Irgendwo fehlts in unserem Universum an Masse. Und damit meine ich nicht die dunkle Materie. Denn die ist ja da; wir messen ihre gravitativen Effekte – nur ihre Zusammensetzung kennen wir noch nicht. Die “fehlende Materie” besteht aus ganz normalen Baryonen; also den gleichen Protonen und Neutronen aus denen auch all das besteht, was wir im Alltag als “Materie” bezeichnen.
Diese Materie können wir – normalweise – auch im Weltall sehen: Galaxien, Sterne, interstellare Nebel, usw. Aus der Beobachtung weit entfernter Objekte (und damit aus der Beobachtung des frühen Universums) und theoretischen Modellrechnungen kann man recht gut abschätzen, wieviel von dieser normalen Materie im jungen Universum vorhanden gewesen sein muss. Betrachtet man aber nun die nahen Galaxien, Sterne und Nebel dann merkt man, dass hier jede Menge Materie fehlt – etwa die Hälfte! Neue Beobachtungen der Röntgenteleskope Chandra und XMM-Newton haben nun Hinweise auf deren Verbleib geliefert.
Eine der gängigsten Vermutungen meint, dass die fehlender Materie im sogenannten WHIM zu finden ist. Das steht für “Warm-Hot Intergalactic Medium” und bezeichnet ein heisses, diffuses Gas, dass sich zwischen den Galaxien befindet. Es besteht aus dem Material, dass bei der Galaxienentstehung übrig geblieben ist und dem ganzen Zeug, dass im Laufe der Zeit durch Supernova-Explosionen aus den Galaxien rausgeworfen wurde.
Dieses WHIM ist ein enorm dünnes Medium und deswegen auch schwer nachzuweisen (direkt sehen kann man es schon gar nicht). Es gab immer wieder Messungen, die darauf hingewiesen haben, dass es existiert – aber so richtig überzeugend war keine davon. Das haben Taotao Fang und seine Kollegen von der Universität Kalifornien in Irvine nun geändert.
Sie haben ihre Beobachtungen geschickt geplant. Ausgangspunkt war ein supermassives schwarzes Loch im Zentrum einer aktiven Galaxie. Das gibt extrem viel (Röntgen)Strahlung ab (nicht das Loch selbst; das Material, dass es umkreist) und ist deswegen auch aus großen Entfernungen noch gut zu sehen. Und das ist gut so – denn in diesem Fall war es knapp 2 Milliarden Lichtjahre weit weg.
Etwas näher liegt die Sculptor-Mauer. Diese gewaltige Anhäufiung von Galaxien bzw. Galaxienhaufen gehört zu den “Filamenten“, die gemeinsam mit den “Voids” die größten Strukturen im Universum bilden. Die Sculptor-Mauer ist etwa 400 Millionen Lichtjahre weit entfernt und liegt genau zwischen uns und dem aktiven Galaxienkern. Und – wenn die WHIM-Vermutung stimmt – dann müsste der Bereich zwischen den Galaxien der Mauer voll mit diesem heissen, dünnen Gas sein. Und dann sollte dieses Gas ein wenig von der Röntgenstrahlung absorbieren.
Genau das haben Fang und seine Kollegen nun gemessen! Die Absorptionseffekte passen genau zur Entfernung der Sculptor-Mauer und bestätigen die WHIM-Vermutung gut:
“Having good detections of the WHIM with two different telescopes is really a big deal. This gives us a lot of confidence that we have truly found this missing matter.”
meint David Buote, einer der Kollegen von Fang.
Coole Entdeckung! Und beeindruckend. Immerhin ist das WHIM wirklich dünn. In einem Kubikmeter Raum voll mit WHIM sind im Schnitt nur 6 Protonen zu finden! Zum Vergleich: im “leeren” Raum zwischen den Sternen unserer Galaxie findet man pro Kubikmeter ein paar Millionen Wasserstoffatome!
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