Wie alt ist das Universum? Mittlerweile können wir diese Frage recht gut beantworten; besonders seit der Satellit WMAP die kosmische Hintergrundstrahlung vermessen hat. Unser Universum ist demnach 13.7 Milliarden Jahre alt, plus oder minus einige hundert Millionen Jahre.
In Anbetracht der Schwierigkeit der Messungen ist das schon ein recht ordentlicher Wert. Aber natürlich möchte man es gerne ganz genau wissen – und darum wird immer wieder probiert, diesen Wert zu verbessern. Einer Forschergruppe um Sherry Suyu von der Universität Bonn ist das nun gelungen.
Suyu und ihre Kollegen haben dafür eine sogenannte Gravitationslinse untersucht. So wie Licht durch eine Linse aus Glas abgelenkt werden kann, kann es auch durch starke Gravitationsfelder von seinem Weg abgebracht werden. Das ist folgt direkt aus der allgemeinen Relativitätstheorie und durch die Messung der Lichtablenkung während einer Sonnenfinsternis wurde Einsteins Theorie auch erstmals bestätigt.
Die Gravitationslinse, die Suyu et al. beobachtet haben, war allerdings ein bisschen größer als unsere Sonne. Bei der Linse mit dem Namen B1608+656 handelt es sich um zwei sehr schwere Galaxien die vor einer andere Galaxie liegen. Ihr Licht wird durch die Linsengalaxien gekrümmt und anstatt einem einzigen Bild sieht man vier Bilder der Quelle (A, B, C und D), die rund um die Linse (G1 und G2) angeordnet sind:
Das Licht der vier Bilder hat unterschiedliche Wege zurückgelegt und aus diesem Laufzeitunterschied konnten die Forscher den Abstand zu Linse und Quelle berechnen.
Das ganze ist natürlich nicht so einfach wie es klingt und wer Lust hat, kann sich den 24seitigen Artikel mit dem Titel “Dissecting the Gravitational Lens B1608+656. II. Precision Measurements of the Hubble Constant, Spatial Curvature, and the Dark Energy Equation of State” gerne durchlesen (er ist vor kurzem im Astrophysical Journal erschienen). Ein Faktor, der beispielsweise berücksichtigt werden musste, waren die Galaxien, die zwischen Linse und Erde liegen. Ignoriert man diese Massen, bekommt man einen zu großen Wert für die Hubblekonstante H.
Diese Konstante beschreibt, wie schnell sich das Universum ausdehnt (und eigentlich ist sie keine echte Konstanten sondern ändert sich auch im Laufe der Zeit). Ihre Dimension ist Geschwindigkeit pro Entfernung (normalerweise wird sie in km s-1 Mpc-1 angegeben). Wir wissen ja seit den Messungen von Edwin Hubble dass sich die Galaxien umso schneller von uns entfernen, je weiter sie weg sind. Genau das wird durch die Hubblekonstante beschrieben.
Kennt man die Hubblekonstante, dann kann man daraus das Alter des Universums berechnen. Eigentlich bräuchte man nur den Kehrwert bilden: die Zahl 1/H ist die sg. Hubblezeit und wenn das Universum völlig leer wäre und sich gleichförmig ausdehnen würde, dann wäre sie identische mit seinem Alter. Aber das ist ja nicht so und deswegen muss man entsprechende Korrekturen anbringen – je nachdem wieviel Materie und Energie das Universum enthält.
Die bisher besten Messungen des Satelliten WMAP ergeben unter der Annahme, dass das Universum flach ist und das die dunkle Energie als kosmologische Konstante beschrieben werden kann, beispielsweise einen Wert der Hubblekonstante von 74 km s-1 Mpc-1 (wobei der Wert um 15 nach oben bzw. 14 km s-1 Mpc-1 nach unten abweichen kann).
In Kombination mit anderen Messungen ergeben sich leicht unterschiedliche Werte mit schmalere Fehlergrenzen. Die Messungen von Suyu und ihren Kollegen haben den Wert nun nochmal nach unten korrigiert. Tabelle 5 aus ihrer Arbeit gibt einen Überblick:
Die neuen Ergebnisse geben also einen Wert der Hubblekonstante von 69.7 km s-1 Mpc-1 an. Suyu et al. haben außerdem berechnet, dass unser Universum zu 72% aus dunkler Energie besteht und das sich daraus ein Alter von 13.75 Milliarden Jahren ergibt (mit einer möglichen Abweichung von 170 Millionen Jahren nach oben oder 150 Millionen Jahren nach unten). Im Vergleich mit dem Wert von 13.73 Milliarden Jahren (plus 160 Millionen, minus 150 Millionen), der auf den 5-Jahres-Daten von WMAP basiert ist das Universum als ein “bisschen” älter geworden. Die kürzlich veröffentlichten 7-Jahres-Daten von WMAP bestätigen die Arbeit von Suyu et al. und kommen ebenfalls auf ein Ergebnis von 13.75 Milliarden Jahren.
Man darf sich übrigens nicht verwirren lassen: in den letzten Jahren wurden ständig neue Werte für das Alter des Universums veröffentlicht (und das wird auch in Zukunft so sein). Das bedeutet nicht, dass sich die Wissenschaftlicher nicht einig sind und jeder seine Lieblingswerte veröffentlicht! Alle publizierten Zahlen stimmen in ihren Fehlergrenzen gut überein. Die Messungen werden eigentlich immer nur genauer. Das ist ein völlig normaler Vorgang in der Wissenschaft – er wird halt nur selten so ausführlich von den Medien begleitet, die über jede neue Messung berichten. Aber das Alter des Universums interessiert uns eben…
Hier gibts übrigens auch noch ein Videointerview mit Sherry Suyu.
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