Die Hifi-Hobbyisten bezeichnen das als „Tuning”, als Feineinstellung. Doch liest man unter ebenjenem Stichwort auch immer wieder von Tipps und Tricks, die auf den technisch vorgebildeten Menschen wie Esoterik wirken und nicht selten Anlass zu Spott über die gesamte Hifi-Szene geben: CDs sollten vor dem Hören entmagnetisiert und am Rande bemalt wer¬den, die Kabel einer Hifi-Anlage werde mit speziellen Füßchen vom Boden entkoppelt, ja sogar die Aufstellung einer der Komponenten nach Feng-Shui-Regeln wurde schon empfohlen. Doch wo ist die Grenze zwischen physikalisch nachvollziehbarer Optimierung und Hokuspokus?
Das menschliche Gehör ist dabei keine verlässliche Hilfe, denn das Musikhören ist ein subjektives Erlebnis, und manche der proklamierten Fortschritte bewegen sich im Grenzbereich der Wahrnehmung. Oder sind schlicht nicht vorhanden, und der Hörer glaubt aufgrund der Erwartungshaltung dennoch, einen deutlichen Unterschied vernommen zu haben. Eine Haltung, die in aufwändig durchgeführten Blindtests meist zu großer Ernüchterung führt, denn der Mensch, auch der skeptisch denkende, kann im Hörtest meist weniger klar zuordnen, als er zu hören glaubt. Dieses Spannungsfeld aus realen Verbesserungsmöglichkeiten und subjektiver Fixierung auf allerkleinste Klangunterschiede hat zu einer Szene geführt, in der neben sinnvollem Zubehör auch nutzlose Accessoires zu horrenden Preisen ver- und gekauft werden. Das Spektrum reicht dabei von technisch nachvollziehbarer, lediglich überdimensionierter Technologie über Gerätschaften zur Lösung nicht vorhandener technischer Probleme bis hin zu echter Esoterik.
In diesem Beitrag sollen anhand einiger Beispiele illustriert werden, wie schwer es Hifi-Freunden mitunter gemacht wird, zwischen Physik und Esoterik zu unterscheiden, und wie fließend die Grenzen dabei sind. Ein Extremfall – „informierte” Linsen aus schwarzem Glas, die an strategischer Stelle im Raum platziert werden müssen, um das Hörerlebnis von allerlei Störungen zu befreien – wird einerseits zeigen, wie wenig manche Tuning-Maßnahmen noch mit funktionierender Technik zu tun haben, wie vielmehr ein eigenes Überzeugungssystem sich auch bei einem scheinbar so technisch-nüchternen Hobby ausbreiten kann. Andererseits wird er aber auch Einblicke in das „Funktionieren” der Szene geben und zeigen, wie aufwändig es ist, anhand eines objektiven, doppelblinden Hörtests zweifelsfrei zu zeigen, ob eine bestimmte Maßnahme tatsächlich zu wahrnehmbaren Klangunterschieden führt.
Dr.-Ing. Philippe Leick studierte Physik und Maschinenbau, arbeitet in der industriellen Forschung und befasst sich dabei vor allem mit Strömungsmechanik und optischer Messtechnik. Schwerpunkte innerhalb der GWUP sind pseudowissenschaftliche Theorien, die sich auf die moderne Physik, insbesondere die Quantenmechanik, berufen.
Malte Ruhnke studierte Betriebswirtschaftslehre und Medientechnik. Er arbeitet als Fachredakteur bei einem Verlag für Technik-Zeitschriften und betreut vor allem die Ressorts Lautsprechertechnik und Raumakustik. Dabei hat er sich auch insbesondere mit Hörtests und deren Methodik beschäftigt.
Ein weiteres Highlight der GWUP-Konferenz schließt sich um 14.15 Uhr mit dem Vortrag von Prof. Uwe Kanning “Schädeldeutung & Co.: Absurde Methoden der Psychodiagnostik” an.
Die Annahme, man könne in der Schädelform und den Geschichtszügen eines Menschen etwas über dessen Persönlichkeit, seine unverfälschte Natur oder gar die individuelle Bestimmung ablesen, ist Jahrhunderte alt. Seit dem zweiten Weltkrieg spielte sie jedoch – zumindest in Deutschland – keine nennenswerte Rolle mehr. In den letzten Jahren hat sich dies völlig verändert. Mehrere Buchpublikationen preisen den angeblichen Erkenntnisgewinn der Schädeldeutung. Unternehmensberatungen vertreiben sie zum Zwecke der Personalauswahl. Weiterbildungsangebote schießen wie Pilze aus dem Boden und immer häufiger wird in den Medien völlig kritiklos berichtet.
Der Vortrag beleuchtet zunächst die zentralen Aussagen der Psycho-Physiognomik und ihre fehlende empirische Bewährung. Anschießende geht es um die Analyse der Vermarktungsstrategien und schließlich um die psychologischen Prozesse, die dafür sorgen, dass sich völlig absurde Methoden wider alle Vernunft behaupten.
Prof. Dr. Uwe Peter Kanning, Jahrgang 1966, Dipl.-Psych., Professor für Wirtschaftspsychologie an der Fachhochschule Osnabrück. Autor von mehr als einem Dutzend Fachbüchern, darunter: „Von Schädeldeutern und anderen Scharlatanen – Unseriöse Methoden der Psychodiagnostik” 2010, Lengerich.
