Als 1929 Edwin Hubble gemeinsam mit Milton Humason (basierend auf den Daten von Vesto Slipher) herausfand, dass sich die fernen Galaxien umso schneller von uns weg bewegen je weiter sie entfernt sind, war das eine revolutionäre Erkenntnis. Das Universum dehnt sich aus! Und wenn es sich ausdehnt, dann war es früher kleiner. Und noch früher noch kleiner. Und so weiter. Das statische Universum, das man sich bisher vorgestellt hatte, war nicht mehr haltbar. Stattdessen begann die Zeit der Urknalltheorie. Aber so wie mit allen anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es auch Leute, die die Expansion des Universums bezweifeln. Sie behaupten, die Daten die Hubble gewonnen hat, basieren auf falschen Grundlagen. Denn in Wahrheit gibt es keine Rotverschiebung sondern das Licht wird auf seinem Weg durch das Universum einfach “müde”.
Denn ohne die Messung der Rotverschiebung wäre es Hubble nicht möglich gewesen, herauszufinden, wie schnell sich die Galaxien bewegen. Hier macht man sich den bekannten Dopplereffekt zu Nutze. Den kennt jeder vom vorbeifahrenden Krankenwagen: bewegt sich die Quelle, die in diesem Fall Schallwellen aussendet, auf uns zu, werden die Wellen “gestaucht” und wir hören einen Ton, der zu höheren Frequenzen verschoben ist. Entfernt sich das Auto von uns, dann wird die Schallwelle gestreckt und wir hören einen tieferen Ton.
Genau so läuft es auch mit Lichtwellen. Entfernt sich eine Lichtquelle von uns, dann wir sehen wir ihr Licht rötlicher als es eigentlich ist weil die Wellenlänge entsprechend verschoben erscheint. Bewegt sie sich auf uns zu, dann sehen wir ihr Licht ins Blaue verschoben. Als Hubble 1929 seine Ergebnisse veröffentlichte, fand der streitbare Astronom Fritz Zwicky (der auch als erstes die “dunkle Materie” vorschlug) sofort eine andere und unkonventionelle Interpretation. Das Universum dehnt sich nicht aus, meinte er. Die Rotverschiebung ist nicht darauf zurückzuführen, dass sich Galaxien von uns weg bewegen. Das Licht erscheint uns rötlich, weil es “müde” wird. Auf seinem langen Weg durchs Universum verliert es Energie (z.B. durch Streuung an intergalaktischen Teilchen oder durch gravitative Wechselwirkung) und es kommt bei uns rötlicher an als ausgesandt wurde. Das Universum ist statisch; eine Ausdehnung gibt es nicht!
Anfänglich waren viele Wissenschaftler angetan von Zwickys Idee. Immerhin war die Vorstellung des statischen Universums noch fest in den Köpfen der meisten verankert; selbst Albert Einstein, der mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie und ein wenig mehr Mut die Expansion des Alls vorhersagen hätte können wollte so ein Universum vorerst nicht akzeptieren. Die “Lichtermüdung” wurde deswegen noch einige Zeit diskutiert – dann aber doch auf dem Stapel der falschen Theorien entsorgt. Zuviel sprach gegen sie. Es gelang nie, einen wirklich überzeugenden Mechanismus der Lichtermüdung zu entwickeln und man schaffte es auch nie, auf dem müden Licht eine komplette kosmologische Theorie aufzubauen die ebenso wie die Urknalltheorie die vielen beobachteten Phänomene erklären konnte. Und spätestens seit den Messungen an der kosmischen Hintergrundstrahlung hat die Urknalltheorie keine Konkurrenten mehr. Denn sowohl die Steady-State-Theorie (die ohne Urknall auskommt) als auch die Lichtermüdung können die nicht mehr erklären.
