Nach dem gestrigen Sieg beim Eurovision Song Contest sind Satelliten natürlich das Thema das Tages 😉 Dazu passt auch gut ein Fundstück aus dem Internet (Danke an @AndreasSchepers): bei der Piratenpartei möchte man einen eigenen Satelliten ins All schicken.
Ok – momentan ist es eher der Vorschlag eines Piraten und kein offizieller Parteivorschlag (Als ich das letzte Mal nachgefragt hatte, hatte die Piratenpartei noch keinen Standpunkt zur Raumfahrt). Aber da der Initiator dieses Projekts, Arne Hattendorf, um Kommentare und Verbreitung gebeten hat, komme ich dem natürlich gerne nach. Auch wenn meine Kommentare vielleicht nicht wirklich optimistisch sein werden…
Die Projektbeschreibung ist momentan noch relativ kurz:
“Nichts anderes, als der Plan einen Sponsor zu suchen um einen Piratensatelliten in eine geostationäre Umlaufbahn zu schießen (möglichst Natürliche Person nicht zu einer extremistischen Vereinigung gehörend). Juristische Person nur, wenn kein Interessenkonflikt entsteht.
Update: Muss nicht geostationär sein. Satelliten auf einer nicht geostationären Umlaufbahn könnten meilen billiger zu bekommen sein. Hauptsache es fällt nicht runter.”
Also “private” Satelliten gibt es natürlich schon lange. Nicht alles was im Orbit rumschwirrt gehört Regierungsorganisationen. Natürlich haben auch sehr viele Firmen Bedarf an Satelliten und mit genügend Geld kann sich jeder den Transport ins All kaufen. Und man muss nichtmal unbedingt seinen eigenen Satelliten konstruieren – auch die kann man in Zukunft wohl schon zumindest teilweise fertig kaufen. Ich habe vor einiger Zeit über die Interorbital Systems berichetet, bei denen man Minisatelliten kaufen kann, Start ins inklusive. Die sind zwei Kilogramm schwer und sollen etwa 8000 Dollar kosten. Sie lassen sich dann nach belieben ausrüsten und modifizieren. Sich einen eigenen Satelliten zu kaufen ist also durchaus keine allzu große Utopie.
Aber ich habe leider nicht wirklich ne Ahnung, was die Piraten sich hier vorstellen. Das fängt schon mal mit der Verwirrung in Sachen Umlaufbahn an. Es macht tatsächlich einen gewaltigen Unterschied, ob man einen Satelliten in eine geostationäre Bahn in knapp 36000 Kilometer Höhe bringt oder nur ein Objekt in einem nahen Erdorbit von ein paar hundert Kilometern (dort wo sich zum Beispiel auch die ISS rumtreibt) platzieren will. Wenn man hauptsächlich Bilder der Erdoberfläche mit vielen Details machen will, dann darf der Satellit nicht zu hoch oben sein. Je näher der Satellit allerdings an der Erdoberfläche ist, desto kürzer ist seine Lebensdauer (auch in ein paar hundert Kilometer Höhe ist noch genug Atmosphäre um den Satelliten abzubremsen und so langsam absürzen zu lassen). Spionagesatelliten leben oft nur einige Jahre oder gar einige Monate lang.
Lebensdauer von Satelliten in Abhängigkeit der Höhe (Bild: Dantor, CC-BY-SA 2.5)
Da ist es nur vernünftig, dass man sich bei den Piraten auch die Frage “Was können wir eigentlich mit einem Satelliten anfangen?” stellt. Weniger gut ist dafür die Antwort:
“Keine Ahnung (Dies ist das abenteuer des Raumschiff Enterprise …) ich warte auf Eure Ideen.”
Bevor man nicht wirklich genau weiß, was man mit einem Satelliten anfangen kann, braucht man gar nicht erst weiter zu planen. Vom Einsatzzweck hängt so gut wie alles weitere ab… Man könnte ja meinen, dass die Sache mit dem Piratensatelliten vielleicht eh nicht wirklich ernst gemeint ist – aber dem scheint nicht so zu sein:
“Du glaubst doch nicht im Ernst, dass das funktioniert, oder?
