Mit ein wenig Verspätung kommt hier noch der Bericht vom letzten Tag der GWUP Konferenz in Essen (Tag 1 und Tag 2 wurden ja schon zusammengefasst). Nochmal vielen dank an Lorenz Meyer, den Gastautor dieser Berichte.
Der dritte Tag der in Essen stattfindenden 20. GWUP-Konferenz “Warum Menschen an Unfug glauben” startet um 9.15 Uhr mit einem Vortrag von Prof. Dr. Martin Lambeck über “Die Komplementärmedizin an der Universität Frankfurt/Oder – Eine Revolution der Wissenschaften?”.
Der 1934 geborene Referent ist seit 1970 Professor für Physik TU Berlin. Zu seinen Schwerpunkten zählen Optik, Magnetismus, Werkstoffprüfung und Physikdidaktik. Er ist Mitglied im Wissenschaftsrat der GWUP und Autor des Buches “Irrt die Physik? Über alternative Medizin und Esoterik” (C.H.Beck).
Hier der Abstract aus den Konferenzunterlagen:
In Frankfurt/Oder gibt es die Europa-Universität „Viadrina” (lat: „An der Oder gelegen”). Unter der Präsidentschaft von Prof. Dr. Gesine Schwan wurde im Jahre 2008 das „Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften” (IntraG) gegründet und unter der Präsidentschaft des Nachfolgers, Dr. Gunter Pleuger, erweitert. Dieses bietet einen 4-semestrigen Masterstudiengang „Komplementäre Medizin – Kulturwissenschaften – Heilkunde” zur Erlangung des Grades „Master of Arts (M.A.)” an. Eine anschließende Promotion zum Dr. phil. ist möglich.
Die Viadrina hat keine medizinische Fakultät. Für den medizinischen Teil des IntraG ist die Internationale Gesellschaft für biologische Medizin verantwortlich. Das Pflichtmodul „Biologische Medizin” wurde vom Partnerinstitut, dem WHO – Zentrum für traditionelle Medizin an der Universität Mailand, zertifziert. Geschäftsführender Leiter des IntraG ist ab dem 1. Januar 2010 Prof. Dr. Dr. Harald Walach, Professur für Forschungsmethodik komplementärer Medizin und Heilkunde an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Viadrina. Die Aussagen leitender Personen des IntraG werden vorgestellt.
In der Einleitung erklärt Prof. Lambeck das vermeintliche Wirkprinzip der Homöopathie und führt mittels einiger Beispiele die absurden Folgen der Verdünnungen an.
Im Hauptteil des Vortrags geht er auf die IntraG ein, das “Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften”, welches den Masterstudiengang “Komplementärmedizin” anbietet.
In einem Schwindel erregenden Parforceritt jagt der Referent durch unzählige Webseiten der einflussreichen Homöopathiebefürworter und zeigt die Strukturen des Lobby- und Entscheidernetzwerks auf. Es wird klar wie mächtig die Homöopathielobby geworden ist, die es in Deutschland bis hinauf in höchste Ärztegremien geschafft hat.
Der Referent verliest anthroposophische Zitate aus Rudolf Steiners Werk, die nicht nur unsinnig, sondern nachgerade absurd klingen. Doch auch die Jetztzeit hält derlei Seltsamkeiten bereit wie mit einem Textbeispiel aus den sogenannten Weleda-Nachrichten (ein Hersteller “anthroposophischer Arzneimittel”) über das 60-minütige Rühren demonstriert wird.
Zur Ermittlung der sogenannten Arzneimittelbilder in der Homöopathie seien Arzneimittelprüfungen notwendig. Wie diese vonstatten gehen zeigt der Referent beispielhaft anhand einer Arzneimittelprüfung, die von Frau Dr. Keim auf der Insel Kos zum Stoff Marmor durchgeführt wurde. Wer sich informieren will wie derartige “Prüfungen” ablaufen, sei auf https://www.homotox.de/cms/docs/doc28825.pdf verwiesen. Bereits die ersten Sätze der “Arzneimittelprüfung” lassen tief blicken:
Die Prüfung wurde während einer Supervisionswoche zur Erlangung der Zusatzbezeichnung Homöopathie im Mai 2007 auf der griechischen Insel Kos durchgeführt. Hierzu suchte ich eine Prüfungssubstanz, die sich positiv in die Gruppendynamik einer Supervision einfügt und auf der symbolischen Ebene eine Beziehung zu Griechenland und Kos hat.
Ein weiteres Themenfeld sind die rein psychologischen Phänomene, die neuerdings mit der schwachen Quantenmechanik begründet werden und mittels obskurer Artikel verbreitet werden.
Zum Schluss verliest Prof. Lambeck eine nicht enden wollende Liste mit 75 derzeit aktuellen komplementärmedizinischen und esoterischen Behauptungen. Er endet mit der sarkastischen Frage, warum wir das LHC benötigen würden, wenn hier doch 75 Nobelpreise quasi zur Abholung bereit lägen. Mit den Worten “Annette Schavan, übernehmen Sie!”, endet der mit einer Vielzahl von interessanten Informationen gespickte Vortrag.
Der anschließende Vortrag trägt den Titel “Bruno Gröning – Kurzschluss im Heilstrom” und wird von Dr. med. Benedikt Matenaer gehalten, einem Anästhesist mit den Schwerpunkten Palliativmedizin und Spezielle Schmerztherapie.
