Bei der Erforschung der Planeten außerhalb unseres Sonnensystems haben wir in den letzten Jahren ganz schön was geschafft. Erst 1995 hat man den ersten dieser Exoplaneten zweifelsfrei nachweisen können – und heute haben wir schon fast 500 von ihnen entdeckt. Mit dazu gehört HD 209458b. Hinter diesem eher langweiligen Namen steckt aber kein x-beliebiger Planet. HD 209458b ist quasi ein Prominenter unter den Himmelskörpern. 365 wissenschaftliche Publikationen gibt es schon über ihn – er gehört sogar zu den wenigen, die einen eigenen “Spitznamen” haben: HD 209458 b ist auch unter “Osiris” bekannt (Trotzdem werden die Wissenschaftler wohl weiter daran festhalten, Exoplaneten keine “echten” Namen zu geben). Und seit kurzem wissen wir sogar, wie das Wetter auf Osiris ist: windig!
Ein Planet mit Potential
Osiris ist wirklich ein interessanter Bursche. 1999 wurde er entdeckt und kurz danach konnte man bei ihm erstmals den Transit eines Exoplaneten nachweisen. Bei der Suche nach extrasolaren Planete ist ja vor allem deren Größe in Verbindung mit ihrer Entfernung ein Problem: sie sind; verglichen mit einem Stern, ziemlich klein und verdammt weit weg. Außerdem strahlen sie selbst kein Licht ab sondern reflektieren nur das Licht des Sterns den sie umkreisen. Direkt kann man sie nur äußerst selten beobachten. Man ist daher auf indirekte Methoden angewiesen.
HD 209458 b wurde mit der sogenannten Radialgeschwindigkeitsmethode. Dazu macht man erstmal ein Spektrum des Sterns. Das bedeutet, dass man das Licht des Sterns in seine Bestandteile aufspaltet und nachsieht, wieviel Licht von einer bestimmten Wellenlänge uns erreicht. Daraus kann man erkennen, woraus ein Stern besteht, denn – simpel gesagt – jedes Element im Stern (Wasserstoff, Helium, Lithium, usw) blockiert einen ganz bestimmten Teil des Lichts und erzeugt so dunkle Linien im Spektrum. Dann macht man sich noch den Dopplereffekt zu Nutze: bewegte Lichtquellen verändern ihre Frequenz. Bei einem Stern bedeutet das, dass sich die Linien im Spektrum zu höheren Wellenlängen hin verschieben, wenn sich der Stern auf uns zu bewegt und zu niedrigeren Wellenlängen, wenn er sich von uns entfernt. Wird nun ein Stern von einem Planeten umkreist, dann macht er beides. Denn dann umkreist genaugenommen nicht der Planet den Stern sondern beide umkreisen ihren Massenschwerpunkt. Für den Stern bedeutet dass, dass er quasi ein wenig hin und her “wackelt”. Genau dieses Wackeln sieht man auch in den Spektrallinien, die sich ebenso hin und her bewegen weil der Stern bei seiner Wackelei sich mal auf uns zu und dann wieder von uns weg bewegt. Dieses Verschiebung der Spektrallinien misst man dann und mit viel Rechnerei und Computereinsatz kann man daraus Rückschlüsse auf die Eigenschaften des Planeten ziehen. Bei Osiris hat das wunderbar geklappt – aber bei ihm war man auch mit einer zweiten Methode erfolgreich.
Haben wir nämlich das Glück, das von der Erde aus gesehen der Planet bei seinem Umlauf genau vor dem Stern vorüberzieht, dann blockt er dabei für einen kurzen Zeitraum ein klein wenig Licht ab. Wenn wir also die Helligkeit eines solchen Sterns messen, dann wird der in regelmäßigen Abständen eine Winzigkeit dunkler. Mit den richtigen Methoden, guten Teleskopen und wieder viel Rechnerei kann man auch so Planeten entdecken (so wie es das Weltraumteleskop CoRoT kürzlich wieder eindrucksvoll gezeigt hat). Vor 1999 ist das allerdings nie gelangen: HD 209458b war der erste Exoplanet, bei dem so ein Transit nachgewiesen werden konnte! Die Messung zeigt schön, wie der Stern für kurze Zeit dunkler wird:
Aber das war noch lange nicht alles! Osiris ist seinem Stern extrem nahe. Er befindet sich zehnmal näher an seinem Stern als Merkur, der sonnennächste Planet in unserem Sonnensystem, unserer Sonne. Dadurch wird er natürlich enorm stark aufgeheizt – dort hat es knapp 1000 Grad. 2003 konnte man durch Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop nachweisen, dass diese Hitze dem Planete nicht wirklich gut tut. Seine Atmosphäre verdampft quasi stückchenweise und Osiris zieht so wie ein Komet einen “Schweif” hinter sich her. Hubble konnte außerdem ein Spektrum der Planetenatmosphäre aufnehmen! Denn auch wenn der Planet selbst kein Licht aussendet, so scheint doch – kurz vor und kurz nach einem Transit – ein bisschen Sternenlicht durch die Atmosphäre des Planeten und wir können so messen, welche Elemente sich darin befinden. Bei Osiris hat man so z.B. Sauerstoff und Kohlenstoff nachgewiesen.
