Das hier ist die Rezension eines
Kapitels von “Der Stoff aus dem der Kosmos
ist” von Brian Greene. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel kann man hier finden.
Über die überraschenden Aussagen der Stringtheorie hat Greene im letzten Kapitel gesprochen. Nun, in Kapitel Nummer 13, wird es noch wilder. Hier taucht nun die “M-Theorie” auf – eine Theorie die so mysteriös ist, dass man noch nichtmal weiß, was ihr Name bedeutet 😉
Die Stringtheorie macht zwar äußerst elegante und faszinierende Vorhersagen und scheint ein vielversprechender Weg auf der Suche nach der Vereinheitlichung von Quantenmechanik und Gravitation zu sein. Aber, wie schon im letzten Kapitel angesprochen, gibt es auch Probleme. Ein sehr großes Problem ist die Tatsache, dass es nicht nur eine Stringtheorie gibt, sondern gleich fünf!
Die mysteriöse Theorie
Alle diese fünf Theorien beschreiben die dünnen, schwingenden Strings und alle sind sich auf gewissen Weise ähnlich. Aber es sind trotzdem verschiedene Theorien die verschiedene Aussagen machen und das ist bedenklich. Ok – man könnte einfach abwarten, bis wir mal Experimente machen können, die gut genug sind und dann schauen, welche der fünf Theorien stimmt und welche nicht. Aber das ist irgendwie unbefriedigend. Wir suchen ja eine vereinheitlichte Theorie. Eine Theorie, die Quantenmechanik und Relativitätstheorie zusammenfasst und den ganzen Kosmos beschreibt. Was machen wir dann mit den anderen vier Stringtheorien, die mathematisch und physikalisch genauso plausibel sind – aber halt nur die “falschen” Aussagen machen? Beschreiben diese Theorien dann andere Universen? Oder gibt es vielleicht noch sehr viel mehr Stringtheorien? Und warum ist dann genau die eine richtig, die anderen aber nicht?
Glücklicherweise braucht man sich darüber keine Gedanken machen. Denn in der “zweiten Superstringrevolution” konnte 1995 Edward Witten zeigen, dass die fünf Stringtheorien in Wahrheit gar keine unterschiedlichen Theorien sind sondern nur fünf verschiedene Möglichkeiten, eine einzige Theorie mathematisch zu untersuchen. Diese eine Theorie wurde “M-Theorie” genannt wobei niemand so genau weiß, was das “M” hier zu bedeuten hat. Master, Magisch, Mystisch, Majestätisch, Matrix – es gibt jede Menge Vorschläge aber bis jetzt hat man sich nicht festgelegt. Das ist auch gut so, denn eigentlich weiß man auch noch nicht so recht, was die M-Theorie eigentlich ist bzw. was sie beinhaltet. Man weiß, dass sie existiert – aber verstanden hat man sie bei weitem noch nicht!
Edward Witten konnte aber zumindest schon einige grundlegende Ergebnisse vorlegen. Zuerst einmal hat er gezeigt, dass die bisherigen Stringtheorien (die ja mathematisch gesehen auch nur Annäherungen an die M-Theorie waren) eine Zusatzdimension übersehen haben. Die M-Theorie benötigt zehn Raumdimensionen; insgesamt würden wir dann also in einer elfdimensionalen Raumzeit leben…
Die M-Theorie hat außerdem das Konzept der Strings erweitert. Die waren ja bisher eindimensionale Gebilde und das sind sie auch noch in der M-Theorie. Die sagt nun aber, dass auch zweidimensionale “Strings” existieren können. Also quasi kleine, schwingenden Flächenstückchen bzw. Membranen (die man hier meist 2-Branen nennt). Außerdem sind auch 3-Branen; also dreidimensionale Objekte möglich; 4-Branen, usw. Die Strings sind also nur ein möglicher Bestandteil einer Welt, die möglichweise voller p-Branen ist (“p” steht hier für jede beliebige Zahl zwischen 1 und 10).
In so einer Branwelt sind interessante Sachen möglich. Im letzten Kapitel hat Greene erklärt, dass die Strings der Stringtheorie extrem winzig sein müssen (und damit außerhalb der Reichweite aller Meßinstrumente). In der Branwelt könnte das vielleicht anders sein. Will man einen String bzw. eine Brane größer machen, dann muss man Energie reinstecken. Die Mengen an Energie, die dazu nötig wären können wir heute bei weitem nicht erzeugen – aber beim Urknall gab es die und da könnten vielleicht große Strings erzeugt worden sein. So ein großer kosmischer String könnte eventuell sogar beobachtbar sein!
Branwelten
Oder aber unser ganzes Universum ist eine Brane. Vielleicht ist das Universum das wir wahrnehmen eine gigantische 3-Brane die in einer elfdimensionalen Raumzeit existiert? Das, was wir als “das Universum” kennen wäre dann bei weitem noch nicht alles sondern eben nur ein Objekt in einem viel größeren Raum? Aber warum merken wir dann nichts davon? Wo ist diese 3-Brane, die das ganze Universum durchdringt (neben Higgs-Feldern, Vakuumfluktuationen und dunkler Energie wird es im “leeren” Raum langsam ziemlich voll). Hier muss man sich das Zusammenspiel zwischen Branen und Strings klarmachen. Bei den Strings gibt es zwei verschiedene Typen: offene Strings und geschlossene. Bei der Untersuchung der offenen Strings fand man heraus, dass die sich oft nicht beliebig bewegen können sondern das deren Enden auf bestimmte Bereiche beschränkt sind (so ähnlich wie die Fäden eines Flokati-Teppichs an einem Ende an der flachen Unterseite befestigt sind). Bei den Photonen ist es z.B. so, dass sie durch offene Strings beschrieben werden. Die müssen sich zwar innerhalb der 3-Brane bewegen, an der sie “festkleben” und können sie nicht verlassen – sind aber ansonsten frei zu gehen, wohin sie wollen. Für Photonen ist die Bran also quasi völlig durchsichtig. Da die Photonen aber auch die Teilchen der elektromagnetischen Kraft sind, heisst das, dass sie innerhalb der 3-Brane gefangen ist; alles was außerhalb noch existieren mag, ist für die elektromagnetische Kraft nicht vorhanden.
