Während meiner Schulzeit hab ich tatsächlich viel gelernt. Ok, ich hab auch viel vergessen und viel Blödsinn gemacht – aber ich hab mich nicht gelangweilt und bin gerne zur Schule gegangen. Das einzige Fach, von dem ich heute immer noch so gut wie keine Ahnung habe, ist Chemie. Das lag nicht unbedingt an mir und schon gar nicht an unseren Lehrern – es war eher eine Verkettung unglücklicher Zufälle (die u.a. dazu geführt hat, dass wir damals unseren Chemieunterricht am späten Nachmittag hatten und niemand mehr so wirklich Lust auf irgendwas). Im Gegensatz zu anderen Fächern wie Biologie, Geografie oder Geschichte weiß ich aus meinem Chemieunterricht tatsächlich so gut wie nichts mehr. Das ist äußerst schade und ärgert mich jedesmal wieder, wenn ich mit Chemie in Kontakt komme. Ich nehme mir dann immer vor, mich jetzt doch endlich mal zu informieren. Aber in den Buchhandlungen finden sich dann meistens nur für Laien schwer verständliche Fachbücher…
Und das wundert mich. Denn wenn man sich so ansieht, was es da alles für populärwissenschaftliche Bücher gibt, ist eigentlich jede Wissenschaft vertreten. Ich habe schon wunderbare Bücher über Botanik, Geophysik oder Paläontologie gelesen. Allgemeinverständliche Bücher über Biologie und Mathematik füllen Regale und in der theoretischen Physik kann ein Thema noch so abgehoben sein: irgenwer hat sicher ein Buch darüber geschrieben und wenn man was über String- und M-Theorie; über Schleifenquantengravitation; über schwarze oder Wurmlöcher; über Kosmologie und Teilchenphysik oder sonst irgendwas Bescheid wissen will, kann man meistens unter vielen verschiedenen Autoren wählen. Aber wenn es um Chemie geht, endet mein Einkaufsbummel irgendwie immer erfolglos.
Ok – es gibt das eine oder andere Buch über “Küchenchemie” – das sind die, in denen erklärt wird, warum die Wurst beim Braten braun wird oder was der Unterschied zwischen einem geschüttelten oder gerührten Martini ist. Aber wo sind die Bücher, die sich wirklich mit der Chemie als echte Wissenschaft beschäftigen und doch allgemeinverständlich sind? Wo ist “Eine kurze Geschichte der Zeit” oder “Der Stoff aus dem der Kosmos ist” über Chemie? Habe ich diese Bücher bis jetzt immer übersehen? Oder ist die Chemie per se so kompliziert, dass sie nicht auf diese Art und Weise laientauglich aufgearbeitet werden kann? Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen – denn ich glaube, dass in der Chemie durchaus Potential für spannende und verständliche Lektüre zu finden ist.
Einen Vorgeschmack auf das, was möglich ist, bietet ein Buch, dass ich gestern gefunden habe. Es heisst “Die Ordnung der Stoffe” und wurde von Ulf von Rauchhaupt geschrieben. Der war Physiker und ist jetzt FAZ-Redakteur und hat dort regelmäßig kurze Kolumnen über die verschiedenen chemischen Elemente geschrieben. Die sind nun in diesem Buch alle zusammengefasst und auch wenn jedes Element nur kurz auf nichtmal zwei Seiten vorgestellt wird ist es doch enorm spannend. Klar, Elemente wie Gold, Silber, Kupfer, Sauerstoff, Uran etc kennt jeder. Aber wer weiß schon, was Rhenium ist, wozu man es verwendet oder dass es der härteste bekannte Stoff ist und sogar Diamanten ritzen kann? Wer weiß, dass man das radioaktive Americium, das erst 1944 in abgebranntem Kernbrennstoff entdeckt wurde, braucht, um Feuermelder zu bauen? Wer hat schonmal von Gadolinium gehört – das immerhin schon 1880 entdeckt wurde und häufiger ist als Silber oder Iod (und z.B. als Verstärker in Röntgengeräten verwendet wird)?
Dabei ist von Rauchhaupts Buch nicht nur eine Aneinanderreihung von interessanten Anekdoten über die Elemente – sondern auch durchaus voll mit “echter” Chemie. Er erzählt, welche Elemente mit welchen anderen Elementen reagieren und warum sie das tun. Man erfährt welche Elemente und Verbindungen in die Chemie des Körpers eingreifen, wie das geschieht und ob das positiv oder negativ ist. Und es wird erklärt, wie verschiedene Elemente in andere Elemente umgewandelt werden können – und noch vieles mehr. Das Buch ist kurz und knapp und trotzdem enorm interessant. Und man wünscht sich auf jeder Seite, dass der Autor die einzelnen Elemente und ihre Chemie vielleicht doch etwas ausführlicher behandelt hätte. Als Sammlung von FAZ-Kolumnen ist das Buch eine unterhaltsame, empfehlenswerte und kurzweilige Lektüre über Chemie. Aber hätte man die Anzahl der Seiten verdreifacht; die Elemente etwas genauer erklärt und vielleicht noch eine detaillierte Erklärung der chemischen Grundlagen hinzugefügt, dann hätte man ein faszinierendes Werk über eine faszinierende Wissenschaft. Schade, dass es sowas nicht gibt!
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