Irgendwie finde ich heute nur Dinge, die mich aufregen… Zuerst die Pseudowissenschaft an der Kinderuni Wien – und dann stolpere ich auch noch wieder über die “psychologische Astrologie”. Wenn ich über Astrologie schimpfe, dann erzählt man mir oft, dass der ganze Kram mit Vorhersagen und Prognosen; Zeitungshoroskop und AstroTV ja alles Unsinn ist. Sowas machen ernsthafte Astrologen nicht. Seriöse Astrologen geben “Lebenshilfe”. Seriöse Astrologen beschäftigen sich mit “psychologischer Astrologie”. Klingt super – aber was ist das genau? Wir haben doch schon die Psychologie – wozu braucht man noch eine “psychologische Astrologie?”. Passend dazu hat auf astrologie.de die Astrologin Helen Fritsch einen Artikel geschrieben, der schön zeigt, was die “psychologische Astrologie” eigentlich ist. Unter dem Titel “Hilfe, mein Kind hat eine Pluto / Mond Konjunktion – bin ich eine schlechte Mutter?” gibt Frau Fritsch Tipps zur Kindererziehung.
Hier sind ein paar Auszüge (aber lest den Text vorher ruhig komplett).
“Mit Pluto/Mond wird das Kind sehr starke Bedürfnisse besonders der Mutter gegenüber empfinden.”
Im Gegensatz zu den anderen Kindern, die keine Bedürfnisse der Mutter gegenüber empfinden?
“Nehmen wir an, dass das Kind diese Gefühle dadurch ausagiert, dass es übermäßig oft und lange schreit. Es könnte unter ambivalenten Gefühlen leiden – einerseits will es intensive Nähe zur Mutter und andererseits erlebt es sie (in seiner Projektion!) als übermächtig und verschlingend. Und nun schreit es entsetzt.”
Toll, wie man so völlig ohne passende Ausbildung in (Kinder)Psychologie frei und fröhlich über die psychischen Vorgänge im Kind spekulieren kann…
“Die Kunst liegt nun im bewussten Umgang mit der unguten Einflussnahme Ihres Sprösslings und die psychologische Astrologie kann zeigen, wie das am besten gehen könnte. Ist die Mutter zu schnell zur Stelle, erlaubt sie zu viel und versucht dem Kind alle Wünsche zu erfüllen, hat das Kind die Macht über die Mutter. Und es wird schnell herausfinden, wie der „Zauber”, den einige Mütter wohl eher als Terror bezeichnen würden, funktioniert.”
Ernsthaft -diese Platitüden sollen die berühmte “psychologische Astrologie” sein? Was hat das mit den “Pluto-Kindern” zu tun? Wenn ein anderer Planet dominiert – soll dann die Mutter auf einmal alles erlauben? Das man Kindern einerseits nicht alles durchgehen lassen soll – andererseits aber auch nicht nur stur auf seinem eigenen Willen beharren sollte: um das festzustellen braucht man kein Astrologie zu betreiben.
“Ehrlichkeit und Offenheit sind besonders wichtig im Umgang mit ‘Pluto betonten’ Kindern. Sie spüren Echtheit und Integrität. Das sind die positiven Eigenschaften, die das positive Charisma der plutonischen Energie ausmachen. Dazu gehört, dass die Mutter offen mit dem Kind über Ängste und Tabus spricht, dass sie kindgerecht argumentiert, sodass das Kind Einsicht in Notwendigkeiten entwickeln kann, dass sie dem Kind Möglichkeiten bietet, die eigene Macht und ihre Grenzen kennen zu lernen.”
Ja – bei “Pluto betonten” Kindern muss man ehrlich und offen sein. Im Gegensatz zu z.B. Neptun betonten Kindern. Die kann man locker anlügen, das schadet denen nicht. Oder wie jetzt? Und “kindgerecht argumentieren” soll man mit den Pluto-Kindern. Klar – warum nicht. Aber aufpassen, dass man nicht ein Jupiter-Kind vor sich hat. Die können kindgerechte Argumente auf den Tod nicht ausstehen. Und bitte ja nicht einem Uranus-Kind “Möglichkeiten bieten, die eigene Macht und ihre Grenzen kennen zu lernen” – das könnte fatal sein.
Was soll dieser Quatsch? Das sind völlig beliebige Aussagen die auf alles und nichts passen! Der Umgang mit Kindern; gerade wenn es “problematische” Kinder sind ist nicht trivial. Kindererziehung ist nichts, was man so nebenbei erledigen kann. Wie kommen Leute dazu, sich “Psychologischer Astrologe” zu nennen und zu meinen, sie wären nun qualifiziert, den Leuten zu erzählen, wie sie ihre Kinder erziehen sollen? Psychologie ist nicht umsonst etwas, das man lange an Universitäten studieren muss bevor es einem erlaubt wird, zu praktizieren. Das muss man machen, damit man ausreichend Ahnung von der menschlichen Psyche und physischen Vorgängen im Körper hat. Wenn man “Problemkinder” behandeln will, muss man ausreichend Ahnung davon haben, wie sich Kinder entwickeln; was in einem gewissen Alter “normal” ist und was nicht und noch jede Menge Dinge mehr.
Wer hat Lust, sich von einem Zahnarzt behandeln zu lassen, der nicht an einer Uni studiert hat sondern nur mal eben nebenbei einen Kurs über Zähne gemacht hat? Niemand, denke ich. Wer steigt in ein Flugzeug, in dem kein ausgebildeter Pilot sitzt, sondern jemand, der sich vor nem Jahr mal nen Flugsimulator gekauft hat? Niemand! Aber mit seinen psychischen Problemen geht man dann auf einmal zu einem “psychologischen Astrologen” dessen “Ausbildung” – wenn überhaupt vorhanden – bestenfalls zweifelhaft ist.
Man würde sich wünschen, dass der Gesetzgeber hier irgendwas tun würde. Nicht die Astrologie verbieten, natürlich. Aber es sollte schon irgendwie festgelegt werden, wer Menschen bei medizinischen Problemen helfen darf und wer nicht. Wir lassen ja auch nicht Hinz und Kunz im Operationssaal Leute aufschneiden. Warum sollte man dann jeden, der sich “psychologischer Astrologe” nennt mit der Psyche der Leute rumspielen lassen? Aber es wird wohl noch lange dauern, bis hier etwas passiert.
Oder vielleicht auch nicht. Der Staat hat nämlich schon beschlossen, was er mit “psychologischen Astrologen” wie Frau Fritsch tut: er gibt ihnen Geld, damit sie Arbeitslose zu neuen “psychologischen Astrologen” ausbilden. Hurra! 🙁
Kommentare (91)