Doch. Nerdiness + Coolness = das könnte wirklich funktionieren – meinen auch die Anderen. “
Hmm… na mal sehen. Auch sonst scheint man sich hier ein paar falsche Vorstellungen von der Raumfahrt zu machen. Auf die Frage “Was ist an dem Satellit piratig?” lautet die Antwort:
“Er ist Orange. Er ist unkontrollierbar – jedenfalls mit normalen staatlichen Mitteln. Er ist frei.”
Der (erdnahe) Weltraum ist nicht der wilde Westen. Auch dort kann man nicht einfach machen was man will. Auch hier gibt es Regeln und Gesetze – Ali von zoon politikon hat das schön zusammengefasst. Und apropos Kontrolle: Wenn man mit dem Ding im All irgendwas anfangen will, dann braucht man auch irgendeine Art der Bodenstation. Die muss man im Projekt natürlich auch einplanen. Will man da vorhandenen Möglichkeiten nutzen? Staatliche oder private? Baut man sich selbst was?
Vielleicht sollte man sich bei den Piraten wirklich erst nochmal in Ruhe Gedanken über das Thema machen. Und sich wirklich erstmal einen ganz konkreten Zweck ausdenken. So einfach wie man sich das vorzustellen scheint ist es nämlich wirklich nicht.
“Da fliegt doch wirklich schon genug Müll rum!
Cool, Du hast gerade eben den ersten nichtkommunikativen Verwendungszweck für unseren Piratesatellite gefunden. Müllsammeln und entweder aus dem Orbit oder in die Atmosphäre bringen.”
Wie man den Weltraumschrott am besten beseitigt; darüber sind sich noch nichtmal die profesionellen Raumfahrtagenturen und die Wissenschaftler einig…
Die Piraten meinen zwar noch momentan, einen konkreten Verwendungszweck müsste man erstmal nicht haben:
“Wir sollten einen sinnvollen Verwendungszweck haben!
Wirklich? Es geht um etwas, das die Wirtschafter eine Win-Win Situation betiteln würden. Der Spender kommt in den Genuss einer absolut sinnlosen aber Ultracoolen Aktion. Wir kommen in den Genuss einer Publicity ohne gleichen. Außerdem könnten wir da zum Thema freie Kommunikation oder Intrapiratkommunikation interessante Sachen machen. Zu allem Überfluss könnte es später sogar sinnvolle Verwendungszwecke geben. Der Witz ist, dass wir kein Geld ausgeben, dass wir anderweitig besser nutzen könnten und nur brachligendes Spende und Pressepotential nutzen, dass uns sonst nicht zur Verfügung stehen würde. Oder kannst Du Dir eine Aktion vorstellen, die auch nur näherungsweise so cool ist, wie einen Piratesatellite ins Orbit zu schießen? “
Aber ohne sinnvollen Verwendungszweck wird sich kaum ein Sponsor finden – weil es ohne sinnvollen Verwendunszweck auch nicht möglich sein wird, ein sinnvolles Konzept zu erstellen. Und etwas mehr als “Schießen wir irgendwas ins All!!” braucht es da schon.
Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: ich stehe der Idee durchaus positiv gegenüber (und ich habe auch nichts gegen die Piraten, auch wenn ich manches kritisiere). Ich habe absolut nichts gegen utopische Projekte und je mehr Leute sich mit nicht-staatlicher Raumfahrt beschäftigen umso besser! Aber so eine naive Herangehensweise ist dann vielleicht doch eher kontraproduktiv… Da wäre es dann vielleicht sinnvoller, schon existierende Bemühungen in Sachen “freier Raumfahrt” zu unterstützen. Und auch wenn ich “Geldverschwendung” als Argument nicht wirklich brauchbar finde – wenn es darum geht, wie man effektiv Werbung für eine politische Partei macht, dann würde ich Satellitenstarts doch eher weit nach hinten reihen…
Wie auch immer – ich bin mal gespannt, ob die Sache mit dem Piratensatelliten nur eine krude Idee eines einzelnen bleibt oder ob die Piratenpartei wirklich ernsthafte Raumfahrtambitionen entwickelt (für diesen Fall ist vielleicht dieses Video angebracht).
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