In der Nachkriegszeit wandten sich unzählige Patienten an den Geistheiler Bruno Gröning, der Linderung und Heilung mittels “Heilstrom” versprach und sich als Mittler zwischen Gott und den Menschen verstand.
Noch heute wird der Heilstrom des 1959 verstorbenen Bruno Gröning vom sogenannten „Bruno-Gröning-Freundeskreis” propagiert und vermarktet.
Zu Beginn seines Vortrages erläutert der Referent den Zustand des angeschlagenen Gesundheitswesen der Nachkriegszeit und erklärt wie es möglich wurde, dass der Geistheiler damals so beliebt bei seinen Anhängern war.
Wichtige biograpische Daten des Wunderheilers Gröning in Stichworten:
- 1906: geboren in Oliva/Danzig
- 1949: “Heilung” von Dieter Hülsmann Danach Gewinnung erster Hilfskräfte / Familie Hülsmann als Sponsor. Erste größere Ansammlungen. Anwendung der Staniolkugeln. Auftrittsverbot NRW
- 1954: Auftrittsverbot bundesweit
- 1958: Geldstrafe und Strafe auf Bewährung
- 1959: Tod (Todestag später gefeiert als “Heimgangstag”)
- 1979: Gründung des Bruno-Gröning-Freundeskreis
Der Referent habe selber einige Informationsveranstaltungen des Bruno-Göring-Freundeskreises besucht und daher Informationen aus erster Hand.
Voraussetzungen für die Aufnahme des Heilstroms seien demnach:
- Anwendung zwischen 9.99 und 21.00 Uhr
- Korrekte Sitzposition (“Rückenlehne hat Freigang”)
- Positive Grundeinstellung
- Bereitschaft zur Heilung
Die Veranstaltungen hätten den Tenor, bei der Heilstromanwendung hielte es sich um eine wissenschaftliche und seriöse Behandlungsmethode. Es würde mit einer Einstimmung begonnen werden, der sogenannten “Einstellung” und die Lehre des Heilstroms erklärt. Diese besteht darin, dass man von Heilwellen umgeben sei, die man aufnehmen könne. Danach folgten teilweise gefühlvoll vorgetragene Heilungsberichte. Zum Schluss der Veranstaltung erfolge eine weitere “Einstellung”, und es werde das Feedback der Besucher abgefragt.
Der gefühlte Erfolg der “Heilstrom-Behandlung” sei nach Meinung des Referenten auf verschiedene Faktoren zurück zu führen:
- Teilnahme an etwas Besonderem
- Mitfühlen / persönliche Ansprache
- Raum für Lappalien
- Gemeinschaft bzw. Gemeinschaftsgefühl
- Einfache “Spache des Volkes”/Sprache der Leidenden/Barmherzigkeit
Desweiteren sieht er einige Parallelen zu anderen Bereichen. So kenne man wie in der Homöopathie eine Erstverschlimmerung (beim Heilstrom “Regelungsschmerz” genannt), kenne wie beim Reiki Fernbehandlungen und würde sich wie Rotarier mit “Freund” ansprechen.
Anhand einer Grafik zeigt Dr. Matenaer schließlich noch das unübersichtliche Geflecht von Firmen, Privatpersonen und Organisationen, die mit der Heilstromvermarktung befasst sind.
Als Letztes geht der Referent auf die zu Beginn des Vortrages gestellte Frage zurück, ob es sich bei Bruno Gröning um einen Scharlatan oder Psychopathen handeln würde. Er beantwortet diese Frage schmunzelnd mit seiner Einschätzung, Gröning sei wahrscheinlich ein “Scharlopath” gewesen.
Der um 11.30 Uhr startende Vortrag ist eine Gemeinschaftsarbeit von Philippe Leick und Malte Ruhnke und trägt den Titel “Hifi-Tuning: Physik oder Esoterik?”
Die Zusammenfassung in den Konferenzunterlagen gibt den Inhalt des informativen und unterhaltsamen Vortrages recht gut wieder:
Vielen Menschen ist Musik extrem wichtig. Bei ambitionierten Hifi-Freunden kommt es aber nicht nur auf die Musik an, sondern auch auf die Art ihrer Wiedergabe: Eine Anlage, die jeden Ton möglichst originalgetreu nachbildet, perfekt zur Akustik des Raumes passt und dazu noch die individuelle Haltung ihres Besitzers reflektiert, gehört in der Szene zum guten Ton. Ein Paar Lautsprecher für 10.000 Euro, einen Verstärker für 5000, ein Kabel für 1000 Euro – solche Anschaffungen gelten unter denen, die sich selbst als „High Ender” bezeich¬nen, als normal. Und tatsächlich gibt es gerade bei den Audio-Komponenten, bei denen eine elektroakustische Wandlung stattfindet, etwa Lautsprecher, Tonabnehmer und Mikrofon, große Klangunterschiede, die auch aus Sicht professioneller Anwender solche Investitionen rechtfertigen. Tatsache ist auch, dass bei diesen Gerätschaften geringe Änderungen an der Aufstellung und Einstellung für den geübten Hörer bedeutende Klangunterschiede hervorrufen können.
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