null gesetzt werden (was man ja machen muss um den Säkularterm zu berechnen), dann sorgt das zusätzliche j dafür, dass der komplette Ausdruck null wird. Die Lösung von L1 hat also keinen Säkularterm!

Und da L1 direkt von der großen Halbachse des ersten Planeten abhängt ist sichergestellt, dass seine große Halbachse und damit seine Bahn nicht beliebig groß werden kann. Das gilt natürlich auch für die Lösungen der anderen Planeten und somit ist klar, dass das Sonnensystem stabil ist! Die Bahnen der Planeten können sich nicht beliebig ändern sondern sind auf bestimmte Bereiche beschränkt.

Allerdings bleibt ein kleiner Schönheitsfehler. Ich hab ja schon erwähnt, das die Störungsrechnung immer nur Näherungslösungen liefert, die zwar immer exakter gemacht werden können – aber nie völlig exakt sein werden. Wenn man die die oben dargestellten Lösungen verbessert – in der Störungstheorie sagt man, dass man zu höheren Ordnungen übergeht – dann ändert sich das Bild. Beim Übergang zur nächsthöheren Ordnung taucht immr noch kein Säkularterm auf – aber bei der nächsten Ordnung ist die Situation anders: hier gibt es dann einen Säkularterm und es kann nicht für alle Zeiten sichergestellt werden, dass die Planetenbahnen stabil bleiben.

Das zeigen dann auch die numerischen Simulationen: in erster Näherung ist unser Sonnensystem stabil – aber wenn man lange Zeiträume betrachtet und alle Effekte inkludiert, dann kann es unter Umständen zu chaotischem Verhalten kommen

1 / 2

Kommentare (10)

  1. #1 Bullet
    7. Januar 2010

    Okay, das ist mir dann echt zu hoch. Trotz allem interessant, keine Frage. Aber morgen abend könnte ich auf der Party trotzdem nicht beim Glase des guten Weines über Bahnelemente von Planeten referieren im Sinne von “hab ich doch gestern gelesen, daß…” . Trotzdem: weitermachen bitte. 🙂

  2. #2 blogjoker
    7. Januar 2010

    Interessantes Thema!

    Bei einigen Formeln bin ich mir aber nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe.

    Darf ich einen Vorschlag äußern?

    Falls es nicht zuviel Mühe macht: Wie wär’s mit einem Rechenbeispiel, also eine Anwendung der Formeln mit konkreten Zahlenwerten?

    Dann kann ich das selber nachprogrammieren und sehe sofort, wo ich eine Formel falsch verstanden habe.

    Vielen Dank im Voraus.

    blogjoker

  3. #3 Thilo Kuessner
    7. Januar 2010

    Woher kommt denn der Name “Säkularterm”?

  4. #4 anon coward
    7. Januar 2010

    Gibt es ein open-Source tool, das solche Berechnungen durchführt?

    Kann man die tatsächlichen Bahnelemente für unser Sonnensystem irgendwo im Web nachlesen?

  5. #5 rolak
    7. Januar 2010

    Ohne den Urlauber ersetzen zu wollen: von saeculum/Jhdt. DTV Lexikon Physik:

    Säkular heißen in der Astronomie alle Vorgänge, die sich über lange Zeiträume, mindestens mehrere Jahrzehnte entsprechen. Das Wort wird zur Unterscheidung von kurzfristigen Vorgängen gleicher Art genutzt.

  6. #6 Karl Mistelberger
    7. Januar 2010
  7. #7 Karl Mistelberger
    7. Januar 2010

    Chaos and stability in planetary systems, von R. Dvorak, Florian Freistetter, Jürgen Kurths

    This book is intended as an introduction to the field of planetary systems at the postgraduate level. It consists of four extensive lectures on Hamiltonian dynamics, celestial mechanics, the structure of extrasolar planetary systems and the formation of planets. As such, this volume is particularly suitable for those who need to understand the substantial connections between these different topics.

    https://books.google.de/books?id=shYNuW0B0fsC

  8. #8 Florian Freistetter
    8. Januar 2010

    @Blogjoker: Also wirklich war vorrechnen ist da schwierig. Da müsste man dann wirklich die kompletten Formeln und Ableitungen bringen, sonst macht das keinen Sinn.