Trotzdem trifft man die Lichtermüdung auch heute noch oft an. So gut abgesichert und belegt (und die Urknalltheorie ist enorm gut abgesichert und belegt) kann eine Theorie gar nicht sein dass nicht ein Haufen Spinner existiert, der alles für Unsinn hält 😉 Und bei den Leuten, die gerne die moderne Kosmologie im Alleingang widerlegen wollen steht die Lichtermüdung weiterhin hoch im Kurs. Immerhin hat sie sich nicht irgendein Pseudowissenschaftler ausgedacht sondern wurde von echten Astronomen ins Leben gerufen! Das diese Astronomen dann auch die entsprechenden Gegenargumente zur Kenntnis genommen haben und die Lichtermüdung wieder zu den Akten legten, wird dann aber wieder meistens ignoriert.
Ich habe mir bis jetzt über die Lichtermüdung wenig Gedanken gemacht. Ich hatte zwar schon mit jeder Menge komischer Leute zu tun – aber Rotverschiebungsleugner waren da noch nicht dabei. Deshalb kannte ich auch noch ein äußerst schönes Gegenargument nicht, dass mir heute bei der Lektüre von “Kippenhahns Sternstunden” (so wie alle Bücher von Kippenhahn äußerst empfehlenswert) begegnet ist.
Jetzt mal abgesehen davon, dass die Urknalltheorie auch durch jede Menge andere Beobachtungen abgesichert ist und nicht nur von der Rotverschiebung alleine – die Untersuchung von fernen Supernovae lässt sich ebenfalls nutzen um zu zeigen, dass Licht nicht müde wird. So eine Supernova (die vom Typ Ia) lässt sich nämlich wunderbar zur Entfernungsmessung nutzen. Bricht die Supernova aus, dann folgt die Änderung der Helligkeit klaren Gesetzen und ist immer gleich. Wir können also ausrechnen, wie hell sie uns erscheinen soll und das mit dem vergleichen, was wir beobachten. Der Unterschied zwischen beobachteter und theoretischer Helligkeit gibt uns dann die Entfernung. Der Helligkeitsabfall um eine Größenklasse dauert bei einer Supernova vom Typ Ia ungefähr 14 Tage. Und wie schon gesagt: dieser Zeitraum ist für alle Supernovae gleich. Misst man aber bei sehr weit entfernten Galaxien nach, dann zeigt sich, dass sie viel länger brauchen! Was ist hier passiert? Ganz einfach – das belegt, dass sich das Universum ausdehnt. Je weiter weg die Supernova, desto schneller entfernt sich die Galaxie, in der sie stattfindet von uns. Bei Supernovae, die sich so schnell bewegen ist mit einer Zeitdilatation zu rechnen; also einer Verlangsamung der Zeit. Die Expansion des Alls dehnt quasi den 14 Tage langen Lichtstrahl auf z.B. drei Wochen. Würde sich das All nicht ausdehnen und einfach nur das Licht müde werden, dann würde wir Supernova-Ausbrüche beobachten, die alle gleich lang dauern – aber je weiter weg sie stattfinden, desto röter würde uns ihr Licht erscheinen. Wir messen aber etwas ganz anderes: je weiter weg sie stattfinden, desto länger scheinen sie zu dauern. Das ist eine direkte Widerlegung der Lichtermüdung und eine direkte Bestätigung der Expansion des Weltalls! (Mit Supernova-Messungen lassen sich übrigens noch jede Menge andere tolle Sachen über die Expansion des Universums herausfinden.
Ich habe diesen Artikel übrigens nicht geschrieben, um die Sache mit der Lichtermüdung ins Lächerliche zu ziehen! Gemeinsam mit anderen Hypothesen – wie die vom Äther zum Beispiel – fällt das müde Licht in die Klasse der durchaus plausiblen Überlegungen die sich eben als falsch herausgestellt haben. Die Lichtermüdung wurde postuliert um Beobachtungsdaten zu erklären; aus ihr ergaben sich gewisse Vorhersagen für zukünftige Beobachtungen und als die gemacht worden sind hat sich gezeigt, dass die Ausgangshypothese eben nicht stimmen kann. Die Wissenschaftler, die sich das “müde Licht” ausgedacht haben sind keine Spinner. Aber die, die heute noch die Foren und Blogs heimsuchen und mit der schon längst widerlegten Lichtermüdung argumentieren sind welche!
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