Oft ist es lustig, über Esoterik, Pseudowissenschaft und den ganzen Kram zu schreiben und sich darüber zu amüsieren, wie absurd hier viele Dinge sind. Dann aber liest man Dinge, die auf einmal gar nicht mehr lustig sind; Dinge die mich so richtig wütend machen.
Ihr erinnert euch doch noch an die Homöopathen ohne Grenzen, die damals den Preis für Hilfsorganisationen nicht gewonnen haben. Das ist auch gut so – denn was diese Leute tun, hat wirklich keinen Preis verdient. Ganz im Gegenteil…
Ich habe gerade einen Artikel in der Neuen Westfälischen Zeitung gelesen. Zum Glück noch vor dem Mittagessen – denn das wäre mir wohl ansonsten wieder hochgekommen.
Im Artikel wird die Arbeit von Anette Schultz, Renate Blum und Barbara Böttcher beschrieben. Alle gehören zu den Homöopathen ohne Grenzen (HOG) und sind nach Sierra Leone in Afrika gefahren um dort die Menschen mit Globuli zu behandeln.
“Vor der Tür stehen die Frauen, Männer und Kinder im Staub, hocken sich zum Schutz vor der Sonne unter Büsche und Bäume. Es sind 37 Grad im Schatten. Einer versucht, eine Liste zu führen, damit es nicht zum Gedränge kommt vor der Tür, hinter der diese nicht alltägliche medizinische Hilfe wartet. Jeder Stammesobere, so erzählt Anette Schultz, versucht, die Seinen nach vorne zu bringen.”
200 Menschen pro Tag “behandeln” die Homöopathen jeden Tag. Und was fehlt den Leuten? Ein bisschen Heuschnupfen? Kopfschmerzen? Ein verspannter Rücken? Tja – das wären wohl typische Homöopathie-Patienten aus Europa. In Sierra Leone haben die Menschen andere Probleme:
“Die Menschen brauchen Hilfe, weil sie an den Folgen von Tropenkrankheiten oder Kriegsverletzungen leiden. Parasiten, Pilzerkrankungen, Beschwerden nach Beschneidungen bei Frauen, Leistenbrüche – die Liste der Krankheiten und Beschwerden ist lang.”
Kriegsverletzungen! Beschneidungen bei Frauen! Und diese ****** meinen, es wäre lustig, diese armen Menschen mit unserem europäischen Wohlfühlmist zu belästigen! Die Leute in Sierra Leone (und nicht nur dort!) brauchen richtige medizinische Hilfe! Und Homöopathie ist keine Medizin! Homöopathie wirkt nicht! Wir in Europa können es uns leisten, auf “alternativ” und “ganzheitlich” zu machen; uns vor dem bösen “Schulmediziner” mit seinen schlimmen Spritzen und Antibiotika gruseln und mit unseren kleinen Wehwehchen zum Homöopathen gehen. Der verschreibt uns dann ein teures Plazebo und wir fühlen uns gut und bestätigt und gehen zufrieden nach Hause. Und wenn die Krankheit dann mal doch etwas ernster wird, dann haben wir glücklicherweise noch jede Menge echte Ärzte und Krankenhäuser, die uns dann auffangen.
Wie gesagt – wir in Europa können uns diesen Wohlfühlquatsch leisten. Den Leuten in Sierra Leone aber nun einzureden, sie bräuchten nur ein paar Globuli schlucken und alles wird wieder gut – das ist wirklich armselig! Klar, die deutschen Homöopathinnen fühlen sich gut, wenn sie ihre “Weisheit” nach Afrika tragen dürfen. Und dann werden sie auch noch so toll gefunden:
“Weil die medizinische Versorgung abseits der Großstädte in diesem bis 2003 vom Bürgerkrieg gebeutelten, armen westafrikanischen Land selten bis gar nicht vorhanden ist, steigt die Zahl der Patienten für die drei Deutschen täglich an. Nicht alles können die Frauen richten, Operationen können sie nicht ersetzen. Sie seien eine Ergänzung zur klassischen Medizin, sagt Anette Schultz. Eine Ergänzung, die mitunter das einzige therapeutische Angebot ist, das die Menschen nutzen können.”
Diese “Ergänzung” könnt ihr aber nur dann sein, wenn es im Land auch eine echte Medizin gibt, ihr HOGs! Das mag in Europa so sein – aber in Sierra Leone nicht. Wenn ihr da eine “Behandlung” verpfuscht, dann gibt es keinen Hausarzt um die Ecke; kein Krankenhaus dass das dann wieder hinbiegt! Und natürlich werden die Leute in Sierra Leone zu euch kommen und sogar Schlange stehen. In einem Land, wo eine echte medizinische Grundversorgung fehlt, werden die kranken Menschen nach jedem Strohhalm greifen, der sich ihnen bietet.
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