Bei manchen Geschichten dauert es ein wenig, bis sie es in mein Blog schaffen… Die Nachricht, um die es hier geht, wurde schon am 14. April veröffentlicht. Ich hab es damals aber irgendwie nicht geschafft, was darüber zu schreiben und es irgendwann auch vergessen. Aber netterweise gibt es ja jede Menge Leserinnen und Leser, die mich auf solche interessante Geschichten hinweisen. Nachdem ich also nun schon seit Wochen immer wieder Mal Emails mit Fragen zu dieser Entdeckung bekomme (besonders, seit auch Dieter Broers in seinem Blog darüber schreibt) muss ich nun also doch noch was dazu schreiben.
Um was geht es? Um eine Beobachtung, die der britische Radioastronom Tom Muxlow vom Jodrell Bank Centre for Astrophysics gemeinsam mit seinen Kollegen gemacht hat. Sie haben die Galaxie M82 untersucht und dabei eine äußerst interessante Radioquelle gefunden. Glaubt man manchen etwas hysterischen Medienberichten, dann bewegt sie sich schneller als das Licht und die Wissenschaftler haben nicht die geringste Ahnung, um was es sich handeln könnte.
Yahoo-News schreibt beispielsweise:
“Die Astrophysiker sind noch immer verblüfft. Zu einer herkömmlichen Supernova will das Phänomen nicht so Recht passen. Denn während die Emission aus M82 seit einem Jahr konstant ist, werden bisher beobachtete Supernova-Wellen über die Zeit immer schwächer. Auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit, die das Vierfache der Lichtgeschwindigkeit beträgt, macht die Wissenschaftler stutzig. “
Hu – ja! Wenn Astronomen tatsächlich etwas beobachten würden, dass sich viermal schneller als das Licht bewegt, dann wären sie wohl mehr als nur “verblüfft”. Das würde sie nicht nur “stutzig machen” – das würde eine veritable Revolution auslösen! Immerhin wäre damit eine zentrale Grundlage der modernen Physik (die spezielle Relativitätstheorie) widerlegt worden. Aber man muss sich ja glücklicherweise nicht auf die Medien im Internet verlassen sondern kann einfach mal direkt in die Publikation von Muxlow et al. schauen. Die findet sich in den “Monthly Notices of the Royal Astronomical Society” – oder frei verfügbar arXiv Preprint-Server. Sie trägt den Titel “Discovery of an unusual new radio source in the star-forming galaxy M82: Faint supernova, supermassive blackhole, or an extra-galactic microquasar?” und enthält alles, was man wissen muss.
Muxlow und seine Kollegen haben mit MERLIN beobachtet. Das steht für Multi-Element Radio Linked Interferometer Network und ist ein Netzwerk aus großen Radioteleskopen, die über ganz England verteilt sind. Ziel ihrer Beobachtungen war die Spiralgalaxie M82, etwa 12 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Diese Galaxie ist bekannt für ihre hohe Sternentstehungsrate. Aber dort, wo viele Sterne entstehen, sterben auch viele. Das tun sie oft durch Supernova-Explosionen und wenn die bei diesen Explosionen ins All geschleuderten Teilchen sich mit hohen Geschwindigkeiten durchs galaktische Magnetfeld bewegen, entsteht Radio-Strahlung. Auf diese Art hat man in M82 in den letzten Jahrzehnten schon Dutzende Supernovae bzw. Supernovae-Überreste entdeckt.
Beobachtungen, die Muxlow und sein Team zwischen 1. und 5. Mai 2009 gemacht haben, haben eine neue Quelle dieser Art entdeckt. Als man das letzte Mal am 25. April 2009 hingesehen hatte, war noch keine Strahlung zu messen – am 3. Mai war da allerdings plötzlich eine neue Quelle (bei einer Position von 09 Stunden 55 Minuten 52.5083 Sekunden Rektaszenzsion und 69 Grad 40 Bogenminuten 45.410 Bogensekunden falls es wer genau wissn will). Es schien also alles auf eine neu entdeckte Supernova hinzudeuten. Aber dann hat man weiter beobachtet: zwischen April 2009 und Januar 2010 hat man jede Menge Beobachtungen bei Radiofrequenzen von 4994 MHz, 6668.4MHz und 1658MHz gemacht.
In den ersten 50 Tagen (in denen das Objekt nicht nur mit MERLIN sonder auch dem VLA-Netzwerk beobachtet wurde) zeigte sich, dass sich die Radioquelle mit 0.2 Millibogensekunden pro Tag am Himmel entlang bewegte. Das mag nach wenig klingen: ein Grad ist der 360te Teil eines Kreises; eine Bogenminute der 60te Teil eines Grades; eine Bogensekunde der 60te Teil einer Bogenminute und eine Millibogensekunde ist noch tausendmal kleiner. Aber bezogen auf die gewaltige Entfernung von M82 entspricht das einer Bewegung mit 4.2facher Lichtgeschwindigkeit!
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