Vor einigen Wochen habe ich über Stephen West von der Royal Holloway Universität London berichtet und seine Überlegungen ob die Sonne einen Kern aus dunkler Materie hat. Denn die dunkle Materie ist mit ziemlicher Sicherheit irgendwo da draußen; wir sehen, wie sie Galaxien und Galaxienhaufen beeinflusst. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass es sich bei der dunklen Materie um bisher unbekannte Elementarteilchen handelt, die man WIMPs (Weakly Interactive Massive Particles) nennt (und die man vielleicht sogar doch schon entdeckt hat). Wenn dunkle Materie tatsächlich aus WIMPs besteht, dann gibt es vielleicht noch eine weitere Möglichkeit, sie nachzuweisen. Denn diese WIMPs würden sich dann auch in den Sternen selbst ansammeln – und das hätte nachweisbare Folgen…
Bei der Arbeit von Stephen West gab es ja das Problem dass nicht ganz klar war, was er nun eigentlich gemacht hatte (ein wissenschaftlicher Artikel war nicht auffindbar) und von der spezielle Art von WIMPs auf der seine Thesen basierten konnte man auch schon so gut wie sicher zeigen dass sie nicht existieren. Vor einigen Tagen ist nun aber eine neue Arbeit zweier Astronomen aus Portugal erschienen die das Thema “Dunkle Materie in Sternen” schön übersichtlich behandelt und in der genau berechnet wurde, was sich daraus für zu beobachtende Effekte ergeben.
Jordi Casanellas und Ilídio Lopes vom Instituto Superior Técnic in Lissabon bzw. der Universität von Évora haben in ihrem Artikel “Towards the use of asteroseismology to investigate the nature of dark matter” genau nachgesehen, was man mit asteroseismologischen Methoden über dunkle Materie herausfinden kann.
Die Grundthese sie folgendermassen aus: dunkle Materie ist überall im Universum; also auch da, wo Sterne entstehen. Diese dunkle Materie kann sich dann im Inneren der Sterne ansammeln wo sich die DM-Teilchen bei Kollision selbst auslöschen und dabei Strahlung erzeugen. Diese Strahlung existiert natürlich im klassischen Bild der Sternentwicklung nicht und daher sollten sich Unterschiede zwischen Beobachtung und den Vorhersagen der bisherhigen Theorien ergeben. Das gilt besonders für Sterne, die sich schon im frühen Universum gebildet haben – denn da gab es die meiste dunkle Materie.
Casanellas und Lopes haben nun sonnenähnliche Sterne simuliert die sich in Halos mit einer hohen DM-Dichte entwickelt haben. Die Größe, die hier von besonderer Bedeutung ist, ist die Einfangrate der DM-Teilchen. Sie kann mit folgendem Integral berechnet werden (ich verzichte zwar meistens auf komplizierte Formeln – aber heute hab ich mal Lust auf Integrale 😉 )
Die relevanten Zahlen sind hier fv* (u) – das ist die Geschwindigkeitsverteilung der DM-Teilchen und Ωvi; die Wahrscheinlichkeit, dass ein DM-Teilchen eingefangen wird. Diese Teilchen sammeln sich dann im Zentrum des Sterns. Nimmt man eine DM-Teilchenmasse von 100 GeV dann besetzen sie in etwa das innerste Zehntel des Sterns. Unter der Annahme das die DM-Teilchen ihre eigenen Antiteilchen sind (Majorana-Teilchen), annihilieren sie sich nun gegenseitig und erzeugen Strahlung. Das kann verschiedene Auswirkungen haben. Ist die Dichte der DM-Teilchen im Sternentstehungsgebiet sehr hoch – größer als 3 * 109 GeV pro cm³ – dann ist der Strahlungsdruck der durch die DM-Annihilation entsteht so groß, dass er der Gravitation so stark entgegenwirkt das der Protostern nicht stark genug kontrahieren kann um die Kernfusion im Zentrum zu starten. Er wird also gar nicht erst zum Stern werden. Ist die DM-Dichte geringer, dann entsteht der Stern – aber er hat nun neben der Kernfusion eine zusätzliche Energiequelle in seinem Inneren. Diese ganze Energie kann nun nicht mehr mit Strahlung nach außen transportiert werden; der Stern muss also auf eine andere Art des Energietransports zurückgreifen: Konvektion. Plasma im Sterninneren wird erwärmt; steigt auf und gibt dabei Wärme ab und wenn es kühl ist, sinkt es wieder nach unten (so wie in einer Lavalampe). So einen konvektiven Kern haben Sterne normalerweise nicht – das ist eine direkte Folge der dunklen Materie.