Die Extradimensionen müssen also gar nicht mal so winzig sein. Bisher dachten wir ja, sie müssten wahnsinnig klein aufgerollt sein, weil wir sie sonst ja schon längst gesehen hätten. In einer Branwelt ist es aber egal, wie groß die Zusatzdimensionen sind. Wir können sie nicht wahrnehmen, weil die elektromagnetische Kraft (und auch die schwache und starke Kernkraft) in der 3-Brane gefangen sind und nichts anderes als die 3-Brane “sehen” können. Die einzige Ausnahme ist die Gravitation. Gravitonen sind geschlossene Strings und nicht an einer Brane festgemacht. Sie können sich auch in den anderen Dimensionen bewegen. Wenn wir auf einer Branwelt leben, dann müssten wir das am Verhalten der Gravitation merken!
Wenn wir messen, wie sich die Gravitationskraft abschwächt, wenn wir uns von einer Masse entfernen, dann sehen wir immer, dass sie mit dem Quadrat des Abstands schwächer wird. Würden wir in einem zweidimensionalen Universum leben, dann hätte die Gravitation quasi weniger Richtungen zur Verfügung in die sie sich ausbreiten kann und würde daher weniger schnell schwächer: die Kraft würde nur mit dem Abstand selbst absinken (nicht mit dem Quadrat). Bei vier Raumdimensionen aber würde die Kraft viel schneller schrumpfen (mit der dritten Potenz des Abstands) – usw. Nach allem, was wir heute messen können, hat der Raum 3 Dimensionen. Aber wir haben das Gravitationsgesetz noch nicht bei sehr kleinen Abständen überprüft. Vielleicht sind die Zusatzdimensionen wirklich klein und wir merken deswegen noch nichts davon. Aber sie müssen nun bei weitem nicht mehr so klein sein wie es die Stringtheorie gefordert hat. Die Extradimensionen könnten bis zu einem Zehntelmillimeter groß sein! Mehr Gewissheit kriegen wir nur durch weitere Gravitationsmessungen bei noch kleineren Abständen.
Wenn aber die Extradimensionen größer sind als gedacht, dann kann das auch für die Strings gelten. Auch sie könnten größer sein: bis zu 10-18 Meter. Das ist immer noch winzig – aber hundert Milliarden Milliarden mal größer als man bisher dachte. Das ist schon fast groß genug, um in Teilchenbeschleunigern nachgewiesen werden zu können!
Urklatsch statt Urknall
Noch viel verblüffender sind allerdings die Aussagen, die sich aus der M-Theorie für die Kosmologie und den Ursprung des Universums ergeben. Einerseits kann man natürlich das bisherige Modell der inflationären Kosmologie beibehalten und die M-Theorie verwenden um endlich die problematische prä-inflationäre Anfangsphase des Universums in den Griff zu kriegen. Man kann aber auch ein ganz anderes Modell aufstellen. Das haben Paul Steinhard und Neil Turok im Jahr 2002 gemacht. Sie haben sich zwei 3-Branen vorgestellt, die in regelmäßigen Abständen miteinander kollidieren. Die Kollision zweier solcher Branen würde im Prinzip genau das erzeugen, was wir heute durch die inflationäre Kosmologie beschreiben. Nach der Kollisionen würden sich die Branen, auf denen jeweils ein “Urknall” stattgefunden hat, voneinander entfernen. Dabei dehnen sie sich immer weiter aus bis dann nach ein paar Billionen Jahren das Spiel von vorne losgeht; die beiden Branen sich wieder annähern und erneut miteinander kollidieren. Dieses Modell – dass als “Big Splat” bzw. “Urklatsch” oder aber auch als “Ekpyrotisches Universum” (von “Ekpyrosis”=”Weltenbrand”) bezeichnet wird ist spannend. Aber leider auch nicht der Weisheit letzter Schluß. Man könnte schon meinen man kann sich freuen weil man sich in so einem zyklischen Universum keine Gedanken mehr über die Anfang machen muss; der Punkt, an dem die Theorien Probleme machen. Aber leider zeigt eine nähere Untersuchung das wegen Quantenmechanik und Thermodynamik auf ein zyklisches Universums nicht immer konstante Zyklen haben kann. Die werden immer länger und länger was aber auch bedeutet, dass sie früher immer kürzer und kürzer waren und es irgendwann einen ersten Zyklus gegeben haben muss… Und warum sich die beiden 3-Branen gerade so perfekt anordnen sollten dass dieser Zyklus entsteht versteht auch noch niemand.
Es sind also immer noch jede Menge offene Fragen. Aber wer weiß, was die Theorien noch alles für Ergebnisse liefern, wenn man sie erstmal besser verstanden hat!
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