Wenn wir wollten, könnten wir jede Menge spannende Sachen machen. Wir könnten eine dauerhafte bemannte Basis auf dem Mond errichten. Wir könnten eine echte Raumstation bauen, die komfortablen Platz für ein paar hundert oder tausend Leute bietet und gleich einen passenden Weltraumfahrstuhl dazu um sie schnell und einfach zu erreichen. Wir könnten Menschen zum Mars schicken; wir könnten in den unterirdischen Meeren des Jupitermonds Europa nach außerirdischen Leben suchen, usw.
Natürlich wären all diese Projekte wahnsinnig teuer; wir müssten vorher noch viel Forschungsarbeit leisten und unvorstellbar viel Ressourcen in die Durchführung der Projekte stecken. Aber wenn wir es wirklich wollten, dann könnten wir das alles tun – und noch viel mehr. Wir könnten zum Beispiel zu einem anderen Stern fliegen…
Interestellare Reisen sind normalerweise das Zuständigkeitsgebiet der Science-Fiction. Die Entfernungen zwischen den Sternen sind so enorm, das es kaum möglich scheint, sie zu erreichen. Selbst in unserem Sonnensystem dauert es oft schon Jahre, bis die Raumsonden weit entfernte Planeten erreichen. Die am weitesten von der Erde entfernten Raumsonden sind schon über 30 Jahre unterwegs und immer noch weit vom interstellaren Raum entfernt.
Ok, es gibt theoretische Konzepte wie den Alcubierre-Antrieb (“Warp-Antrieb”) oder Wurmlöcher, die interstellares Reisen möglich machen können. Aber auch wenn hier zumindest ein wenig echte Wissenschaft im Spiel ist, ist eine konkrete Umsetzung doch so fern von jeder Realität das sich diese Projekte kaum von Science-Fiction unterscheiden.
Es gibt aber auch realistischere Vorstellungen über Antriebstechnologien, die interstellares Reisen ermöglichen würden. Eine der ersten konkreten Ideen stammt von Stanislav Ulam der sich im Jahr 1947 einen nuklearen Antrieb ausdachte. Im Projekt Orion sollten kontrollierte Atomexplosionen ein Raumschiff antreiben und so auch interstellare Distanzen in vergleichsweise überschaubaren Zeiträumen (Jahrzehnte bis Jahrhunderte) möglich machen.
Weiterentwickelt wurde diese Idee in den 1970er Jahren im Projekt Daedalus. Diese Studie sah vor, eine unbemannte Raumsonde zum 5.9 Lichtjahre entfernten Barnards Stern zu schicken. Die Reise sollte nur knapp 50 Jahre dauern; ein (junger) Mensch könnte also tatsächlich noch Start und Ankunft der Sonde am Ziel miterleben. Das Daedalus-Raumschiff wäre 200 Meter lang gewesen und hätte eine Mischung aus Deuterium und Helium-3 fusioniert; entzündet durch einen Elektronenstrahl. Damit wäre man auf 12 Prozent der Lichtgeschwindigkeit gekommen! Natürlich wäre eine konkrete Umsetzung des Projekts damals schwer bis unmöglich gewesen. Das fängt schon damit an, dass man auf der Erde gar nicht genug Helium-3 zur Verfügung hat. Gar keines, um genau zu sehen – Helium-3 muss man im Weltraum abbauen; am Mond oder in den Atmosphären der Gasriesen.
Aber trotzdem hat das Projekt Daedalus gezeigt, dass es prinzipiell möglich wäre, die fernen Sterne zu erreichen und zwar mit Methoden, die nicht reine Science-Fiction sind. Die Britische Interplanetare Gesellschaft hat nun gemeinsam mit der Tau Zero Foundation das alte Daedalus-Konzept entstaubt und unter dem Projektnamen Icarus wieder belebt.
Denn in den letzten Jahren haben wir große Fortschritte bei der Erforschung der Sterne gemacht. Vor allem haben wir Planeten entdeckt, die um diese fernen Sterne kreisen. Gut, noch ist keiner dabei, den man wirklich als “erdähnlich” bezeichnen kann – also ein Planet mit ähnlicher Größe und Zusammensetzung; ähnlicher Temperatur und Atmopshäre wie die Erde. Aber es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis wir diesen so einen “Zwilling” finden werden. Und dann wollen wir natürlich alles über diesen Planeten wissen! Wie sieht es dort wirklich aus? Wie groß ist die Ähnlichkeit mit der Erde wirklich? Gibt es dort Leben? Die Astronomen sind zwar enorm einfallsreich, wenn es darum geht, aus der Entfernung konkrete Informationen zu gewinnen – aber im Endeffekt geht nichts über Untersuchungen vor Ort. Eine Raumsonde zu einem extrasolaren Planeten zu schicken – das wäre fantastisch!
Moment ist das Exoplanetensystem von Epsilon Eridani das der Erde am nächsten gelegene bekannte System. Nur 10.7 Lichtjahre trennen uns. Man hat dort zwar keine Zwillingserde entdeckt – aber erstmal gibt es in der Nähe der Sonne noch andere Sterne die Planeten haben könnten. Und zweitens wäre jede direkte Erforschung eines Exoplaneten ein fantastischer Fortschritt für die Wissenschaft; auch wenn es kein erdähnlicher Planet sein sollte.
Das neue Projekt Icarus plant also nun die Mission einer unbemannten Raumsonde zu einem Planetensystem in einem Umkreis von etwa 12 Lichtjahren. Dazu soll das Raumschiff nicht länger als 100 Jahre brauchen; idealerweise deutlich weniger. Die eingesetzte Technologie soll schon existieren bzw. in der nahen Zukunft realisiert werden können. Das Design muss unterschiedliche Zielsterne erlauben und die Antriebstechnologie soll so wie bei Daedalus auf Fusion basieren. Es muss außerdem möglich sein, die Raumsonde nach der Ankunft wieder einigermassen abzubremsen – im Gegensatz zu Daedalus soll Icarus keine reine Fly-By-Mission sein.
Und auch wenn es (leider) unwahrscheinlich ist, dass das Projekt Icarus in naher Zukunft umgesetzt wird: gearbeitet und geplant werden soll genau so, als würde Icarus tatsächlich gestartet werden:
“There are also several key watchwords for Project Icarus to ensure that all design solutions are appropriate. The final design must be a CREDIBLE proposal and not based upon speculative physics. It must be a PRACTICAL design. It must be derived using accepted natural laws and using SCIENTIFIC methods which are supported by experiments. It must be based upon only NEAR-FUTURE technology as determined by simple linear extrapolation of current tech nologies. The team must produce an ENGINEERED design as though the vehicle were close to fight readiness, to ensure that approximations and margins are appropriate.”
Alle Details zum Projekt Icarus lassen sich im Artikel “PROJECT ICARUS: Son of Daedalus, Flying Closer to Another Star” nachlesen. Es macht zumindest Spaß, darüber nachzudenken, wie es wäre, so eine Mission tatsächlich durchzuführen. Und wer weiß – vielleicht kommen wir Menschen ja vielleicht doch nochmal auf vernünftigere Ideen. Es würde schon reichen, wenn wir uns mal dazu durchringen könnten, den Unsinn mit Krieg und Waffen und so sein zu lassen. Mit dem ganzen Geld, das da dann übrig bleibt, könnte man jede Menge tolle Sachen anstellen – warum nicht auch zu anderen Sternen fliegen?
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