Aber mit unseren Teleskopen können wir leider nicht in die Kerne der Sterne hineinsehen. Wie es darin aussieht, wissen wir nicht. Wir können uns aber der gleichen Technik bedienen, die wir nutzen um herauszufinden, wie es im Inneren der Erde aussieht: Seismologie! Auf der Erde analysieren die Geolgen die Ausbreitung von Erdbebenwellen um mehr über das Innenleben unseres Planeten zu erfahren. Das gleiche funktioniert auch mit Sternen. Die sind ja im Gegensatz zur Erde keine Festkörper sondern Gaskugeln und daher ständig in Bewegung bzw. in Schwingung. Und aus der Art und Weise dieser Schwingungen lässt sich einiges über Inneres erfahren. Wie solche Sterne schwingen kann man z.B. in diesen Animationen (die Größenordnungen sind etwas übertrieben) sehen:
Man sieht recht gut, dass sich hier immer wieder Teile der Sternoberfläche zuerst auf uns zu und dann wieder von uns weg bewegen. Misst man nun die Spektrallinien des Sterns, dann erkennt man eine periodische auftretende Blau- bzw. Rotverschiebung. Das ist genau das selbe wie bei der Radialgeschwindigkeitsmethode zur Suche nach Exoplaneten. Große Weltraumteleskope wie CoRoT und Kepler dienen daher nicht nur der Suche nach neuen Planeten sondern werden auch von den Asteroseismologen verwendet. Sie messen damit die Schwingungen verschiedenster Sterne und können daraus jede Menge Informationen über deren Innerstes ableiten. Casanellas und Lopes haben nun genau berechnet, wie sich z.B. die Schallgeschwindigkeit im Inneren des Sterns oder sein Dichteprofil ändert; je nachdem ob viel oder wenig dunkle Materie vorhanden ist:
Besonders gut sieht man das im oberen Bild das die Schallgeschwindigkeit in Abhängigkeit des Abstands vom Sternzentrum zeigt. Während die blaue und graue Linie Sterne mit keiner bzw. so gut wie keiner dunklen Materie zeigen und gleichmäßig verlaufen erkennt man bei den anderen einen deutlichen “Knick” der auf das Vorhandensein eines konvektiven Kerns zurückzuführen ist.
Um solche Unterschiede nun tatsächlich messen zu können, muss man natürlich auch die Sternschwingungen möglichst genau messen. Casanellas und Lopes meinen, dass die nötige Genauigkeit heute schon möglich ist. Man müsste einen Stern mit CoRoT oder Kepler etwa 100 Tage lang beobachten um ausreichend Daten für eine passende Analyse zu haben (Hu – die Exoplanetenforscher und die Asteroseismologen streiten ja jetzt schon ständig um die Beobachtungszeit – wenn sich nun auch noch die Leute mit der dunklen Materie einmischen wirds wirklich rund gehen 😉 ). Die Portugiesen sagen allerdings auch, dass man solche Sterne mit durch DM-Teilchen hervorgerufene konvektive Kerne am ehesten in der Nähe des Zentrums der Milchstrasse findet. Und weil es dort so hell ist, ist es natürlich besonders schwierig, gute Beobachtungen anzustellen. Aber wer weiß: vielleicht finden wir die dunkle Materie schneller als wir gedacht hätten…
Jordi Casanellas, & Ilídio Lopes (2010). Towards the use of asteroseismology to investigate the nature of dark matter MNRAS arXiv: 1008.0646v1
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