Ich muss noch einmal auf die Geschichte vom neuen Radiosender DRadio Wissen und dem Astrologie-Interview zurück kommen. Je öfter sich der zuständige Redakteur dazu äußert, desto bedenklicher wird die ganze Sache irgendwie…
Eine kurze Zusammenfassung: am Montag startete ein neuer Sender des Deutschlandradios: DRadio Wissen. Ein Sender, der sich explizit dem Wissen widmen will, unter dem Motto “Hirn will Arbeit”.
Eine der ersten Aktionen dieses Senders war es, einen Astrologen zu beauftragen, der Sendung ein Horoskop zu stellen. Über diese Prognose wurde dann im Radio berichtet und ein völlig unkritisches Interview mit dem Astrologen geführt, bei dem zwar oft betont wurde, dass es sich um einen “geprüften Astrologen” handelt aber kein einziges Mal erwähnt wurde, dass Astrologie wissenschaftlich gesehen völliger Unsinn ist.
So weit, so schlecht. In der live übertragenen Redaktionskonferenz wurde das Thema nochmal angesprochen – viele Hörer hatten sich verständlicherweise beschwert und fragten sich, was sowas in einem öffentlich-rechtlichen Wissenssender zu suchen hat. Der Redaktionsleiter von DRadio Wissen, Ralf Müller-Schmid, legte allerdings dort noch nach. Astrologie sei ja auch irgendwie eine Wissenschaft (weil sie “koherente Gesetze” habe) und überhaupt kann man ja die Stringtheorie ja auch nicht belegen, meinte Schmid.
Bei Medienradio.org gibt es nun ein sehr langes Interview mit Schmid in dem er sich wieder zur Astrologie-Sache äußert. Und – wenig überraschend – alles noch ein schlimmer macht…
Man hätte ja einfach sagen können “Sorry, das mit dem Astrologen war ne blöde Idee. Wir dachte, das wär vielleicht irgendwie lustig – wars aber nicht. Wir machens nicht wieder.” Das wäre zwar immer noch ein wenig peinlich für den neuen “Wissenssender” gewesen – aber jeder macht mal Fehler. Wenn man diese Fehler dann allerdings mit Händen und Füssen verteidigt, dann frag ich mich schon, ob man bei DRadio Wissen wirklich verstanden hat, warum sich die Leute eigentlich aufregen.
So meint Schmid im Interview mit dem Medienradio (ab etwa Minute 35) zum Beispiel, er habe das überhaupt nur gemacht
(…) weil ich gewohnt bin – ich hab ja selber mal in der Wissenschaft gearbeitet – dass man mal so Thesen prüft, also dass man versuchweise Haltungen übernimmt. Ich fands einfach ne klasse Idee, den Astrologen zu befragen. (…) Ganz unabhängig davon, ob ich den ganzen Zauber glaube, fand ich das halt ein tolles Experiment.
Gute Idee! Nachdem die Astrologie nun ein paar tausend Jahre Zeit hatte, ausführlich zu demonstrieren, dass sie keine ihrer Versprechungen halten kann und das auch schon oft genug nachgewiesen wurde, braucht es so ein Experiment zwar nicht mehr wirklich – aber man kann es trotzdem nochmal demonstrieren. Diese Art der Aufklärung ist auch problemlos mit dem Profil eines öffentlich-rechtlichen Wissenssenders vereinbar.
Das Problem ist nur: sowas hat Schmid nicht gemacht! Da wurden keine “Thesen geprüft”. Da wurde ein toller “geprüfter Astrologe” vorgestellt dem man kritiklos zuhörte, als der ganz überraschend “Bildung, Wissen und Horizonterweiterung” im Horoskop des Senders fand. Schmid hat den Hörern dann noch versichtert: “So ein genaues Horoskop zeigt ja auch die Charaktereigenschaften” und sich die dann vom Astrologen genau erklären lassen. Das ist kein “Thesen prüfen”. Das ist kein “Experiment”. Man sollte meinen, jemand der bei einem Sender mit “Wissen” im Namen arbeitet, wüsste was dieses Wort bedeutet – ist aber anscheinend nicht so.
Schmid spricht auch nochmal über die Redaktionssitzung und meint, er habe die Reaktionen unterschätzt:
“Ich bin der Ansicht das Astrologie Wissenschaft ist” – der Satz ist mir dann ganz schön um die Ohren geflogen
Ach – welch Überraschung… Ernsthaft – Schmid ist überrascht, dass dieser Satz, aus dem Mund eines Redaktionsleiters von DRadio Wissen, live im Radio geäußert, nicht gut ankommt? Da weiß ich echt nicht, was ich dazu sagen soll…
Auch folgende Aussage von Schmid ist interessant:
(…) weil ich unterschätzt habe, dass wenn wir was sagen , das so sagen müssen, dass deutlich rüberkommt wie wir das meinen
Ich bin kein Journalist – aber eigentlich sollte man wissen, dass man die Dinge so sagen sollte, dass auch die Hörer/Leser mitkriegen, was gemeint ist. Und wenn man die Thesen der Astrologie wissenschaftlich prüfen will, dann sollte man halt keine Sendung machen, in der man den Astrologen 10 Minuten lang öffentlich toll findet. Das könnte das Publikum in der Tat falsch verstehen…
Aber anscheinend geht das nur mir so – anderen Leuten wars völlig klar, dass das nur ironisch gemeint sein kann. Einer der Leute von Medienradio meinte dazu
Wenn er dann gezwungen ist dazu sagen muss – in Klammer – “Das war Ironie”, dann kannst du’s vergessen.