    @Karl Mistelberger: Ja, wers genau wissen will, kann in diesem Buch alles nachlesen. Ist aber nicht wirklich was für Laien.

  9. #9 androcles
    10. Januar 2010

    @blogjoker

    Ich weiß nun nicht, worauf Florian eigentlich hinaus will. Normalerweise simuliert man einfach das Planetensystem mit den Newtonschen Differentialgleichungen. Dies geschieht praktisch vollkommen intuitiv und das kann man aus dem Stegreif in den Rechner programmieren.

    Lediglich das Integrationsverfahrens sollte man sorgfältig auswählen. Dafür könnte man z.B. ein Runge-Kutta Verfahren höherer Ordnung wählen.

    Die Betrachtungsweise ist vollkommen elementar. Man nimmt einen Himmelskörper und berechnet sämtliche Beeinflussungen aller anderen Himmelskörper auf diesen einen Himmelskörper. Daraus erhält man den resultierenden Beschleunigungsvektor für diesen einen Himmelskörper.

    Das macht man nun mit jedem einzelnen der anderen Himmelskörper auch.

    Dann wird man die Beschleunigungen für einen kleinen Zeitschritt in resultierende Geschwindigkeitsänderungen bzw. Geschwindigkeiten und resultierende Wege ausrechnen und erhält damit die neuen Positionen aller Himmelskörper und die neuen Geschwindigkeiten.

    Dann fängt es wieder von vorne an.

    Wenn man ein gutes Integtrationsverfahren hat, welches große Zeitschritte rechnen kann, flitzen die nächsten Millionen Jahre unseres Planetensystems in vielleicht 5 Stunden Rechenzeit vorüber.

    Aber auch nach nur wenigen Minuten kann man schon sehen, in welchen Bahnbandbreiten sich alles bewegt.

    Natürlich ist eine derartige Betrachtung eine sehr theoretische, da man nur mit Punktmassen rechnet. Real hat man es aber mit ausgedehnten Körpern zu tun, welche sich nicht mehr als ideale Punktmassen rechnen lassen.

    Dann gibt es auch noch Gezeitenkräfte, welche das Leben noch einmal erschweren werden, wenn man es “ganz genau” wissen möchte. Entsprechend wird dann auch der Rechenaufwand ins “astronomische” steigen und in den 5 Stunden hat man dann tatsächlich vielleicht einige hundert oder tausend Jahre simuliert.

    Aber wenn man einfach nur mit den jeweiligen Differentialgleichungen arbeitet, ist das kein Problem, diese bedarfsgemaß immer mehr zu erweitern. “Vor Augen” hat man dabei immer nur “einen” Himmelskörper. Den Rest macht die “for next” Schleife für alle anderen Himmelskörper ganz alleine.

    Und am Integrationsverfahern muß man gar nichts ändern. Das weiß sowieso nicht, was es da eigentlich berechnet 🙂

  10. #10 blogjoker
    22. Januar 2010

    @Florian
    Ok, das ist natürlich ein Argument.

    @androcles
    Danke für die ausführliche Antwort. So ähnlich hatte ich das vor etlichen Jahren auch schon mal ausgetüfftelt. Allerdings nur in 2 Raumdimensionen. Alles in 32bit und die Delta t’s hart an der Nullgrenze.
    Das Problem war, realistische Anfangswerte für dx und dy und die Geschwindigkeitsvektoren zu finden.

    Aber auch ein Sonnensystem, wo die Planeten und der Zentralkörper aus dem Nichts mit v=0 im Raum erscheinen, kann eine beachtliche Dynamik entwickeln.