Prof. Kanning hat seinen Vortrag in fünf Abschnitte unterteilt:
1.) Psycho-Physiognomie
2.) Graphologie
3.) Namenspsychologie
4.) Marketing
5.) Dreizehn Regeln für angehende Scharlatane
1.) Psycho-Physiognomie
Dieses Gebiet lässt sich zurückverfolgen bis in die Zeit von Aristoteles. Schon in frühester Zeit hat man Tier- und Menschengesichter verglichen. Joahann Lavater (1741-1801) hat ein vierbändiges Werk zur Deutung der Physiognomie verfasst. Franz-Joseph Gall (1758-1828) hat sich mit Deutungen von Schädelformen beschäftigt und gilt als Begründer der “Phrenologie”. Cesare Lambroso (1836-1909) hat sich mit der Analyse von Verbrehergesichtern beschäftigt und Car Huter (1861-1912) ist der prominente Begründer der Psycho-Physiognomie.
Zeitgenössische Schädeldeuter sind:
- Wilma Castrian
- Dirk Schneemann
- Stefanie Dedenbach vom “Institut für erlernbare Menschenkenntnis”
Einkünfte erzielt man mit Vorträgen und Beratungen zu Personalauswahl, Mitarbeiterführung, Kundengesprächen, Selbsterkenntnis/Selbstverwirklichung/Selbstanalyse sowie Erziehungs- und Bildungsberatung (Preise schwanken zwischen 270 € und 2.800 €).
2.) Graphologie
Der Referent zeigt nach einem kurzen historischen Rückblich zunächst Schriftbeispiele aus den Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts und erläutert die Interpretation der Schriftdeuter mittels Ober-, Mittel- und Unterlinie.
- Die Oberlinie repräsentiert Werte wie Intellekt, Vision, Transzendenz, Religion
- Die Mittellinie steht für Herz und Seele
- Die Unterlinie symbolisiert Unbewusstes
Rechtsgeneigte Schrift deute – vereinfach gesagt – auf eine extrovertierte Natur. Linksgeneigte Schrift auf eine Persönlichkeit, die von Zurückhaltung, Lebensangst und Selbstbeherrschung geprägte Persönlichkeit.
Auch die Verteilung der Schrift auf dem Blatt spielt eine Rolle und wird interpretiert.
Zeitgenössische Graphologen seien u.a. Helmut Ploog und Olivier Netter, die vor allen Dingen Hilfe bei der Personalauswahl, Erziehungs- und Bildungsberatung, Psychotherapie und Partnerschaftsberatung anbieten würden.
Ca. 2-3 % der deutschen Großunternehmen würden auch heute noch die Dienste der Graphologen in Anspruch nehmen.
Wer sich weiter für dieses Thema interesiert, sei auf die Meta-Analyse von Neter und Ben Shakar (89) verwiesen.
3.) Namenspsychologie
Die Erfinderin der Namenspsychologie ist Angelika Hoefler, die sich das System vor etwa 20 Jahren ausgedacht hat.
Menschen mit denselben Namen haben dieselben Anlagen. Punkt.Etwa so als wären sie zu derselben Zeit geboren. A. Hoefler 2004, S. 61
Der Name verrate demnach nahezu alles über den Menschen, man müsse ihn nur mit den entsprechenden Buchstabellentabellen interpretieren.
Die Vermarktung findet statt über Angebote zur Personalauswahl, Partnerschaftsberatung, Namensberatung bei Firmenfusionen und bei der Auswahl von Produkt- und Firmennamen.
4.) Marketing
Beim Marketin stütze man sich auf immer die gleichen Tricks. Man biete einfache, kostengünstige Lösungen für komplexe Probleme, verweise auf die lange Tradition und Alltagsweisheiten sowie das eigene Genie und die eigene Begabung. Man gebe sich den Anschein der Wissenschaftlichkeit und liefere Schein-Beweise wie Aussagen angeblich zufriedener Kunden.
5.) Dreizehn Regeln für angehende Scharlatane (von denen mir leider nur 12 in Erinnerung geblieben sind)
- Befriedigen Sie ein weit verbreitetes Bedürfnis.
- Bieten Sie einfache Lösungen.
- Bieten Sie eine reichhaltige Produktpalette.
- Gaukeln Sie eine besondere Begabung vor.
- Stellen Sie sich als selbstloser Heilsbringer dar.
- Geben Sie sich den Anschein der Wissenschaftlichkeit.
- Liefern Sie Scheinbeweise.
- Meiden Sie wissenschaftliche Überprüfungen.
- Betonen Sie den ökonomischen Nutzen.
- Verweisen Sie auf zufriedene Kunden.
- Gehen Sie in die Medien.
- Grenzen Sie sich direkt von den Scharlatanen ab.
Um 15.15 Uhr schließt sich der Vortrag von Klaus Schmeh “Von Kryptos bis zum Da-Vinci-Code. Fiktion und Wahrheit in den Romanen von Dan Brown” an, den ich leider aus Zeitgründen nicht mehr besuchen konnte. Weil das Thema jedoch spannend ist, kommt hier die Zusammenfassung aus den Konferenzunterlagen:
Sind im Gemälde “Das Abendmahl” von Leonardo da Vinci geheime Nachrichten versteckt? Könnten diese sogar die Katholische Kirche in ihren Grundfesten erschüttern? Kunsthistoriker winken bei diesem so genannten Da-Vinci-Code ab, denn er beruht mehr auf Spekulationen als auf Fakten. Der Bestsellerautor Dan Brown verwertete diese Theorie jedoch literarisch und feierte mit seinem Roman “The Da Vinci Code” einen Welterfolg.
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