Es scheint, als hätte man in der Medienbranche eine spezielle Auffassung von Ironie und Humor..
Aber eigentlich fand der Mann von Medienradio das auch gar nicht so schlimm, dass Schmid sich hier so geäußert hatte:
Guck dir die Physiker an – Stringtheorie, das Große, Mikrokosmos, Makrokosmos, Kosmologie, – passt auch alles hinten und vorne nicht zusammen. Die Wissenschaft ist nicht so wasserdicht als das man sagen könnte, es ist glasklar, diese Wissenschaften sind nachweisbar, ganz geschlossene Systeme und Astrologie ist Humbug. So einfach ist es ja wiederum nicht.
Doch – so einfach ist es! Das Astrologie Humbug ist, ist ganz glasklar und leicht nachweisbar. Und zu sagen, dass in der Kosmologie oder Stringtheorie alles “hinten und vorne nicht zusammenpasst” zeugt höchstens von der Ignoranz des Sprechers – aber sonst von nicht viel. Außerdem: selbst wenn die komplette Kosmologie/Stringtheorie von vorn bis hinten erstunken und erlogen wäre, würde das die Astrologie deswegen nicht auf einmal vom Humbug zur Wissenschaft werden lassen. Das eine hat mit dem andern nichts zu tun!
Aber Schmid schlug gleich in die selbe Kerbe und meinte:
(…) wenn etwas Wissenschaft ist, das nicht wirklich ein gutes Kritierium ist, um herauszufinden, ob das was das da tatsächlich behauptet ist, auch wahr ist. Es gibt ja vieles, was Wissenschaft ist, was auch falsche Thesen verbreitet und da muss man nicht lange suchen und es gibt auch vor allem sehr viele Wissenschaften die nur (…) mit ganz hohem theoretischen Aufwand in die Nähe von Beweisen kommt, also jetzt hast du selber die Stringtheorie genannt…
Hier sind ja doch einige sehr erstaunliche Aussagen dabei – vor allem, wenn sie vom Redaktionsleiter von DRadio Wissen kommen. Wissenschaft ist also kein gutes Kriterium, um herauszufinden, ob etwas wahr ist oder nicht? Ja was denn dann, bitte? Wissenschaft ist die einzige bekannte Methode, mit der sich objektives und verläßliches Wissen finden lässt! Das ist ja gerade Sinn und Zweck von Wissenschaft!
Und es soll Wissenschaften geben, die falsche Thesen verbreiten? Tatsächlich? Welche wären denn das? Welche Wissenschaftler treiben sich an unseren Unis rum und erforschen und verbreiten “falsche Thesen”? Welche Thesen sind das? Wer hat nachgewiesen, dass diese Thesen falsch sind? Wenn man da “nicht lange suchen” muss, dann sollte man meinen, man könnte darauf Antworten finden…
Und wieder mal kommt die Stringtheorie. Ja, die Stringtheorie hat das Problem, dass sie experimentiell nicht nachweisbar ist. Das ist aber kein prinzipielles Problem. Man könnte die Stringtheorie gut nachweisen – nur reichen unsere technischen Mittel im Moment nicht. Und den Wissenschaftlern ist durchaus bewusst, dass diese Probleme bei der Stringtheorie existieren und sie arbeiten daran, sie zu lösen. Das alles hat aber nichts mit der Astrologie zu tun! Egal welche Probleme die Stringtheorie haben mag – keines davon macht die Astrologie wahrer!
Ich find die ganze Geschichte schon ein wenig absurd. Wenn das alles nur “Ironie” und ein Scherz zum Senderstart gewesen sein soll – warum das dann nicht auch sagen und dabei belassen? Warum diese wiederholten Rechtfertigungsversuche? Wenn Schmid Astrologie für Unsinn hält und nur einen (schlechten) Scherz machen wollte, warum muss er dann Stringtheorie und Wissenschaftstheorie aufbieten um doch noch irgendwie zu rechtfertigen, dass Astrologie nicht so schlimm ist…?
Jemand der solche Ansichten über Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit hat wie Schmid, sollte lieber weiter seinen früheren Job als Philosoph nachgehen aber keinen Radiosender leiten, in dem es darum geht, Wissen zu vermitteln! Oder sich zumindest ein Team von Leuten zulegen, die wirklich Ahnung von Wissenschaft haben. Vielleicht hat er das ja auch – und es bleibt zu hoffen, dass die sich in Zukunft öfter zu Wort melden. Dann wird DRadio Wissen vielleicht doch noch ein vernünftiger Sender…
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