Osiris ist übrigens ein sehr großer Planet. Er ist knapp zwei Drittel mal so schwer wie der Gasriese Jupiter in unserem Sonnensystem – dabei beträgt sein Radius aber das 1.4 fache des Jupiterradius. Das liegt wieder an der Hitze: die hohen Temperaturen blasen den Planeten regelrecht auf. Eine feste Oberfläche so wie auf der Erde gibt es dort auch nicht. Die Dichte von Osiris beträgt nur 0.3 Gramm pro Kubikzentimer (zum Vergleich: auf der Erde sind es 5,5 g/cm³ und Wasser hat 1 g/cm³) – es kann also auf bzw. in Osiris überhaupt nicht viel Festes geben. Was es aber gibt, ist Wasserdampf! Der wurde 2007 nachgewiesen (wieder durch Hubble) – das erste Mal außerhalb des Sonnensystems. Weitere Untersuchungen konnten dann aber diese Messung nicht bestätigen – erst 2009 gab es neue Hinweise auf Wasserdampf.
Es folgt der Wetterbericht…
HD 209458 b ist also immer für eine Überraschung gut. Das haben auch Wissenschaftler aus den Niederlanden und den USA kürzlich festgestellt. Sie haben den Transit vom 7. August 2009 genutzt um 51 Spektren von Osiris aufzunehmen. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag veröffentlicht und der Titel der Arbeit sagt schon, was sie gefunden haben: “The orbital motion, absolute mass and high-altitude winds of exoplanet HD 209458b“. Auch hier konnten wieder Verschiebungen der Spektrallinien gemessen werden. Anders als bei der Entdeckung von Osiris waren es diesmal allerdings Linien im Spektrum des Planeten und nicht des Sterns. Den auch der Planet bewegt sich ja und zwar um den Stern herum. Aus dem Vergleich mit verschiedenen Computermodellen war es nun möglich herauszufinden, wie schnell sich der Planet bewegt:
Die schwarzen Punkte im Bild entstehen durch Kohlenmonoxid in der Atmosphäre von Osiris und aus je nachdem wie schnell sich der Planet bewegt verschieben sie sich im Laufe der Zeit (die hier im Diagramm auf der vertikalen Achse angezeigt wird). Aus den Messungen kann man schließen, dass sich der Planet mit etwa 140 Kilometern pro Sekunde bewegt. Das ist nicht nur an sich interessant – aus dieser Zahl lässt sich nun auch die Masse des Planeten sehr genau bestimmen: Osiris hat 0.64 Jupitermassen und der Stern den er umkreist ist ziemlich genau so schwer wie unsere Sonne. Was die Wissenschaftler ebenfalls mit der Verschiebung der Spektrallinien des Kohlenmonoxids messen konnten, war eine Bewegung der Atmosphäre selbst. Dort weht ein starker Wind: 5000 bis 10000 Kilometer pro Stunde schnell!
Das ist auch nicht verwunderlich. Wie ich oben schon gesagt habe, ist Osiris sehr nahe an seinem Stern und deswegen auch sehr heiß. Allerdings nur auf einer Seite. Denn so wie die Gezeitenkräfte zwischen unserem Mond und der Erde dazu geführt haben, dass der Mond uns immer die selbe Seite zeigt, haben auch die Gezeiten zwischen Osiris und seinem Stern bewirkt, dass immer die selbe Seite des Planeten zum Stern gerichtet ist. Auf der Nachtseite ist es also wesentlich kälter und in den Grenzregionen zwischen Tag und Nacht herrscht ein enormes Temperaturgefälle. Und wie das so ist in der Meteorologie entsteht durch diese unterschiedlichen Temperaturen ein starker Wind.
Es ist immer wieder erstaunlich, was man in der Astronomie alles aus ein bisschen Licht herausfinden kann. Wir können unsere Forschungsobjekte nicht aus der Nähe untersuchen; wir können sie nicht auf die Waage legen, aufschneiden, sezieren oder sonstwie direkt untersuchen. Die meisten Exoplaneten können wir nicht mal direkt sehen. Mit viel Technik, Kreativität und Mühe reichen den Astronomen aber ein paar vom Planeten reflektierte Photonen um aus einer Entfernung von 150 Lichtjahren herauszufinden, wie stark der Wind auf dieser fremden Welt gerade weht… Astronomie ist enorm cool!
Snellen, I., de Kok, R., de Mooij, E., & Albrecht, S. (2010). The orbital motion, absolute mass and high-altitude winds of exoplanet HD 209458b Nature, 465 (7301), 1049-1051 DOI: 10.1038/nature09111
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